Arnsberg. Naturschutzverbände wollten verhindern, dass neue Nadelbäume gefördert wird. Warum die NRW-Landwirtschaftsministerin das ablehnt.
8 Uhr, Grundschule St. Antonius in Bedburg-Hau, vorlesen in der vierten Klasse. 13.30 Uhr, Jugendwaldheim Arnsberg-Obereimer, Besuch der landeseigenen Suchhundeeinheit zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest. Ministerin sein kann auch Spaß machen. Dazwischen Interview mit dieser Zeitung. Kein Spaß, ernste Themen. Silke Gorißen (CDU) ist Forst- und Landwirtschaftsministerin von NRW. An diesem Donnerstag wird sie wieder den Waldzustandsbericht vorlegen. Der ist seit Jahren ein Trauerspiel. Und auch wenn Dürre und Brände den Wald in diesem Jahr etwas verschont haben, steht fest: Gut geht es ihm nicht. Wir haben mit Silke Gorißen gesprochen.
140.000 Hektar Wald sind in NRW dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Erst 35.000 sind in der Wiederaufforstung. Reicht Ihnen das?
Da geht mehr. Auch deshalb haben wir jetzt eine sehr einfache Wiederbewaldungsprämie auf den Weg gebracht: Für 400 gepflanzte Bäume gibt es 800 Euro Unterstützung pro Hektar. Das läuft sehr unbürokratisch. Wir gehen davon aus, dass die Wiederaufforstung damit einen weiteren Schub bekommt. Gefördert werden alle Baumarten, die wir in unserem Waldbaukonzept empfehlen. Ausgeschlossen sind Fichte und Weihnachtsbaumarten. Die Waldbauernverbände haben das sehr positiv aufgenommen. Jetzt kann es losgehen.
Alles außer Fichte und Weihnachtsbaum: Keine Angst vor neuen Monokulturen?
Die Naturschutzverbände haben sich gewünscht, dass wir Nadelbäume nicht mehr fördern. Wir sagen aber: Auch die gehören mit dazu. Denn wir brauchen auch einen bewirtschafteten Wald, der den nachwachsenden Rohstoff Holz regional liefert und den Waldbesitzern Einkommen sichert. Die Waldbesitzer haben über Jahre mit massiven Einnahmeverlusten zu kämpfen. Das dürfen wir nicht vergessen. Das neue Förderinstrument soll motivieren, sich aktiv und eigenverantwortlich mit der Wiederbewaldung auseinander zu setzen.
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Warum muss man eigentlich bei Waldbesitzenden dafür werben, dass man ihnen Geld gibt?
Viele Waldbesitzer sind nach den vielen Rückschlägen, etwa nach Kyrill, Dürren und Borkenkäfern, ein Stück weit müde. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass es in NRW über 150.000 Waldbesitzer gibt, von denen viele nur kleine Flächen bewirtschaften. Sie brauchen eine niedrigschwellige und unbürokratische Unterstützung. Die geben wir ihnen mit der neuen Wiederbewaldungsprämie.
Wir brauchen einen Wirtschaftswald, haben Sie eben gesagt. Dann müssten Sie das geplante neue Bundeswaldgesetz ja blöd finden. Denn in den bisher kursierenden Entwürfen spielt der Wald als Rohstofflieferant eine untergeordnete Rolle.
Uns liegt der Entwurf noch nicht vor. Wie gesagt: Die Bewirtschaftung des Waldes ist wichtig. Eine ideologische Herangehensweise ist fehl am Platz. Wir müssen uns ehrlich machen: Wenn wir mehr mit Holz bauen wollen, müssen auch Bäume gefällt werden. Wir dürfen die regionale Holzversorgung nicht reduzieren. Wenn fehlendes Holz durch verstärkte Importe und energieintensive, fossile Materialien ersetzt wird, dann geraten auch die Klimaziele in Gefahr. Es bleibt zu hoffen, dass der Bund im Entwurf auch die Nutzfunktion angemessen berücksichtigt.
