Hagen. .

Ein Mann, viele Gesichter: Richard Strauss konnte Romantiker oder Provokateur sein, war mal Traditionalist, mal Innovator. Unter dem Motto „Salome trifft Zarathustra“ reiste das vierte Sinfoniekonzert am Dienstag durch ein bis heute erstaunliches Lebenswerk.

Wehmütig und mit einem ausdrucksvollen Vibrato in der Stimme

Mit dem „Tanz der sieben Schleier“ erregte die Oper „Salome“ bei ihrer Premiere 1905 manchen Zuhörer. Die Geschichte der schönen Tänzerin, die für ihren Auftritt den Kopf Johannes des Täufers fordert, hat es nicht nur inhaltlich in sich: Romantische Versatzstücke scheinen kurz auf, nur um sofort in düstere harmonische Abgründe gezerrt zu werden. Strauss spielt mit den klanglichen Konventionen und lockert die Grenzen der jeweiligen Tonart. Salomes Wahn lässt das irgendwie orientalisch klingen, zugleich aber auch denkbar verstörend. Den Gegenpart zu diesem blutigen Auftakt zeigt ein Spätwerk, das „Duett-Concertino für Klarinette und Fagott“. Erst verhalten, dann beschwingt entfalten sich da warme, klassische Strukturen. Die Philharmoniker Werner Hußendörfer und Friedhelm Grote führen als Solisten ein lebhaftes Zwiegespräch – ersterer ist an der Klarinette für die optimistischen Klänge zuständig, letzterer eher für die nachdenklicheren Momente.

Auch Sopranistin Melanie Maennl ist in Hagen wohlbekannt, sei es vom „Ring an einem Abend“ oder dem „Scratch“-Projekt 2011. Wehmütig und mit ausdrucksvollem Vibrato singt sie Strauss‘ musikalischen Abschiedsgruß: Die „Vier letzten Lieder“ vertonen Gedichte von Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff. „Und die Seele unbewacht will in freien Flügen schweben“, verkündet etwa Hesse in „Beim Schlafengehen“, das die erste Geige mit einem wunderschönen Solopart schmückt.

Trotz der melancholischen Grundstimmung bleiben Angst oder Bitterkeit außen vor, zurück bleibt vielmehr ein friedlicher Eindruck. Das Publikum wagt es nach Maennls ergreifender Interpretation erst kaum, zu applaudieren, tut es dann aber umso herzlicher.

Dröhnend lassen die Philharmoniker das Crescendo anschwellen

Strauss‘ vielfarbige Facetten kulminieren nach der Pause in einem einzigen Stück: Das „Natur“-Motiv durchläuft bis zum donnernden Höhepunkt in „Der Genesende“ zahllose Entwicklungsstufen. Zwischen dem einleitenden „Sonnenaufgang“ und dem finalen Zweikampf des „Nachtwanderlieds“ scheint bereits die Keimzelle von vielem zu liegen, was Strauss in den nächsten fünfzig Jahren hervorbringen sollte.