Hagen. Langzeitbeobachtung zu rund 250.000 Corona-Infizierten und 4000 Toten in der Region mit Zahlen für die Kreise. Und: Warum Olpe dabei extrem ist.
Diese Zahlen zeigen, wie groß die Betroffenheit auch in unserer Region ist: Rund 250.000 Menschen haben sich bislang im Regierungsbezirk Arnsberg mit dem Coronavirus infiziert, sie mussten in Quarantäne, sind teilweise erkrankt, viele schwer. Und mehr als 4000 Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus verstorben.
Wohl kaum jemand hätte vor zwei Jahren, als zum Jahreswechsel 2019/20 die ersten Nachrichten über eine „mysteriöse Lungenkrankheit in Zentralchina“ in Deutschland bekannt wurden, das alles erahnen können. Zeit für eine Zwischenbilanz: Wie unterschiedlich waren die zwölf Kreise und Großstädte im Regierungsbezirk Arnsberg mit ihren insgesamt 3,5 Millionen Einwohnern betroffen? Im Fokus dabei: der Kreis Olpe. Er ist mit rund 133.000 Einwohnern der kleinste Landkreis in ganz Nordrhein-Westfalen. Aber er war im bisherigen Verlauf der Pandemie einer der extremen: Vom ersten Hotspot der Region bis zum Musterschüler.
Die Infizierten
Die Stadt Hagen hat – gemessen an der Gesamtbevölkerung – die höchste Quote an Infizierten. Von 100.000 Einwohnern haben gut 10.500 schon eine Corona-Infektion durchlebt. Das überrascht wenig: Insbesondere im Winter und Frühjahr 2021 war Hagen immer wieder der Ort mit der höchsten Sieben-Tage-Inzidenz in ganz NRW, zeitweise auch mit einem der höchsten Werte in ganz Deutschland.
Dabei war es am Anfang der Pandemie der beschauliche Kreis Olpe, der die Schlagzeilen bestimmte. Ende April 2020 titelte unsere Zeitung: „Corona-Infizierte: Nur im Kreis Heinsberg ist Dichte höher als im Kreis Olpe“. Heinsberg galt damals – nach der Karnevalsfeier in Gangelt mit den vielen Ansteckungen – als erster Hotspot in NRW. 681 Infizierte pro 100.000 Einwohner wurden registriert. Eine aus heutiger Sicht verschwindend geringe Zahl, damals ein Rekordwert für NRW, dem der Kreis Olpe mit 401 Infizierten pro 100.000 Einwohnern folgte. Hagen war mit 123 Infizierten noch nicht stark betroffen.
Theo Melcher hat die Entwicklung seitdem ganz hautnah verfolgt. Er war damals im April 2020 noch Kreisdirektor in Olpe, im Herbst wählten die Bürger den CDU-Mann dann zum Olper Landrat. Warum war Olpe so ein früher Hotspot? Na klar, man habe damals Rückkehrer aus Ischgl gehabt, jener Skifahrer-Hochburg in Österreich, in der sich das Virus verbreitete und von wo aus Urlauber es in ganz Europa verteilten. Aber, so Theo Melcher, es habe sicherlich auch statistische Gründe gehabt: „Tatsache ist, dass wir im Frühjahr 2020 vergleichsweise viele Corona-Fälle hochgerechnet auf 100.000 Einwohner hatten und im vergangenen Jahr auch relativ viele Todesfälle zu beklagen hatten. Aber wir haben hier im Kreis Olpe auch sehr früh, schon im Februar/März 2020, sehr viel getestet und daher vielleicht schon früher einen besseren Überblick gehabt.“
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Inzwischen hat sich das Bild ohnehin gewandelt: In der Langzeit-Corona-Rangliste liegt der Kreis Olpe nur auf Platz 10 mit fast 4000 Infizierten pro 100.000 Einwohner weniger als Spitzenreiter Hagen, lediglich der Hochsauerlandkreis und der Kreis Soest liegen noch besser. Und mit einer aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz von 87,0 weist der Kreis Olpe den viertbesten Wert in ganz Deutschland auf.
