Hagen. .
Edgar Wehrle gehört zu den seltenen Profi-Musikern, die Klassik und Volksmusik gleichermaßen lieben. Am Samstag, 7. Januar, tritt der erste Solo-Posaunist der Hagener Philharmoniker mit den Egerländer Musikanten bei der Krone der Volksmusik auf, die ab 20.15 Uhr in der ARD live übertragen wird.
„Die meisten Blechbläser kommen aus der Blasmusik oder aus Posaunenchören, bevor sie Profis werden“, schildert Edgar Wehrle seine musikalischen Wurzeln. Der 56-Jährige ist im Markgräfler Land in einer musikbegeisterten Familie aufgewachsen und war von klein auf im Musikverein aktiv. „Es war schon als Junge mein Traum, bei den Egerländern mitzumachen, dem erfolgreichsten Orchester der Welt“, erzählt Wehrle.
Dieser Herzenswunsch ist in Erfüllung gegangen. Wehrle, seit 1983 erster Solo-Posaunist des Philharmonischen Orchesters Hagen, durfte unter Ernst Mosch spielen. Und er ist stolz, dass dessen Nachfolger Ernst Hutter ihn ebenfalls in das Ensemble berufen hat.
Edgar Wehrle ist mit Herz und Seele ein Vollblut-Musiker. Für ihn gibt es keinen Klassen-Unterschied zwischen Beethoven, Wagner und volkstümlichen Melodien. Aber was schätzt er selbst so sehr an dem Repertoire der Egerländer? „Wir spielen Märsche, Polkas, Walzer. Mich begeistert die Perfektion, die da abgeliefert wird, das ist auch das Geheimnis. Und mich begeistert die Leidenschaft meiner Musikerkollegen für diese Musik. Da muss was brennen, sonst kommt nichts über die Rampe. Vom ersten Takt an brennt bei den Egerländern die Luft. Das ist eine unglaubliche Stimmung und Emotion, die zwischen Musikern und Publikum entsteht, das habe ich in Oper, Operette und Sinfoniekonzert noch nie erlebt.“
Die Perfektion der Egerländer wird nicht zuletzt unter den Klassik-Kollegen gerühmt. Wehrle: „Ich kenne Musiker, die in großen Philharmonien spielen und sagen: Das ist ja unglaublich, was ihr da macht, mir sind beim Zuhören die Tränen in die Augen geschossen.“
Volksmusik hat es, anders als in England oder Frankreich, in Deutschland immer noch schwer, ernst genommen zu werden. Vor allem, weil sie gerne mit volkstümlicher Schlagermusik verwechselt wird. Doch es gibt eine Renaissance, beobachtet Wehrle, der in Breckerfeld lebt. Die Fans der Egerländer sind nicht nur älteren Jahrgangs. Im Gegenteil. Immer mehr junge Zuhörer begeistern sich für diese Klänge und sind zum Beispiel bei Facebook höchst aktiv.
Die originale Egerländer Blasmusik besteht überdies keineswegs aus musealem Repertoire. Neben die Werke böhmischer Altmeister, die der legendäre Orchestergründer Ernst Mosch seit 1956 pflegte, treten zahlreiche Neukompositionen: von Mosch selbst, von seinem Nachfolger Ernst Hutter - und von Edgar Wehrle, der zum Beispiel mit Hutter den Ernst-Mosch-Gedächtnismarsch geschrieben hat. Nach dem Tod des Gründungsdirigenten 1999 leitet Ernst Hutter das Orchester seit 2003, das nun „Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten“ heißt.
Was wenige vermuten: Ernst Hutter ist gleichzeitig Leadposaunist in der SWR Big Band – eine Stelle, die vor ihm übrigens Ernst Mosch in den 1950er/60er Jahren innehatte. Gerade diese stilistische Vielseitigkeit der Egerländer zwischen Klassik, Jazz und Volksmusik garantiert das unvergleichliche Niveau ihrer Interpretation.
Allerdings waren die Egerländer für das Fernsehen bisher nicht besonders interessant. Wehrle: „In der volkstümlichen Schlagerbranche sind Semino Rossi und Helene Fischer die großen Stars. In den Sendeanstalten war man lange der Meinung, wenn die Egerländer kommen, mit ihren braunen Jacken, dann schalten die Leute ab.“ Das änderte sich mit einem aufsehenerregenden Projekt. 2011 konnte das Orchester unter Ernst Hutter erstmals in der Heimat von Ernst Mosch spielen, im tschechischen Eger, dem heutigen Cheb. „Wir haben das Egertal erwandert, da war das Fernsehen mit dabei und hat das aufgezeichnet. Diese fünf Sendungen hatten 14,2 Prozent Zuschaueranteil. Inzwischen hat der MDR daraus ein Spezial gemacht, das ist bereits zweimal im MDR und zweimal im HR ausgestrahlt worden“, erläutert er.
Dieser Zuspruch der Zuschauer führt dazu, dass die Egerländer Musikanten am Samstag bei der Krone der Volksmusik ausgezeichnet werden. Und wer das Orchester in unserer Region live hören will, kann das Konzert eine Woche später, am Samstag, 14. Januar, um 19 Uhr in der Showhalle auf dem Gelände des Elspe-Festivals in Lennestadt besuchen (Karten: 02721 / 94440).
Edgar Wehrle erkundet und pflegt außerdem weitere Bereiche der Volksmusik. Mit drei Kollegen aus Sinfonieorchestern in NRW hat er „Die Alphorn-Philharmoniker“ gegründet. Wertunterschiede zwischen „ernsthafter“ und „unterhaltender“ Musik lässt der Posaunist nicht gelten – für ihn gibt es nur gute oder schlechte Kompositionen. Deshalb ist Edgar Wehrle „mit Liebe und Leidenschaft“ bei den Egerländer Musikanten aktiv – immer, wenn sein philharmonischer Dienst in Hagen das zulässt.