Hagen. Corona ist vorbei! Oder doch nicht? Die Fallzahlen steigen. Drohen neue Einschränkungen? Ist eine weitere Impfung sinnvoll? Ein 8-Punkte-Check.

Da wabert etwas durch die Öffentlichkeit. Diese Frage, ob tatsächlich das wiederkommen könnte, was zumindest die Allermeisten von uns für überwunden glaubten: eine neue massive Corona-Welle. Die registrierten Covid-19-Fälle steigen tatsächlich an – in NRW und auch in der Region. Janosch Dahmen, selbst Arzt, einer der führenden Grünen-Gesundheitspolitiker und Abgeordneter für Hagen und den Ennepe-Ruhr-Kreis, regt an, zumindest im Gesundheits- und Pflegebereich Masken wieder Maske zu tragen. Wie ist die Lage? Wie sind die Aussichten? Wir haben mit Experten und Institutionen gesprochen. Ein Check in acht Punkten.

1. Wie ist die aktuelle Lage?

Die tagesscharfe Meldung der Sieben-Tage-Inzidenz, auf die man zu Hoch-Zeiten der Pandemie gebannt schaute, weil sie für das Maß der Einschränkungen des öffentlichen Lebens maßgeblich war, gibt es seit Juli nicht mehr. Und es wird bei Weitem nicht mehr so flächendeckend getestet wie zuvor. Gleichwohl werden noch Fälle identifiziert – und die Zahl ist zuletzt gestiegen. Vom 24. bis 30. Juli wurden NRW-weit noch 337 Fälle beim Landeszentrum für Gesundheit gemeldet, in der Woche vom 28. August bis 3. September waren es 1384 – rund 1000 mehr. Die Inzidenz stieg von 1,86 auf 7,36.

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Schaut man auf den Regierungsbezirk Arnsberg gibt es die höchsten Inzidenzen in den Ruhrgebietsstädten Bochum (12,3) und Dortmund (11,3). Hagen liegt bei 9,6, der Hochsauerlandkreis bei 7,3. Am niedrigsten ist die Inzidenz im Kreis Olpe (2,2).

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Einen weiteren Hinweis für ganz NRW bietet das Abwassermonitoring, das laut NRW-Gesundheitsministerium ein „zusätzlicher Indikator zur Beobachtung des Infektionsgeschehens“ ist: In elf Kläranlagen wird die Viruslast ermittelt. Nachdem im Juni und Juli die bisher niedrigsten Corona-Viruslasten im Abwasser nachgewiesen worden seien, so das Ministerium, sei seit August ein Aufwärtstrend zu beobachten: „In der aktuellen Woche weisen noch sechs der elf Anlagen eine steigende Tendenz aus, doch ist dieser Anstieg in drei der Anlagen nur noch leicht.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) stellt bundesweit eine Zunahme von Atemwegsinfektionen fest, auch von Corona-Erkrankungen, aber: „Das ist am Ende der Sommerferien eine für diese Jahreszeit übliche Beobachtung.“ Und auch das gehört zum Gesamtbild: In der vergangenen Woche waren in Nordrhein-Westfalen 1,1 Prozent der betreibbaren Intensivbetten mit Covid-19-Patientinnen und Patienten belegt (Vorwoche 1,0 %).

2. Was sagt der Virologe?

Er ist entspannt. Professor Ulf Dittmer, ist Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Essen. Rechnet er mit einer neuen Corona-Welle, die zu Beschränkungen im öffentlichen Leben führen könnte? „Ja und nein“, sagt der Experte. „Wir werden im Winter wieder eine, im Frühjahr vielleicht sogar eine zweite Corona-Welle erleben. Das wird aber kaum zu Einschränkungen im öffentlichen Leben führen. Mit der breiten Grundimmunität durch Impfung und Infektion in der Bevölkerung ist das Risiko von schweren Covid-Fällen sehr gering. Deswegen werden Einschränkungen kaum gerechtfertigt sein.“

Prof. Dr. Ulf Dittmer ist Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen.
Prof. Dr. Ulf Dittmer ist Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

3. Werden wir wieder flächendeckend Schutzmasken tragen müssen?

Auch hier hat Virologe Ulf Dittmer eine klare Haltung: „Nein, nicht im öffentlichen Raum.“ Es werde vielleicht der Punkt kommen, an dem man den Schutz von Risikogruppen in der Medizin und Pflege durch einen Mund-Nasen-Schutz beim Personal diskutieren müsse. „Aber nicht nur wegen Corona, sondern auch der zu erwartenden Grippewelle im Winter.“ Und das NRW-Gesundheitsministerium stellt klar: „In NRW ist derzeit die Wiedereinführung der Maskenpflicht nicht geplant.“

4. Für den Fall der Fälle: Gibt es eigentlich noch Tests und Masken?

Eine Momentaufnahme: Im Drogeriemarkt in der Hagener Innenstadt findet man Masken und Tests – im Regal bei den Pflastern gibt es eine kleine Auswahl medizinischer Masken und FFP2-Masken sowie einzelne Coronatests. Im Supermarkt nur wenige Meter weiter sind keine zu finden, weder bei den Hygieneartikeln noch an den Kassen, wo diese Produkte in der gesamten Pandemiezeit einen festen Platz hatten.