Die Verstorbenen
Ein wenig anders sieht die Situation aus, schaut man sich die Sterblichkeitsrate an. In der lange mit hohen Infiziertenzahlen gebeutelten Stadt Hagen überrascht es wenig, dass sie mit 194 Corona-Toten pro 100.000 Einwohner weit vorne liegt. Aber der Kreis Olpe? Mit gut 134 Corona-Toten liegt der Wert um fast 50 höher als im benachbarten Kreis Siegen-Wittgenstein.
Aber auch das führt Landrat Theo Melcher eher auf statistische Gründe zurück, man habe auch hier durch eine engmaschige Testung früh die Corona-Toten erkannt, anderswo sei die Dunkelziffer sicherlich höher. „Dass wir nicht mehr betroffen waren als die Nachbarkreise, zeigt der Blick auf die offizielle Sterbestatistik: In NRW sind demnach im Jahr 2020 1186 Menschen pro 100.000 Einwohner gestorben, im Kreis Olpe waren es mit 1192 Todesfällen nur unwesentlich mehr“, rechnet der Landrat vor. „Noch entscheidender aber: Wir lagen nicht höher als der HSK und deutlich niedriger als der Märkische Kreis oder Siegen-Wittgenstein.“
Die Zahlen zeigen zudem: Dass der Kreis Olpe bei der Langzeitbetrachtung weit oben steht, liegt nicht an den vergangenen Monaten. Seit Tagen mussten überhaupt keine neuen Corona-Toten mehr vermeldet werden: Die Zahl stagniert bei 179. Und schon Ende Mai lag sie sie bei 156 Corona-Verstorbenen, seitdem war der Anstieg also sehr gering. Und dafür hat der Landrat auch eine Erklärung.
Die Impfungen
„Was man am Kreis Olpe zweifelsfrei ablesen kann, ist der Erfolg der Impfquote“, sagt Theo Melcher. „Bei uns sind 86 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Und es gab schon mehr als 62.000 Booster-Impfungen.“ Die Effekte seien sehr klar zu erkennen, etwa in den Krankenhäusern. „Die Intensivstationen sind aktuell nicht überlastet mit Covid-Patienten. Am Tag unseres Gespräches müssen nur zwei Covid-Patienten beatmet werden, beide sind ungeimpft.“
Ein aktueller Vergleich der Impfquoten zwischen den Kreisen im Regierungsbezirk ist nicht möglich. Zentral wird das nicht vom Robert Koch-Institut auf Kreisebene erfasst. Und andere Kreise ermitteln die Quote nicht selbst, wie Olpe es tut. Fakt ist: Laut RKI sind aktuell in ganz NRW fast 78 Prozent der Gesamtbevölkerung einmal geimpft, gut 74 Prozent vollständig und fast 41 Prozent auch schon geboostert.
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Im Kreis Olpe liegen die Werte noch höher. „Warum der Erfolg der Impfkampagne bei uns so groß ist, kann ich letztlich nicht belegen“, sagt Landrat Theo Melcher. Das Impfzentrum sei gut organisiert gewesen, die Zusammenarbeit mit den Ärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Roten Kreuz sei top. „Aber vielleicht lag es auch daran, dass wir am Anfang der Pandemie mit relativ hohen Fallzahlen in den Schlagzeilen waren“, sagt der Landrat. „Das hat viele früh sensibilisiert. Und vielleicht liegt es auch an unseren überschaubaren Strukturen im Kreis Olpe, dass viele auch persönlich Infizierte kennen, die dann über Mund-zu-Mund-Propaganda weitergetragen haben, wie gefährlich das Virus ist.“
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- Wie blickt der Olper Landrat Theo Melcher nach fast zwei Jahren Pandemie-Management in die Zukunft? Er nimmt Anleihen an das berühmte Angela-Merkel-Zitat: „Ich sage natürlich: Das schaffen wir“, sagt der CDU-Politiker. „Ich denke manchmal: Mein Gott, wir haben den Impfstoff, der uns schützen kann. Nutzt ihn doch auch alle. Wenn wir dann alle zusammenstehen, dann werden wir diese Pandemie bald bewältigt haben.“
- Den Olper Bürgern stellt der Landrat ein gutes Zeugnis aus: „Ich kann jedenfalls nur sagen: Ich bin dankbar, wie die Bevölkerung mitzieht.“