Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche stolpert über den „Fall Siegen“.

Der Rücktritt von Annette Kurschus war unausweichlich – und er ist richtig. Dabei muss und sollte man nicht in Zweifel ziehen, dass sie es ernst meint mit der Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche. Und dass sie auch ehrlich entsetzt ist über die Vorwürfe aus Siegen. Sei es, weil sie tatsächlich erst in diesem Jahr von den Vorwürfen sexueller Übergriffe durch einen Kirchenmitarbeiter, den sie privat sehr gut kannte, erfahren hat. Sei es, weil sie doch damals davon wusste, das Ganze aber erst heute richtig einordnet.

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Der Rücktritt von Annette Kurschus war aber nun nötig, weil ihr Verbleiben im Amt die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt innerhalb der Kirche stark belastet hätte. Eine Frontfrau, die angreifbar ist, kann die Kirche nicht in die entscheidenden Monate führen. Monate, in denen eine Erklärung mit der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten unterzeichnet werden soll, in der Standards für die Aufarbeitung von Missbrauch festgelegt werden. Und Monate, in denen die wichtige Missbrauchsstudie zur evangelischen Kirche veröffentlicht werden soll.

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Annette Kurschus ist kein Opfer einer Intrige. Sie hatte mindestens ein halbes Jahr Zeit, sich darauf vorzubereiten, was sie wie sagen würde, wenn der Fall öffentlich wird. Sie hatte Zeit, sich selbst zu prüfen, wie sie damals auf den ihr so gut bekannten Kirchenmitarbeiter geschaut hat, und ob sie nicht doch von dessen Verhalten hätte wissen müssen. Mit ihrem Agieren in den vergangenen Tagen, mit einer missglückten Kommunikation, hat sie Vertrauen verspielt. Die Sache, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche, ist wichtiger als die Person Kurschus.