Bad Berleburg. Umsiedlung der Wildrinder ist sehr komplex. Im Frühjahr läuft Finanzierung der Fütterung aus. Dann muss eine Entscheidung falle.

14 Jahren sind vergangen, seit der Ankunft der ersten Wisente in einem Seitental bei Bad Berleburg. Schon bald könnte ein weltweit beachtetes Artenschutzprojekt auch hier enden. Ein Update zur aktuellen Lage rund um die bisher frei umherstreifende Herde.

Damals, am 24. März 2010, betrat mit dem Bullen Egnar das erste Wisent Wittgensteiner Boden und büxte gleich wieder aus, weil noch kein Strom auf den dicken Stahllitzen des Zaunes war: „Beschleunigte Auswilderung könnte man das nennen oder auch: der erste Wisent in freier Wildbahn. Allerdings dauerte Egnars Ausflug nur etwa eine Stunde. Erschöpft von der langen Anfahrt und der neuen Umgebung legte sich der dreieinhalbjährige Bulle nach einem knapp drei Kilometer langen Spaziergang in den Hochwald und schlief. Tierärzte und Berufsjäger betäubten ihn - so wurde er am frühen Abend mit einem Schlepper zurück in sein Gehege gebracht“, schrieb Redakteur Christoph Vetter damals.

Ankunft der Wisente am Rothaarsteig in Bad Berleburg im Eingewöhnungsgehege im Wald von Kühude: Ehrengäste  bei Vorstellung der Tiere waren damals Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers (rechts), Bürgermeister Bernd Fuhrmann (links), Landrat Paul Breuer und die inzwischen verstorbene CDU-Landtagsabgeordnete Monika Brunert-Jetter.
Ankunft der Wisente am Rothaarsteig in Bad Berleburg im Eingewöhnungsgehege im Wald von Kühude: Ehrengäste bei Vorstellung der Tiere waren damals Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers (rechts), Bürgermeister Bernd Fuhrmann (links), Landrat Paul Breuer und die inzwischen verstorbene CDU-Landtagsabgeordnete Monika Brunert-Jetter. © Horstgünter Siemon | Horstgünter Siemon

Der Auftrieb an Politik und Prominenz im Wald hinter dem Forsthaus Homrighausen war groß. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war als Schirmherr auf der improvisierten Tribüne und stand neben dem Initiator Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, Landrat Paul Breuer und Bürgermeister Bernd Fuhrmann sowie insgesamt 100 handverlesenen Gästen und Journalisten.

Was bisher geschah

Jetzt, knapp 14 Jahre später, haben sich die acht ursprünglichen Tiere prächtig vermehrt. Aus acht wurden aktuell rund 39. Und dabei sollte die Herde die Größe von 25 nicht überschreiten. Die Wisente wissen das nicht und erobern ihren Lebensraum im Rothaargebirge. Sie suchen sogar die saftigeren Südhänge und schälen die Rinde der Buchen. Und das auf Grundstücken im Sauerland, auf die sie laut Projektplanung gar nicht laufen sollten. Der Rechtsstreit tobt seitdem erbittert und hat es über Amst- und Landgerichte bis zum Oberlandesgericht nach Hamm und schließlich bis vor den Bundesgerichtshof geschafft.

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Das Urteil ist klar: Der Trägerverein des Artenschutzprojektes muss alles tun, um die Wisente vom Betreten verbotener Grundstücke anzuhalten und verhindern, dass sie bei Waldbauern weitere Schäden anrichten. Sonst drohen neben Gerichtskosten auch sechsstellige Rechnungen für „Ersatzvornahmen“, wenn die klagenden Waldbauern Zäune bauen müssten. Das hat den Trägerverein im September 2023 zu einem fast schon verzweifelnden Schritt getrieben: Er kündigte den öffentlich-rechtlichen Vertrag einseitig auf und erklärte die Tiere für herrenlos. Und am Ende des Jahres 2023 wurde sogar ein Insolvenzverfahren über Trägerverein eröffnet. Die Zukunft der Herde ist mehr als ungewiss.

