Bad Berleburg. Es ist das vorläufige Ende eines Aufsehen erregenden Projekts: Die Wisente wurden hinter einen Zaun gelockt. Wie geht es nun weiter?
Die frei umher streunenden Wisente im Rothaargebirge sind Geschichte: Die 40 Tiere umfassende Herde befindet sich nun in einem umzäunten, rund 24 Hektar großen Gehege auf Bad Berleburger Gebiet. Das bestätigte der Kreis Siegen-Wittgenstein auf Anfrage unserer Redaktion. Wie lange sie dort noch bleiben werden und wie überhaupt die Zukunft der Tiere aussehen wird, ist weiter unklar. Man sei zwischen den Beteiligten weiter in Gesprächen, so der Kreis.
Fakt ist aber schon jetzt: Aktuell wird es keine der Bilder geben, die über Jahre in verschiedenen sozialen Netzwerken massenweise zu sehen waren. Spaziergänger, Radfahrer, Wanderer oder Autofahrer, die auf die umher ziehende, frei lebende Wisent-Herde trafen. Genauso dürfte es nun aber auch keine Schäden mehr in den Beständen von Sauerländer Waldbauern geben, die gegen die wilden Wisente bis vor den Bundesgerichtshof gezogen waren und am Ende auch juristisch gewonnen hatten.
Dass die Wisent-Herde nun in das Gatter gelockt wurde, begründet der Kreis Siegen-Wittgenstein auch mit eben diesem Streit: Alle Tiere seien nun in dem umzäunten Bereich, „um Schäden durch die Tiere zu vermeiden“. Aber ebenso, um „eventuell weitere Maßnahmen des Herdenmanagements, wozu eine detailliertere Beobachtung der Tiere zählt, durchführen zu können“. Ob dieses Herdenmanagement am Ende auch noch einmal zu einem Leben der Tiere am Rothaarsteig außerhalb des Gatters führen kann oder ob hier der Abtransport in andere Artenschutzprojekte vorbereitet wird, bleibt offen.
Projekt galt als einmalig
Die Tiere sind damit an den Ort zurückgekehrt, an dem vor fast genau 14 Jahren die Zeit der Wisente im Rothaargebirge begann. Damals wurde die heiße Phase des Auswilderungsprojekts gestartet, das als europaweit einmalig gilt. Die Wisente wurden zunächst in das Gatter, in dem sie sich auch jetzt befinden, an den Rothaarkamm gebracht. Später wurde der Zaun geöffnet und für mehr als zehn Jahre streunten die Tiere durch die Wälder. Dort kam es aber auch schnell zu Schäden in Privatwäldern, vor allem im Hochsauerland wuchs die Kritik, die Rechtsstreitigkeiten folgten, die schließlich mit dem Sieg der Waldbauern endete. Tenor der Richter: Diese müssen nicht mehr länger die Schäden in ihren Wäldern dulden.
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Im Herbst 2022 eine neue Eskalationsstufe: Der für das Auswilderungsprojekt zuständige Wisentverein mit dem Bad Berleburger Bürgermeister als Vorsitzendem erklärte die Tiere für „herrenlos“ - und gab damit einseitig die Verantwortung ab. Ohne Rücksprache mit den weiteren Projektpartnern wie Kreis Siegen-Wittgenstein, Bezirksregierung, Fürstlicher Rentkammer oder Landesbetrieb Wald und Holz. Wohl aus Angst, dass der Verein und damit auch seine Vorstandmitglieder mit einem Zwangsgeld von 250.000 Euro belegt werden könnten, wenn die wilden Wisente doch noch für Schäden im Privatwald sorgen. Im August 2023 stellte der Wisentverein schließlich einen Insolvenzantrag. Eine Anwältin als Insolvenzverwalterin hat hier inzwischen das Sagen, die aber Anfragen der Redaktion bislang unbeantwortet ließ.
Ein „Runder Tisch“ unter Leitung der beide Ex-NRW-Umweltminister Ursula Heinen-Esser (CDU) und Johannes Remmel (Grüne) hatte zuletzt versucht, eine Lösung in dem Streit zu finden. Bislang ohne ein greifbares Ergebnis. Dass das Wisent-Projekt zumindest zwischenzeitlich nicht mehr unter Kontrolle zu sein gewesen scheint, zeigt schon die Zahl der Tiere, die nun in dem Gatter leben: 40 Tiere sind es - obwohl die Größe der Herde laut der Ursprungsvereinbarung nie die Zahl von 25 überschreiten sollte.
Wie angespannt das Verhältnis zwischen dem Kreis Siegen-Wittgenstein und dem insolventen Wisentverein ist, lässt sich aus den Antworten der Kreisverwaltung erahnen, die weiter davon ausgeht, dass der Verein als Besitzer der Tiere sich auch um diese kümmern muss: Da dieser aber die nötigen Maßnahmen „auch nach entsprechender Aufforderung“ nicht durchführe, trage der Kreis, also der Steuerzahler, aktuell die Kosten. Man werde aber versuchen, die Kosten „mit geeigneten Zwangsmitteln beizutreiben“.
Zukunft des Schaugeheges ist noch ungewiss
Und auch, wenn es um die Zukunft der Tiere geht, gibt es Kritik am Verein. Die Vertragspartner des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die Freisetzung der Wisente im Rothaargebirge würden aktuell, wie vom „Runden Tisch“ empfohlen, die Etablierung einer neuen Trägerstruktur prüfen. Daneben werde auch gemeinsam geprüft, wie die von allen Beteiligten für dringend erforderlich gehaltene Reduzierung der Anzahl der Tiere erreicht werden könne. Dazu, so wird spitz angemerkt, „bedürfte es allerdings auch einer aktiven Mitwirkung des Eigentümers, der sich dieser Verantwortung derzeit bedauerlicherweise entzieht“.
Welche Auswirkungen die neue Entwicklung auf das Wisent-Schaugehege in Bad Berleburg-Wingeshausen an der Grenze zur Schmallenberger Ortschaft Jagdhaus hat, ist noch unklar. Jährlich bis zu 30.000 Besucher kommen dorthin, um die an dieser Stelle - im Gegensatz zur wilden Herde - schon immer in einem umzäunten Gatter lebenden Tiere zu sehen. Nach der Insolvenz des Wisentvereins war Ende vergangenen Jahres eine neue gemeinnützige GmbH gegründet worden, um den Betrieb dort weiterzuführen. Mit den neuen Eigentümern, so der Kreis Siegen-Wittgenstein, sei es bislang aber noch zu keinem Gespräch gekommen. Man erörtere im Kreis der Vertragspartner aber regelmäßig, wie es mit der Wisentwildnis weitergehen könne.