Junge Bäume sind eine Delikatesse für Wild. Ohne Jagd keine erfolgreiche Aufforstung. Sind Sie zufrieden mit den Jägern?
Wir brauchen mehr Engagement. Ein zu hoher Wildbestand ist kontraproduktiv für die Wiederaufforstung. Wir sind im guten Austausch mit den Jagdverbänden und appellieren an die Jäger, für angepasste Wildbestände zu sorgen.
Es gibt Wiederaufforstungsprämien für Waldbesitzer. Wären Prämien für Jäger eine Lösung?
Nein. Wir setzen mehr auf das partnerschaftliche Miteinander von Waldbesitzern, Förstern und Jägern.
Sind Sie für oder gegen einen zweiten Nationalpark in NRW?
Ich bin dafür, wenn eine Region ihn wirklich will und die Fläche in der Region auch geeignet ist. Es wird nirgendwo ein Nationalpark installiert, wenn er vor Ort nicht gewünscht wird. Die Entscheidung liegt in der Region.
Ist das Konsens in der Landesregierung?
Ja.
Noch eine Für-oder-gegen-Frage: Sind Sie für oder gegen den Wolf?
Ich habe nichts gegen den Wolf, aber er darf nicht zu einer Bedrohung unserer Weidetierhaltung werden.
Ist er denn eine Bedrohung?
In letzter Zeit nehmen Wolfsrisse an Nutztieren wieder zu. Deswegen müssen wir ein regional flexibles Wolfsmanagement betreiben. Dazu gehört auch: Wenn es zu Gefahrensituationen kommt, muss eine Abschussgenehmigung erteilt werden können. Wir müssen die Weidetierhaltung schützen.
Gehört der Wolf hier hin?
Es gab ihn ja mal hier, aber zu anderen Zeiten. Seitdem haben sich Natur und Landschaft verändert, wir sind ein stark besiedeltes Land, wir haben eine starke Weidetierhaltung.
Also nein?
Das habe ich nicht gesagt. Der Wolf steht unter Artenschutz. Aber wir müssen einen Weg finden, wie Wolf und Weidetierhaltung nebeneinander existieren können.
Müssen wir uns nicht auch in diesem Punkt ehrlich machen: Es wird immer von einzelnen Problemwölfen gesprochen. Tatsächlichen geben einzelne Exemplare ihr Verhalten an die Jungtiere weiter.
Wir dürfen die Augen nicht vor Problemen mit Einzeltieren oder auch Rudeln verschließen. Für diese Fälle benötigen wir ein aktives Wolfsmanagement. Deswegen wird aktuell auch im Umweltministerium die Wolfsverordnung überarbeitet.
Der Wald, gerade im Sauerland, wird der Windenergie geopfert, sagen Kritiker.
Auch hier müssen wir uns ehrlich machen. Wir wollen raus aus der Braunkohle und aus der Atomenergie, aber irgendwo muss der Strom ja herkommen. Unsere Ausbauziele schaffen wir definitiv nicht, wenn wir nicht auch Waldfläche zur Verfügung stellen. Das machen wir aber verantwortungsvoll. Kalamitätsflächen und Nadelwälder sind für Windräder gut geeignet und Windkraft eröffnet betroffenen Waldbesitzern auch wirtschaftliche Chancen. Zudem müssen beim Bau einer Anlage geeignete Ersatzaufforstungen getätigt werden. Darauf werden unsere Regionalforstämter achten.
Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat darf zehn weitere Jahre eingesetzt werden. Gut?
Unsere klare Botschaft ist: Bitte nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich einsetzen. Deshalb arbeiten wir auch im Ministerium an Strategien zur weiteren Reduzierung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Wir brauchen praxistaugliche Lösungen. Die Landwirtschaft muss wirtschaftlich arbeiten und die Ernährung sicherstellen können.
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