Lüdenscheid. Der Neubau der A-45-Brücke hat noch gar nicht begonnen, doch die Wirtschaft bezweifelt schon, dass die Arbeiten schnellstmöglich ablaufen.

Am kommenden Donnerstag geht es los – und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kommt höchstpersönlich: Fast zwei Jahre nach der Sperrung der A 45 beginnt der Neubau der Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid. Doch schon vor dem Spatenstich kritisiert die Wirtschaft das Tempo der Arbeiten.

Denn gebaut wird die neue Brücke nicht etwa im Mehrschichtbetrieb, und schon gar nicht rund um die Uhr. Das haben die Autobahn GmbH und die ausführenden Firmen jüngst bei einem Termin in Lüdenscheid mitgeteilt. Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK), kann das nicht nachvollziehen. Er fordert mehr Tempo. „Jeder Tag zählt. Das ist so auch von der Politik immer wieder formuliert worden“, sagt Geruschkat. Die eingestürzte Morandi-Brücke in Genua sei quasi im 24/7-Betrieb aus dem Boden gestampft worden. Dort seien bis zu 1000 Leute gleichzeitig eingesetzt worden, in Lüdenscheid sollen es nur rund 170 sein.

Bis zu 1000 Arbeiter in Genua im Einsatz

Politiker aus der Region sehen die Lage nicht ganz so dramatisch. Ralf Schwarzkopf, CDU-Landtagsabgeordneter aus Lüdenscheid, geht davon aus, dass die Planung einem guten Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen der Anwohner und dem Wunsch der Wirtschaft nach Tempo Rechnung trage. Da die Ausschreibung eine Bonus-Regelung vorsehe, werde das Unternehmen alles tun, um möglichst schnell fertig zu werden.

Gordan Dudas, SPD-Abgeordneter aus dem Märkischen Kreis, schlägt in die gleiche Kerbe. „Maßgeblich ist das Enddatum“, sagt er. Für einen Mehrschichtbetrieb müsse genügend Material und Personal zur Verfügung stehen.

Sebastian Wagemeyer (SPD), Bürgermeister von Lüdenscheid und Brücken-Bürgerbeauftragter, kann die Bedenken der Wirtschaft nachvollziehen, sagt aber, dass auch die Befindlichkeiten der Anwohner berücksichtigt werden müssten. „Den Bagger hört man auch weit über das Tal hinaus noch.“ Mit dem Ziel, dass der Verkehr Mitte 2026 über einen Teil der Brücke wieder fließen kann, seien die Baufirmen „sehr sportlich“ unterwegs.

„In Italien gibt es auch Baulärm-Vorschriften“

Argumente, die SIHK-Chef Geruschkat nur zum Teil gelten lässt. „In Italien gibt es auch Baulärm-Vorschriften. Dort konnten Anwohner sehr kurzfristig Belästigungen über ein Online-Portal melden, und dann wurde auf der Baustelle reagiert.“ Das sei eine kreative Lösung gewesen: „Solche erwarte ich hier auch“, sagt er. Dann dürfe nachts in Lüdenscheid eben nur das gemacht werden, was baulärmtechnisch zulässig sei. Das sei immer noch besser, als gar nichts zu tun. Einer Studie zufolge verursacht die Sperrung der Autobahn jeden Tag einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von einer Million Euro.

Geruschkat kritisiert zudem, dass die Autobahn GmbH keinen detaillierten Bauzeitplan veröffentlichen wolle, obwohl das im Landtag angekündigt worden sei.

Wir haben die Autobahn GmbH vor fünf Tagen um eine Stellungnahme gebeten. Eine Antwort liegt bisher nicht vor.

+++ Update +++

Am 4. Oktober hat die Autobahn GmbH folgende Antwort übermittelt:

„Die Autobahn GmbH des Bundes hatte mit der funktionalen Ausschreibung für den Ersatzneubau der Talbrücke Rahmede starke Anreize für eine Beschleunigung gesetzt und dazu insbesondere eine kurze Bauzeit als relevantes Wertungskriterium vorgesehen. Die im Juli 2023 beauftragte Arbeitsgemeinschaft hat eine Bauzeitbeschleunigung und eine Fertigstellung des ersten Überbaus bis Mitte 2026 angeboten. Der Bauvertrag beinhaltet zudem eine Bonusregelung, die weitere Anreize für ein schnelleres Bauen und eine zügige Inbetriebnahme der neuen Talbrücke Rahmede schafft.

Die konkrete Arbeitsdisposition obliegt dem Auftragnehmer. Dabei ist er an die geltenden Gesetze und Vorschriften – unter anderem die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – gebunden.

In einer Anliegerinformation am 20. September 2023 haben Vertreter des Auftragnehmers und der Autobahn GmbH des Bundes die von Oktober 2023 bis Januar 2024 geplanten Maßnahmen und den entsprechenden Ablauf vorgestellt. Weitere Veranstaltungen werden in regelmäßigen Abständen folgen.“