Siegen. . Eine Studie der Industrie- und Handelskammer Siegen weist nach: Gewerbegebiete in der Region bieten den Unternehmen zu wenig verfügbaren Raum. Das Problem: Die in Bebauungsplänen genannten Gewerbefläche ist meist gar nicht komplett für Gewerbe nutzbar.

Der wirtschaftliche Erfolg der Industriebetriebe im Bezirk der IHK Siegen wird allmählich zu einem Handicap. Die anhaltend positive Entwicklung aus den Betrieben der Region Siegen-Wittgenstein und Olpe heraus führt zu einem steigenden Gewerbeflächenbedarf. Aber nur rund 57 der Gewerbe- und Industrieflächen können tatsächlich gewerblich genutzt werden, wie eine aktuelle Studie von Prof. Gerd Hennings (vom Büro für Gewerbe- und Freiraumplanung in Dortmund) anhand von neun neueren Gewerbegebieten für die IHK Siegen ergab. Grund: Ein mit 31 Prozent überdurchschnittlich hoher Anteil an Grünflächen als Sammelbegriff für ökologische Ausgleichsflächen, Böschungen, Wassermanagement sowie Wald- und Wiesenflächen.

„Vom Brutto zum Netto“

„Die Zahl der gewerblich nutzbaren Flächen, die im Regionalplan für diesen Raum stehen suggeriert, dass wir genug Gewerbe- und Industrieflächen haben. Aber sie können nicht ausreichend genutzt werden“, beschreibt der Autor der bundesweit einmaligen Studie, Prof. Hennings, das Dilemma. Denn die in den Bebauungsplänen dann tatsächlich gewerblich genutzte Fläche sagt etwas anderes aus. „Vom Brutto zum Netto“ lautet daher auch die Überschrift der Untersuchung. Den höchsten potenziellen Nutzungsgrad weist demzufolge der Industriepark Wittgenstein in Erndtebrück mit 66,8 Prozent auf, den niedrigsten mit 43,6 Prozent der Standort Wilhelmshöhe West in Freudenberg.

Nicht zu Lasten des Bedarfs

„Die Ausgleichsmaßnahmen dürfen nicht zu Lasten des Bedarfs gehen.Unsere Betriebe können nur etwas mehr als die Hälfte dessen nutzen, was im Regionalplan zur Verfügung gestellt wird. Die Konsequenz ist, dass der Exodus von Unternehmen aus unserer Region noch nicht zum Stillstand gekommen ist. Investitionen werden nicht umgesetzt, weil Flächen fehlen“, bedauerte IHK-Hauptgeschäftsführer Franz-Josef Mockenhaupt bei der Vorstellung der Studie gestern in Siegen.

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Den Hinweis auf dieses Entwicklungshindernis für die heimischen Betriebe verband er mit zweierlei: mit dem Werben um Verständnis, schließlich sei die Kammer kein „Flächenfresser“ und nicht gegen ökologische Ausgleichsmaßnahmen: „Wir wollen nur fair behandelt werden.“ Und zum anderen appellierte er an die Landesregierung, bei der laufenden Diskussion des neuen Landesentwicklungsplanes regionale topografische Besonderheiten zu beachten und nicht, wie üblich, alle Landesteile in NRW über einen Kamm zu scheren.

„Die Akzeptanz dieser Besonderheiten und die eventuelle Erleichterung bei der Entscheidung über den Umfang der Ausgleiche bei Planungen im Freiraum könnte zur Nagelprobe für die Zukunftsperspektive des Industriestandorts IHK-Bezirk Siegen werden“, ergänzte Hermann-Josef Dröge, der Stellvertreter Mockenhaupts.

Politische Konsequenzen

Und er sprach auch gleich von möglichen politischen Konsequenzen, einem „Bonus für eine topografisch schwierige Region“: „Wir brauchen eigentlich pauschal 20 Prozent Zuschlag bei künftigen Gewerbeflächenbedarfsplanungen. Wir kennen ja die Abzüge, die hinterher kommen.“ Im Kern: Kann man landesweit noch nach einheitlichen Maßstäben planen oder akzeptieren wir regionale Besonderheiten?

„Die Ergebnisse dieser Studie werden von der NRW-Staatskanzlei in Düsseldorf genau verfolgt“, ist sich Dröge sicher. Andere Industrie- und Handelskammern in NRW planten ähnliche Untersuchungen. Sie werden zu diskutieren sein.