Paderborn. Bierlieferungen nach England landen in Westfalen vor Gericht. Es geht um Millionen Euro und einen Angeklagten, der einen Laptop im Knast erhält.

Der Bierverbrauch in Deutschland sinkt. Und trotzdem trinken die Deutschen pro Kopf mehr Bier als die Briten. Dafür ist die Steuer auf den Gerstensaft in Großbritannien merklich höher. Drei Männer, die in illegale Geschäfte eines veritablen „Bierkarussells“ verstrickt gewesen sein sollen, müssen sich jetzt in Paderborn vor Gericht verantworten. Es geht um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.

Drei Jahre lang, von 2016 bis 2019, sollen die drei Angeklagten sich an Schwarzmarktgeschäften mit Bier aus Frankreich beteiligt haben. Das „Geschäftsmodell“: Der Hauptangeklagte, ein 60-jähriger Unternehmer aus Paderborn, soll das Bier über Firmen in Paderborn, Osnabrück, Diemelstadt und Gotha aus Frankreich importiert haben – aber nur zum Schein.

Bierlieferungen waren wohl lediglich „Luftbuchungen“

Diese Firmen sollen den Erhalt der Ware bestätigt haben, was aber nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft lediglich „Luftbuchungen“ waren. Tatsächlich sei das Bier in insgesamt 344 Fällen nach Großbritannien transportiert und dort auf dem Schwarzmarkt verkauft worden. Die Biersteuer auf die nicht existenten Lieferungen sei in Deutschland gezahlt worden – wohl kalkuliert von den Angeklagten und ihren Hintermännern, da die Steuersätze in Frankreich höher sind, und in Großbritannien noch einmal über denen in Frankreich liegen. Diese Steuerzahlungen in Deutschland sollen die Angeklagten in Kauf genommen haben, um den lukrativen Schmuggel der Getränke über den Ärmelkanal zu verschleiern.

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Während der 60-Jährige im Hintergrund als der faktische Geschäftsführer der Firmen die Fäden gezogen habe, sollen die beiden anderen Angeklagten – ein 53-Jähriger aus Bad Essen und ein 48-Jähriger aus Gotha ­– operativ die Anmeldungen der Schein-Importe „gemanagt“ haben. Sie hätten, so die Staatsanwaltschaft, die elektronischen Liefervorgänge getätigt, auf deren Basis die Lieferungen jeweils versteuert worden seien. Den französischen Steuerbehörden seien bei dem „Bierkarussell“ fast 12 Millionen Euro entgangen.

Staatsanwalt: Angeklagte Teil einer weit verflochtenen Organisation

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Bielefeld, die das Verfahren führt, geht davon aus dass die drei Angeklagten Teil einer weit verflochtenen internationalen Organisation sind, die den Bierschmuggel betreibt – möglicher Weise mit Drahtziehern aus Südosteuropa. Die Geldbeträge, um die Steuern in Deutschland zahlen zu können, seien über Bankverbindungen in Hongkong, Zypern und Dubai auf die deutschen Konten geflossen: Dort wurden bei dem Zugriff im April vergangenen Jahres Beträge zwischen 400.000 Euro und 1,2 Millionen Euro sichergestellt.

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Bier gab es jedoch an den Firmenadressen so gut wie keines: Es seien lediglich jeweils einige wenige Lieferungen von „Vorzeigebier“ erfolgt, um bei einer eventuellen Zollkontrolle etwas präsentieren zu können. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Paderborn hat sich auf einen Mammutprozess vorbereitet: Etwa 50 Verhandlungstermine sind vorgesehen.

Angeklagter bekommt Laptop im Gefängnis

Allerdings muss das Gericht jetzt erst einmal dafür sorgen, dass der Hauptangeklagte in der Untersuchungshaft die Prozessakten lesen kann. Die haben digitalisiert einen Umfang von sage und schreibe 20 Terrabyte – und bisher durfte der 60-Jährige nur für wenige Stunden an einen JVA-eigenen, speziell gesicherten Computer. Er soll jetzt nach Beschluss der Kammer einen eigenen Laptop bekommen. Auch die Verteidiger haben technische Probleme: Regelmäßig lassen sich Datenträger der Staatsanwaltschaft nicht öffnen.

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In Würzburg wurden im September 2019 und vor drei Wochen zwei Männer aus derselben international agierenden Gruppierung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

>> INFO: Biersteuer

  • Bier wird in Deutschland nach dem Stammwürzegehalt besteuert. Pro 0,5-Liter-Flasche Flasche sind dies zwischen 4 und 6 Cent.
  • In Frankreich liegt die Steuer etwa vier Mal so hoch, in England beträgt sie gleich das Zehnfache.