Paderborn. Deutschland hat niedrige Steuer: Wie das ausgenutzt wurde, um Bier über Länder hinweg zu verschieben und Millionen zu hinterziehen.
Sekt und Champagner sind die traditionellen Getränke für den Jahreswechsel. Vielleicht knallen jetzt aber die Korken im Landgericht Paderborn aus anderem Anlass: weil der umfangreiche Biersteuer-Prozess endlich zu Ende ist – nach fast vier Jahren hat die Wirtschaftsstrafkammer ihr Urteil verkündet.
Das Bier, um das es geht, ist längst Geschichte. Getrunken irgendwo in Europa, vermutlich in Großbritannien – bis auf die paar so genannten Vorzeigelieferungen in deutsche Lager, die aus längst abgelaufenen Chargen stammten, um lediglich bei Zollkontrollen eine reguläre und zollbestimmungskonforme Lager- und Transporttätigkeit vorzutäuschen. Bier, das in Frankreich gelagert und von dort nach Deutschland eingeführt wurde, letzteres nur zum Schein, weil hierzulande die Biersteuer so niedrig ist wie nirgendwo sonst in Europa, außer in Bulgarien. Ein groß angelegtes, internationales Geflecht machte nach Überzeugung der Paderborner Wirtschaftsstrafkammer sein Geschäft damit, besagtes Bier tatsächlich in andere Länder zu verschieben, unverzollt, und dort auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Das brachte dem ganzen Prozess auch den Spitznamen „Bierkarussell“ ein.
Paderborner war der große Strippenzieher
Die drei in jenem Prozess Angeklagten waren innerhalb dieses Banden-Geflechts in unterschiedlichen Rollen für ihren eigenen „Geschäftszweig“ tätig: Ein 64 Jahre alter Paderborner als der große Organisator und Strippenzieher mit diversen Tarnfirmen in Paderborn, Osnabrück, Diemelstadt und Gotha, ein 57-Jähriger aus Bad Essen und ein 52-Jähriger aus Thüringen, die nacheinander für die verschiedenen Firmen und nach Anweisung des Paderborners die deutschen Zollanmeldungen elektronisch ausfertigten.
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Erhebliche kriminelle Energie bescheinigte die Strafkammer dem Hauptangeklagten: Er habe nacheinander die Tarnfirmen gegründet, Hallen angemietet, Büroausstattung angeschafft, einen IT-Spezialisten eingesetzt, um die Computer gestützten Zollanmeldungen zu ermöglichen und mit finanzieller Hilfestellung der Hintermänner die deutschen Steuerforderungen beglichen – und er habe regelmäßig, sobald der deutsche Zoll misstrauisch geworden sei, alte Firmen abgewickelt und neue an Standorten gegründet, an denen andere Hauptzollämter zuständig gewesen seien.
Verteidiger plädiert auf Freispruch
Sechs Jahre und vier Monate Haft verhängte die Kammer gegen den 64-Jährigen, dem sie einen Steuerschaden von mehr als fünf Millionen Euro zuschreibt. In Frankreich sollen auf ihn noch Forderungen in Millionenhöhe warten. Die beiden Mittäter kamen mit Bewährungsstrafen davon: der Bad Essener mit 22 Monaten, der Thüringer mit 18 Monaten. Dieser sei lediglich eine Art Angestellter gewesen, der in die Vorgänge selbst kaum eingegriffen habe, während der Bad Essener zeitweise sogar Gesellschafter einer der Firmen mit Sitz in Osnabrück gewesen sei. Die beiden Mittäter hatten bereits nach einem Jahr in dem Prozess Geständnisse abgelegt, der Hauptangeklagte blieb bis zum Schluss dabei: Er habe nicht gewusst, dass sein Vorgehen strafbar gewesen sei. Sein Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert: Es sei gar nicht ermittelt worden, ob das angeblich nach Deutschland eingeführte Bier in den französischen Lagern überhaupt vorhanden gewesen sei.