Hagen. Pro 100.000 Einwohner gibt es nur im Kreis Heinsberg mehr Corona-Infizierte als im Kreis Olpe. So hoch sind die Werte in anderen Städten.
Der Kreis Olpe ist im Regierungsbezirk Arnsberg mit Abstand am stärksten von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen. Und zwar sowohl, wenn man die Zahl der Infizierten ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt, als auch, wenn man auf die Zahl der Verstorbenen blickt. Das besagen jedenfalls die statistischen Daten des Landeszentrums für Gesundheit Nordrhein-Westfalen. Und auch beim Blick auf das ganze Bundesland wird deutlich: Nach dem Kreis Heinsberg, in dem die Pandemie in NRW ihren Ursprung nahm, hat der Kreis Olpe die zweithöchste Zahl an Infizierten pro 100.000 Einwohner. Was steckt hinter diesen Zahlen? Wie lassen sie sich erklären?
Die Lage
Als es im benachbarten und strukturell sehr ähnlichen Hochsauerlandkreis zu Beginn der Corona-Krise schon viele Fälle von nachgewiesenen Infektionen gab, da herrschte im Kreis Olpe zunächst einige Zeit Ruhe. Doch das hat sich inzwischen geändert: Mit 401 nachgewiesenen Corona-Infizierten pro 100.000 Einwohner hat Olpe den HSK (217 Fälle/100.000 Einwohner) weit überholt.
In ganz NRW liegt der Landkreis Heinsberg mit 681 Fällen pro 100.000 Einwohner mit Abstand vorne. Dann folgen als Regionen mit den fünf höchsten Werten der Kreis Olpe (401,4 Fälle pro 100.000 Einwohner), die Städteregion Aachen (329,6 Fälle pro 100.000 Einwohner) und die Landkreise Steinfurt (272,8 Fälle pro 100.000 Einwohner) sowie Hamm (237,8 Fälle pro 100.000 Einwohner).
Und auch die Dynamik im Kreis Olpe ist weiter hoch: Nimmt man die Fälle der vergangenen sieben Tage, dann gab es in Heinsberg pro 100.000 Einwohner 14,9 neue Fälle, im HSK 4,2 in Olpe aber 43 – das ist der höchste Wert in ganz Nordrhein-Westfalen. Wobei man aber auch sagen muss: Dieser Wert war im Kreis Olpe vergangene Woche sogar noch höher.
Hoch ist auch die Zahl der Verstorbenen: 28 Tote, die an oder mit einer Coronavirus-Infektion verstorben sind, sind im Kreis Olpe zu beklagen. Damit belegt er gemeinsam mit der kreisfreien Stadt Hamm im Regierungsbezirk Arnsberg die traurige Spitzenposition. Im Hochsauerlandkreis sind es bislang 15 Tote.
Das sagt der Kreis
Theo Melcher, Kreisdirektor in Olpe und Leiter des dortigen Krisenstabs, kennt die Zahlen. Er liest daraus aber nicht ab, dass der Kreis damit eine Coronavirus-Hochburg ist. Denn die hohe Fallzahl stehe im direkten Zusammenhang mit der hohen Zahl an Tests, die man im Kreis durchgeführt habe: „Ich vermute, die hohen Coronazahlen sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Kreis Olpe mehr getestet hat und testet.“ Er sei jedenfalls einer der wenigen Kreise, der die Gesamtzahl aller durchgeführten Testungen – bis auf die nicht zu meldenden Ergebnisse der Negativtestungen durch Hausärzte und Krankenhäuser – veröffentliche. Das Gesundheitsamt des Kreises Olpe habe bei mehr als 6100 Personen Tests angeordnet. Für Melcher ist der Kreis damit „aller Wahrscheinlichkeit nach kein Fall-Hotspot, sondern ein Test-Hotspot“.
>>> Kommentar: "Hohe Zahlen sind kein Makel für Olpe"
Diese Sichtweise teilt das NRW-Gesundheitsministerium durchaus. „Aus Sicht unseres Hauses gibt es keine Anhaltspunkte, die Einschätzung aus dem Kreis Olpe in Frage zu stellen“, sagt Ministeriumssprecher Walter Godenschweger. In Olpe seien beispielsweise flächendeckend Reihentestungen bei Personal und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen durchgeführt worden. Und dabei seien viele positiv Getestete gefunden worden. Auch viele ohne jegliche Symptome.
Der Vergleich
Einen landesweiten Vergleich, wie hoch die Olper Testquote tatsächlich ist, gibt es nicht. Denn bislang sieht das Infektionsschutzgesetz nur vor, dass die positiven Testergebnisse meldepflichtig sind – nicht aber die Zahl der negativen Tests, mit denen man erst auf den Gesamtwert käme. „Der aktuelle Entwurf des Bundes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes sieht aber unter anderem eine Meldepflicht für negative Ergebnisse vor“, so der Ministeriumssprecher.
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Dass die Anzahl der getesteten Personen im Kreis Olpe aber wohl tatsächlich recht hoch ist, zeigen zwei Vergleichszahlen: Im mehr als doppelt so großen Märkischen Kreis wurden rund 4000 Tests durchgeführt. Im ebenfalls deutlich größeren Kreis Siegen-Wittgenstein wurden 2200 Personen getestet. Wobei eine hohe Zahl der getesteten Menschen kein Wert an sich sei, wie Thorsten Manges, Sprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein, betont: „Es macht Sinn, bei Verdachtsfällen nach den Kriterien des Robert Koch-Instituts gezielt Tests durchzuführen. Wenn man wahllos Tests in der Bevölkerung durchführen würde, würde man nur sehr wenige Fälle finden.“ Das berge dann die Gefahr, dass die Werte verfälscht würden und sich eine trügerische Sicherheit in der Bevölkerung breit machen könne.
>> HINTERGRUND: Bei Corona-Toten unterschiedliche Auffassungen
- Bei der Erfassung der Verstorbenen gibt oder gab es unterschiedliche Sichtweisen: So hat die Stadt Hagen statistisch sechs Corona-Verstorbene zu beklagen. Sie selbst gibt aber nur vier in ihren Zahlen an – und zwei weitere in Klammern. Denn diese waren laut ärztlichem Bericht nicht direkt an der Corona-Infektion gestorben, sondern an einer anderen Krankheit – sie trugen aber den Virus in sich.
- Ministeriums-Sprecher Walter Godenschweger verteidigt, dass auch die Fälle gezählt werden, die nicht an, sondern mit dem Coronavirus verstorben sind: Man folge dem Vorgehen des Robert Koch-Instituts: Als bestätigte Todesfälle würden alle Fälle gewertet, die nachweislich mit Corona infiziert waren. Der Hochsauerlandkreis spricht daher auch von „Sterbefällen in Verbindung mit einer Corona-Infektion“.