Paderborn. 12 Millionen Euro Steuern sollen die Angeklagten mit dubiosen Bier-Geschäften hinterzogen haben. Doch nun hat Corona den Prozess platzen lassen.

Auf einen langen, zähen und anstrengenden Prozess hatte sich die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Paderborn eingestellt. Mehr als 12 Millionen Euro Steuerschaden sollen drei Männer mit vorgetäuschten Bierimporten nach Deutschland verursacht haben. Der Personalaufwand für das Verfahren ist groß, das Datenmaterial der Prozessakten ist gewaltig. Aber das Corona-Virus macht jetzt allen einen Strich durch die Rechnung: Der Prozess ist geplatzt.

Am meisten Grund zur Freude dürfte der Hauptangeklagte haben: Der 60-jährige Unternehmer aus Paderborn hat mittlerweile mehr als sieben Monate Untersuchungshaft hinter sich – jetzt wird sein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, weil zunächst nicht weiter verhandelt wird. Er gilt als der operative Kopf hinter den angeklagten Taten und soll von 2016 bis 2019 maßgeblich an den Schwarzmarktgeschäften mitgewirkt haben.

Nur zum Schein Bier aus Frankreich importiert

Über eigene Firmen in Paderborn, Osnabrück, Diemelstadt und Gotha soll der 60-Jährige das Bier aus Frankreich importiert haben – aber lediglich zum Schein, um zu verschleiern, dass die Ware tatsächlich illegal nach Großbritannien transportiert und dort vorwiegend an Kiosken verkauft wurde. Die deutschen Firmen sollen zur Tarnung der Geschäfte die Biersteuer aufgrund eines elektronischen EU-weiten Meldeverfahrens entrichtet haben. Der Schaden der französischen Steuerbehörden wird auf fast 12 Millionen Euro geschätzt.

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Die 2. Große Strafkammer hatte vor knapp vier Wochen den Prozess eröffnet, in dem auch zwei Helfer (53, 48) des Paderborners angeklagt sind: Sie sollen für einzelne Firmen die „Luftbuchungen“ elektronisch getätigt haben. Bisher ist die Kammer jedoch noch nicht in die Beweisaufnahme eingetreten: Es gab einige Verfahrensfragen zu klären, zudem spielt offenbar die Datentechnik nicht richtig mit, so dass die von der Staatsanwaltschaft digital zur Verfügung gestellten Prozessakten auf den Computern der Verteidiger nicht ohne weiteres geöffnet werden können.

Mehr als 20 Personen regulär im Saal

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Vor zunächst nicht lösbaren Problemen steht das Gericht jetzt aber wegen des Corona-Virus. Der personelle Umfang des Verfahrens ist ebenfalls groß, und der Komplexität der Materie wie der prognostizierten Dauer des Prozesses geschuldet. Die drei Angeklagten haben zusammen zehn Verteidiger, die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Bielefeld ist mit zwei Sitzungsvertretern präsent, die Kammer selbst besteht aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, zudem wurden eine Ergänzungsrichterin und zwei Ergänzungsschöffen berufen – damit das bis Ende des Jahres 2020 terminierte Verfahren nicht wegen eines eventuellen Krankheitsfalles auf der Richterbank abgebrochen werden müsste. Zusammen mit der Protokollführerin der Justiz befinden sich also bei jedem Prozesstermin regulär 24 Personen im denkmalgeschützten Schwurgerichtssaal des Landgerichts – ohne etwaige Zeugen und das Publikum bei den öffentlichen Sitzungen zu berücksichtigen.

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Angesichts der Platzverhältnisse zwischen Richterbank, Anklagebank und Platz der Staatsanwaltschaft ist bei dieser Personenzahl aus Sicht des Landgerichts der nötige Abstand nicht zu gewährleisten, um den Empfehlungen zur Eindämmung des Corona-Virus zu entsprechen. Dies in Zusammenhang mit der Dauer der Untersuchungshaft des Hauptangeklagten brachte die Kammer zu dem Entschluss, das Verfahren auszusetzen. Wann es von vorne losgeht, bleibt abzuwarten.