Olsberg. Der Bau der gigantischen Anlagen spaltet Südwestfalen in Kritiker und Befürworter. Wir schauen beim Projekt in Olsberg einmal sehr genau hin.
Ulrich Kaufmann zückt sein iPad. Weil er es oft braucht, hat es auf der Rückseite eine Schlaufe, durch die er seine Hand schiebt. Über das Display dieses kleinen Geräts wischt er ein Projekt, das so groß ist, dass es bald von weithin sichtbar sein wird: Sieben Windräder entstehen derzeit auf einem Mittelgebirgszug südlich von Olsberg im Hochsauerlandkreis.
Windräder polarisieren und provozieren Widerspruch
Kaufmann ist der Bauleiter, er steht im feinen Regen neben dem imposanten Fundament von Anlage 1, zeigt aufs Display und sagt zufrieden: „Die sind wie an einer Perlenkette aufgereiht.“
Wie ein Schmuckstück?
Anmutig? Ästhetisch?
Windräder werden oft als das Gegenteil wahrgenommen. Egal, wo sie gerade geplant werden, gebaut werden oder gebaut sind: In Hagen-Hohenlimburg, in Breckerfeld (Ennepe-Ruhr-Kreis), in Erndtebrück (Kreis-Siegen-Wittgenstein), in Meschede (Hochsauerlandkreis). Die Liste ließe sich in Südwestfalen lange fortsetzen. Und obwohl händeringend Alternativen zu Kohle und Gas und Atomkraft gesucht werden, will doch kaum jemand diese Ungetüme vor seiner Haustür haben. Windräder polarisieren, provozieren Widerspruch. Grund genug, einmal genauer hinzusehen: Wie groß ist der Aufwand? Wie sind die Dimensionen?
Wald in der Größe von 20 Fußballfeldern musste gerodet werden
„Das war nicht ohne“, sagt Ulrich Kaufmann, der Bauleiter. Er meint das Frühjahr, in dem erstmal Platz geschaffen werden musste: Platz für die Windräder selbst und den Kran, der sie hochziehen wird. Ein Kran, der in 150 Metern Höhe arbeiten wird, ein Kran, der selbst von Kränen zusammengebaut werden wird. Das geschieht auf dem Boden. Die Fläche ist in Kaufmanns iPad eingezeichnet. Das obere Ende der Rotorblätter wird sich in rund 200 Metern Höhe befinden. Das ist mehr als zweimal die Freiheitsstatue von New York übereinander – inklusive Sockel.
Jedenfalls: Bäume mussten erstmal weg und damit ein Teil des Waldes. Insgesamt 10 Hektar. Das sind 20 Fußballfelder. Bagger sind derzeit im Gelände unterwegs, um die Leitungen im Boden zu verlegen. Acht Kilometer Stromkabel sind zwischen den Windrädern und als Verbindung nach Olsberg nötig.
„Das ist in der Planung und im Bau einer der anspruchsvollsten Standorte“, sagt Marco Neef, Projektleiter bei Juwi, einer Firma aus Rheinland-Pfalz, die auf Anlagen für Erneuerbare Energien spezialisiert ist. Die Steigungen im Hochsauerland sind ein Problem und das generell wellige Gelände.
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Schmale Forstwege waren das mal, die in das Gebiet führten. Frank Kreutzmann, Ortsvorsteher von Elpe am Fuße der künftigen Windräder, trauert ihnen hinterher. „Fast drei Kilometer lange autobahnähnliche Straßen sind hier in touristischem Gebiet angelegt worden“, sagt er – und weiß wohl, dass er mit der Autobahn als Bezugsgröße etwas übertreibt.
Aber: Die Forstwege mussten tatsächlich von 3 Meter auf 4,50 Meter verbreitert werden, in den Kurven sogar auf zehn Meter – und durchgehend dick geschottert, damit die schweren Fahrzeuge sie befahren können. Laut Juwi 40.000 Tonnen Schotter, die so lange liegen bleiben, bis die Anlagen abgebaut werden.
„Alles, was da an Laubbäumen am Weg stand, ist dem Erdboden gleich gemacht worden. Und wie das alles verdichtet wird...“, sagt Kreutzmann, ohne den Satz zu Ende zu sprechen. In seinem Ort bildete sich eine eine Bürger-Initiative, um die es längst ruhig geworden ist.
560 Lkw-Ladungen Beton - allein fürs Fundament
560 Betonmisch-Lkw kamen über die geschotterten Wege, um allein die sieben Fundamente für die Windräder zu gießen. Fast 25 Meter breit. Im Frühjahr erst geht es jetzt weiter: Dann kommen die Türme, die aus fünf Röhrenteilen bestehen und aufeinander gesetzt werden; die Maschinenhäuser, die Naben, die Generatoren, die drei Flügel, die jeweils 60 Meter lang sind.
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Alles wird nach und nach angeliefert, jedes Teil ein eigener Spezialtransport mit polizeilicher Begleitung, alles schon jetzt terminiert. Insgesamt also fast 80. Wegen der Steigungen muss zum Teil eine zweite Zugmaschine vor den Lkw gespannt werden. „Das ist alles schon gewaltig“, sagt Kreutzmann, der Ortsvorsteher, und meint das aber eher nicht wohlwollend. Ihm graut es, bald auf die Räder zu schauen, die sich über dem Wald auf dem Berg drehen.
Eine Anlage produziert in einer Stunde den Stromverbrauch einer Familie im Jahr
Marco Neef, der Projektleiter, hat durchaus Verständnis für die Sorgen der Bürger, sagt er. Das seien „Menschen, die hier immer schon leben und den Wald so kennen, wie er ist. Sie sind an ihn gewöhnt und stehen Veränderungen skeptisch gegenüber. Und natürlich ist es ein Eingriff in die Natur, aber es wird eben auch Klimaschutz betrieben.“ Eine Anlage produziere in einer Stunde etwa so viel Strom, wie ein Vierpersonenhaushalt im Jahr verbrauche. Große Teile des Stroms, den die Stadt Olsberg benötigt, könnten mit der Anlage geliefert werden. Ein Windrad spare 700 Mal mehr CO2 als der Wald an gleicher Stelle binden könne.
Von dort, wo die Anlagen in etwa einem Jahr in Betrieb genommen werden, hat man einen weiten Blick. Neef zeigt auf den nächsten Berg, wo schon immer Fort Fun zu Hause ist. „Dort“, sagt er, „ist viel mehr Fläche verbraucht worden, ist viel mehr Boden versiegelt worden. Daran nimmt niemand Anstoß.“
<<< HINTERGRUND >>>
Die sieben Anlagen in Olsberg, für die 50 Millionen Euro investiert wurden, sollen 2024 in Betrieb gehen. Das Projekt ist auf 25 Jahre angelegt, da Windkraftanlagen eine Standfestigkeit haben, die auf 30 Jahre ausgelegt ist. Für eine längere Lebensdauer müsste mehr Material verwendet werden, was unwirtschaftlich wäre. Nach dem Ende des Projekts wird der Teil des Waldes, der gerodet werden musste, wieder aufgeforstet. Stahl, Beton, Schotter und Metalle verschwinden wieder.