Hagen. Erst arbeitete er gut zusammen mit dem rumänischen Helfer, dann rastete der Landwirt aus dem Sauerland aus. Was er vor Gericht sagt.

Bei den bundesweiten Bauernprotesten am Montag war ein Landwirt (39) aus dem Sauerland nicht dabei. Er musste sich zum selben Zeitpunkt wegen schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht Hagen verantworten. Die genauen Vorwürfe sind geradezu unfassbar, der Angeklagte hat sie zum Prozessauftakt bereits eingeräumt.

Auf seinem freistehenden Mastbetrieb in Plettenberg hätte er im Frühjahr 2019 einen rumänischen Hofhelfer (36) wie einen Sklaven gefangen gehalten: Eingesperrt in einem Keller. Gefesselt mit einer Kette, die er ihm um Arme, Beine und auch um den Hals gewickelt hat. Und bedroht mit einer Waffe: „Ich tue dir nichts an, wenn du einen Monat für mich unentgeltlich arbeitest.“ Der Rumäne, ein zierlich-schmächtiger Mann, hatte Angst um sein Leben und ließ sich einschüchtern. Unter Verzicht auf seinen Lohn arbeitete er vier Wochen lang auf dem Bauernhof, melkte die Kühe, gab ihnen Futter und reparierte die Weidezäune. Als der Monat rum war, stellte der Landwirt seine Forderung erneut auf und verlangte weitere vier Wochen Gratis-Arbeit. Dabei fuchtelte er drohend mit einer Pistole. In seiner Hilflosigkeit ging der Hofhelfer auch darauf ein. Erst nach 14 Tagen gelang ihm über einen Waldweg die Flucht.

Lesen Sie auch

Durch ein Inserat in einem Kleinanzeigen-Portal hatten der in Finnentrop lebende Landwirt und der Hofhelfer zueinander gefunden: „Rumäne, spricht kein Deutsch, sucht Job“. Vereinbart worden sei, dass monatlich offiziell 1000 Euro durch die Bücher gingen, 500 Euro Lohn gab es schwarz auf die Hand. Anfangs hätte man sich auch noch gut verstanden, berichtet der Angeklagte, „ich habe ihm sogar den Führerschein finanziert.“ Und einen alten Audi gekauft, „nichts Dolles, aber er damit war er immerhin beweglich.“ Die Situation sei schlechter geworden, als die Ehefrau mit Kleinkind aus Rumänien nachzog und er sich deshalb immer mehr finanziell engagieren musste: So habe er für die kleine Familie eigens ein Appartement beschafft, sogar die Hälfte der Miete übernommen. Und dem Kind einen Platz im Kindergarten besorgt.

Zurück in der Heimat

Doch urplötzlich war die rumänische Familie weg. Zurück in die Heimat, ohne sich abzumelden. Zwei Wochen später war der Hofhelfer aber wieder da: „Als er vor der Tür stand, ist mir die Sicherung durchgebrannt“, sagt der angeklagte Landwirt. Es sei ihm bewusst geworden, was er schon alles für ihn vorfinanziert hatte und er fühlte sich finanziell ausgenutzt. Da hätte er den Rumänen geschnappt, ihn in den Keller gebracht und ihm die Kette um den Hals gelegt: „Du arbeitest das jetzt erstmal die nächsten zwei Monate für mich ab!“ Noch zusätzlich an Armen und Beinen gefesselt, musste der Hofhelfer im verschlossen Keller übernachten. Er hätte ihn auch mit einer Schusswaffe angedroht, ihn zu erschießen, erklärt der Landwirt, „das sollte schon seine Wirkung erzielen. Ich wollte, dass er Angst kriegt.“ Es sei aber nur eine ungeladene Gaspistole gewesen.

Er hat ein Herz für die Landwirtschaft.
Andreas Trode - Anwalt

Während er polternd sein Geständnis ablegt, hat der Angeklagte einen hochroten Kopf und knetet nervös seine Hände. Es wirkt, als wolle er jeden Moment cholerisch explodieren. Verteidiger Andreas Trode (Iserlohn) übernimmt den Gegenpart und bringt Gelassenheit in den Prozess. Sein Mandant hätte den Hof, der einst ein Milchviehbetrieb war, vom Vater übernommen. Alleine würde er die Arbeit aber nicht schaffen. Deshalb heuere er gerne landwirtschaftliche Helfer aus Osteuropa an. Verträge würden mit Handschlag abgewickelt: „Damit hat er bisher eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht.“ Verteidiger Trode lobt den Mann, der neben ihn sitzt: „Er hat ein Herz für die Landwirtschaft.“

Der Bauer hat offenbar auch eine große Liebe zu verbotenen Kriegswaffen: Als Ende Mai 2018 die Polizei den Bauernhof durchsucht, findet sie ein ganzes Arsenal im Kleiderschrank und im Heizungsraum. Darunter neben Flinten, Revolvern und Pistolen, auch ein halbautomatisches Selbstladegewehr mit Schalldämpfer und sogar eine Maschinenpistole und jede Menge Munition. Im Vorstrafenregister hat er einen Eintrag: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Völlig verängstigt

Aus Rumänien ist der völlig verängstigte Zeuge angereist, der noch immer um sein Leben fürchtet und vor seiner Aussage im Zeugenschutzzimmer des Landgerichts betreut werden muss. Seine Hand zittert vor Angst, als er dem Gericht schildert, wie der cholerische Angeklagte ihn auch nach seiner Flucht nach Rumänien noch bedroht hat: Er werde ihn erschießen und in der Gülle-Grube vergraben.

Ich will kein Geld nehmen, weil ich immer noch Angst habe.
Opfer - aus Rumänien

Verteidiger Andreas Trode spricht den Zeugen direkt an: Er brauche vor dem Angeklagten keine Angst mehr zu haben. Er übernehme inzwischen die Verantwortung für seine Taten, möchte sich entschuldigen, weil es ihm leid tut. Und er wolle ihm heute 2000 Euro als Entschuldigung dafür übergeben. Der Zeuge zittert jetzt am ganzen Körper und lehnt das Angebot vorerst ab: „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich will kein Geld nehmen, weil ich immer noch Angst habe. Ich möchte kein Geld nehmen, sondern erst meinen Anwalt fragen.“

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.