Nachrodt-Wiblingwerde. Die Sperrung im Januar auf der A-45-Umleitungsstrecke hatte für Ärger gesorgt. Wer jetzt fahren darf und warum Lkw warten müssen.
Im Lennetal erhellen sich am Freitag die Mienen. Feierlaune. Die vor vier Wochen durch eine Brückensperrung an der Bundesstraße 236 geteilte Gemeinde Nachrodt im Märkischen Kreis atmet auf. Überraschend gibt die Landesstraßenbaubehörde Straßen-NRW die Brücke am Freitagnachmittag wieder für Fußgänger und den Verkehr frei, wenn auch nur für Fahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen. Bürgermeisterin Birgit Tupat fällt ein mittlerer Stein vom Herzen: „Ich bin sehr erleichtert. Das war eine Katastrophe für den Ort.“
Bei Missbrauch droht Sperrung
Nach wie vor sei es natürlich für die Wirtschaft „schon schlimm“, weiß Tupat. Der wirtschaftliche Schaden sei noch nicht zu beziffern. Für Lkw bleibt die Brücke vorerst weiter gesperrt. Damit Laster erst gar nicht in Versuchung kommen, haben am Freitag Männer des Hagener Unternehmens Gesellschaft für Verkehrstechnik (GVT) schwere Betonblöcke an den beiden Enden der Brücke über die Lenne so positioniert, dass größere Fahrzeuge sie nicht passieren können. Normalerweise müsste dies reichen, um die Standsicherheit der Brücke zu gewährleisten. Sollten doch schwerere Fahrzeuge als die maximal erlaubten 3,5-Tonner über die Brücke fahren - und sollte dies bekannt werden - werde die Brücke sofort wieder komplett gesperrt, warnt Straßen-NRW eindringlich
Dass bei der Sanierung von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland einmal etwas schneller funktioniert als gedacht, ist schon eine Seltenheit. Vielleicht hat Anastasios Topsinoglou auch deshalb so gute Laune, weil er an diesem Freitag von den Menschen in Nachrodt gefeiert wird. Topsinoglou koordiniert als zuständiger Bauleiter von Straßen-NRW die Instandsetzung der für das gesamte Lennetal wichtigen Verkehrsbrücke. „Es war auch für uns selbst etwas überraschend. Wir haben die Ergebnisse der Sanierung des zweiten Pfeilers bekommen. Die sehr erfolgreich verlaufen“, sagt der Ingenieur. Daraufhin habe man sich entschlossen, die Brücke heute eingeschränkt wieder zu öffnen.
Bundesstraße wurde zum Parkplatz für Walzwerker
Ein bisschen länger als die angekündigten 14 Uhr für die Eröffnung hat es dann doch gedauert. Der Grund: Die Frühschicht der Walzwerke Einsal hat die B236 an der Nordseite mit amtlicher Erlaubnis von Tag zwei der Sperrung an als Parkplatz genutzt, um dann mit einem Pendelbus von der Behelfsbrücke zum Werk gebracht zu werden. Die Nachricht der Öffnung kam auch hier so überraschend, dass es nach Schichtende am frühen Freitagnachmittag noch etwas dauerte, bis alle Pkw entfernt waren. „Wir sind alle froh. 60 bis 70 Leute von uns haben hier in den vergangenen Wochen geparkt und den Pendelverkehr genutzt“, sagt Eugen Zeitler, der mit seinem Sohn Ted lächelnd den SUV besteigt, um nach Iserlohn ins freie Wochenende zu brausen.
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Bagger legt Baustraße in der Lenne an
Die Lenne hat am Freitag ordentlich Strömung. Dennoch bewegt ein Baggerfahrer am Freitag im Wasser große Felsbrocken und kleine Steine nahe der Brücke. Im Wasser wird eine Furt vom Südufer bis zum dritten Pfeiler angelegt, der in der kommenden Woche ins Visier genommen werden soll. „Es hängt immer vom Wasserstand ab, wann die Taucher sich den Pfeiler genau anschauen können“, erinnert der Bauleiter. Eigentlich sollte der Wasserstand optimalerweise nicht höher als 70 Zentimeter sein, damit die Taucher gut arbeiten können. Auch hier gebührt den Einsatzkräften und Straßen NRW Lob und Anerkennung, denn die Taucher wagten sich auch bei höherem Pegelstand ins Wasser, um den Menschen in Nachrodt möglichst schnell aus der misslichen Lage zu helfen. Topsinoglou ist zuversichtlich, dass auch die Sanierung des dritten von vier Pfeilern gut gelingen wird: „Erst dann kann der Verkehr wieder so fließen wie vor der Sperrung.“
Das bedeutet, erst dann können auch Lkw wieder über die Lennebrücke rollen. Nicht zuletzt auch die Löschfahrzeuge der Feuerwehr. Solange gibt es weiter den seit vier Wochen erprobten Löschtrupp-Pendelverkehr. Aktuell ist es so: Die Feuerwehr Iserlohn hilft mit aus. Sie kommt bei Alarm mit ihren Fahrzeugen, parkt ihr Fahrzeug an der Nordseite der Fußgängerbrücke, die das THW kurz nach der Sperrung behelfsmäßig errichtet hatte, läuft über die Behelfs-Lennebrücke und steigt in ein Löschfahrzeug auf der anderen Seite, das von Lüdenscheid ausgeliehen wurde.
Das Hoffen auf eine ganz neue Brücke
Bürgermeisterin Birgit Tupat ist froh über die Hilfe der Nachbargemeinden. „Aber die Iserlohner Feuerwehr hat ja auch auf eigenem Gebiet Einsätze“, erinnert sie. Tupat wünscht sich lieber mittel- als langfristig, „dass das Planfestellungsverfahren für einen Brückenneubau mit Hochdruck vorangetrieben wird. Ende des Jahres ist viel zu lang.“ Die Regelungen für Sanierungen von Infrastruktur wie Brückenbauten müssten endlich gelockert werden. Dass es in Nachrodt mit dem ersehnten Brückenneubau nicht einfach wird, ist der Bürgermeisterin klar. Die Interessen eines Gutsbesitzers scheinen dem entgegenzustehen. „Man muss auch mal an das Gemeinwohl denken“, appelliert Birgit Tupat mit Blick auf die Zukunft, ohne sich die gute Laune am Freitag verderben lassen zu wollen.
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Wirklich gute Laune hat an diesem Tag auch Helmut Kruse. Der Bestattungsunternehmer aus Nachrodt hat sein Büro in Sichtweite zur maroden Brücke an der Ehrenmalstraße. „Ich musste Umwege fahren über Iserlohn oder Wiblingwerde und Hagen-Hohenlimburg. Eine Katastrophe“, sagt Kruse, der mit seinem Bestatter-Bulli jetzt wieder auf der Bundesstraße 236 hin- und herpendeln kann. Auf lange Sicht hofft auch er auf einen Brückenneubau. „Straßen-NRW hat vor längerer Zeit schon ein super Konzept vorgelegt.“ Die Umsetzung scheitere bislang am Gutsbesitzer. Der mag sich öffentlich zwar weiter nicht äußern, schaute am Freitag aber einigermaßen interessiert dem Treiben der GVT-Mitarbeiter an der Brücke zu.