Wisente betreten erstmals Wittgensteiner Boden: Begleitet werden sie von zahlreichen Ehrengäste und Journalisten.
Wisente betreten erstmals Wittgensteiner Boden: Begleitet werden sie von zahlreichen Ehrengäste und Journalisten. © WP Berleburg | Peter Kehrle / Christoph Vetter

Ein Runder Tisch mit den ehemaligen NRW-Umweltministern Ursula Heinen-Esser und Johannes Remmel hat ausgelotet, wie das Projekt fortgeführt oder auch zu einem Ende gebracht werden könnte. Alles deutet aktuell auf ein Ende hin. Weil der Trägerverein die Verantwortung für die Tiere mit Verweis auf „Herrenlosigkeit“ und Insolvenzverfahren von sich weist, hat der Kreis Siegen-Wittgenstein als Untere Naturschutzbehörde die Fütterung übernommen. Und das Land NRW finanziert den Neubau des Zaunes um das ehemalige Auswilderungsgehege und die Fanganlage. „Die vollständige Errichtung der Zaun- und Fanganlage wird je nach Witterung in den nächsten Wochen abgeschlossen sein“, erläutert der Pressesprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein, Torsten Manges. „Der Bau des Geheges wurde im Nachgang des runden Tisches und der politischen Beschlüsse in Auftrag gegeben. Das Gehege und die Fanganlage werden benötigt, um ein Herdenmanagement betreiben zu können.“

Sofern einzelne Tiere verbracht werden sollten, wären diese zu fangen, zu quarantänisieren und auf Rinder übertragbare Tierseuchenerreger zu untersuchen. Je nach Abnehmerland sind die europäischen tierseuchenrechtlichen Gesundheitsanforderungen zu erfüllen.
Torsten Manges - Pressesprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein

Im Frühjahr endet die Versorgung der Tiere

„Nach letzten Informationen halten sich rund 39 Wisente im Areal des ehemaligen Managementbereichs auf. Dort werden sie vom Veterinäramt des Kreises im Rahmen einer tierschutzrechlichen Ersatzvornahme auf Kosten der Verantwortlichen des Trägervereins versorgt“, so Manges. Doch das ist keine Dauerlösung: „Die Versorgung der Tiere auf Grundlage der tierschutzrechtlichen Anordnung wird bis zum Ende der vegetationsfreien Zeit, sprich bis zum Frühjahr, erfolgen. Eine weitere Versorgung findet dann nicht mehr auf Grundlage der Ordnungsverfügung statt und müsste dann - je nach politischem Beschluss - vom Kreis Siegen-Wittgenstein oder von den anderen Vertragspartnern freiwillig erfolgen“, erläutert Manges.

Übersetzt heißt das, ab dem Frühjahr muss über die Versorgung der Tiere im Gehege und die Finanzierung neu diskutiert werden. Nach wie vor ist auch eine Umsiedlung der Tiere in andere Artenschutzprojekte möglich. Da allerdings übt sich der Kreis in Zurückhaltung: „Für weitergehende Fragen wie zum Herdenmanagement selbst oder der Verbringung von Wisenten ist die Kreisverwaltung nicht zuständig. Dies obliegt aktuell dem Trägerverein, der nach wie vor Eigentümer der Tiere ist, oder einer künftigen, neuen Trägerstruktur“, berichtet Manges und ergänzt: „Sofern einzelne Tiere verbracht werden sollten, wären diese zu fangen, zu quarantänisieren und auf Rinder übertragbare Tierseuchenerreger zu untersuchen. Je nach Abnehmerland sind die europäischen tierseuchenrechtlichen Gesundheitsanforderungen zu erfüllen.“

Sollten sich Abnehmer für die Wildrinder finden, obwohl keine vollständigen genetischen Herkunftsnachweise für die einzelnen Tiere vorliegen, wäre nur eines klar: Viel Pominenz auf einer Tribüne wäre beim Fangen nicht mehr dabei.