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Das gilt aber nicht für alle Supermärkte. Sowohl Aldi Nord als auch Edeka Rhein-Ruhr bestätigen, dass sie weiterhin Mund-Nasenschutz- sowie FFP2-Masken und auch Corona-Selbsttests im Sortiment führen. Außerdem können beide einen Anstieg der Nachfrage in den vergangenen Wochen feststellen. Auch die Rewe-Gruppe gibt an, „üblicherweise weiterhin Corona-Tests und FFP2-Masken im Sortiment“ zu haben – könne allerdings aufgrund der genossenschaftlichen Strukturen keine allgemeingültigen Aussagen zu Warenverfügbarkeiten machen.

Auch in den Apotheken bekommen Kundinnen und Kunden weiterhin Masken und Coronatests, um sich im Zweifel und auf Wunsch selbst zu schützen. „Wir hatten Masken und Tests immer im Angebot – mal waren sie gefragter, mal nicht so“, sagt Christiane Rips, Inhaberin der Ruhr-Apotheke in Meschede. Die Zahl verkaufter Coronatests in ihrer Apotheke seien aktuell wieder auf dem gleichen Stand wie im vergangenen Jahr zur selben Zeit, während zu Beginn des Jahres etwa zwei Drittel weniger verkauft worden seien.

5. Wären die Gesundheitsämter auf eine neue Welle vorbereitet?

Keine Alarmstimmung in den Gesundheitsämtern in der Region, das zeigt eine Abfrage der WESTFALENPOST bei den südwestfälischen Landkreisen und der Stadt Hagen. Kontaktnachverfolgung, Aufbau von Impfzentren – in der Pandemie mussten die Gesundheitsämter binnen kürzester Zeit ihre Kapazitäten massiv erhöhen. Und nun? Es gibt keine konkreten Vorbereitungen oder Maßnahmen für den kommenden Herbst und Winter. Man sei aber in der Lage, zu reagieren – so der Tenor aller Antworten.

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Derzeit seien die Corona-Fälle „laufendes Tagesgeschäft“, so der Hochsauerlandkreis. So sieht es auch der Märkische Kreis. Man sei jederzeit in der Lage, die Pandemie-Infrastruktur wieder hochzufahren. Aber: „Dass – wie in Hoch-Zeiten – mehr als 200 Personen mit der Kontaktnachverfolgung beschäftigt sind, ist aktuell nicht absehbar und nicht zu erwarten.“ Die Stadt Hagen arbeitet immerhin derzeit an Empfehlungen für die Bürger für den kommenden Herbst/Winter. Und: Ab Oktober soll es wieder eine regelmäßige Runde mit den Hausarztvertretern, den Rettungsdiensten und Krankenhäusern geben.

6. Könnten schnell wieder Testzentren entstehen?

Florian Junker ist Geschäftsmann aus Olpe und hat unter anderem in Olpe, Siegen und Köln bis zum Beginn des Jahres verschiedene Testzentren betrieben. Könnte er sie schnell wieder einrichten? „Ja“, sagt er deutlich. „Wir brauchen eine Location und müssten Container organisieren, wenn wir wieder einen Drive-Through aufbauen wollen“, erklärt er. Personal habe er in der Hinterhand – ehemalige Mitarbeitende, die jetzt zwar gekündigt seien, aber schnell einsatzbereit wären. In maximal einer Woche sei man einsatzbereit. Genauso sieht es Christiane Rips aus Meschede – ihre Apotheke hat ebenfalls bis zum Februar ein Testzentrum betrieben. „Wir haben Erfahrungen gesammelt und wissen jetzt schon, was und wie viel wir brauchen. Deswegen wäre der Betrieb schnell und komplikationslos wieder hochzufahren“, sagt sie.

Ein Bild aus März 2021, zu Hoch-Zeiten der Corona-Pandemie: Florian Junker, Unternehmer aus Olpe vor Containern für das Schnelltestzentrum.
Ein Bild aus März 2021, zu Hoch-Zeiten der Corona-Pandemie: Florian Junker, Unternehmer aus Olpe vor Containern für das Schnelltestzentrum. © WP | Verena Hallermann

7. Müssen sich alle noch einmal impfen lassen? Und ist genug Impfstoff vorhanden?

Professor Ulf Dittmer sieht keinen Anlass für eine erneute flächendeckende Impfung aller Altersklassen, wohl aber für bestimmte Gruppen. „Die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist weiterhin richtig.“ Menschen über 60 Jahre und Risikogruppen sollten sich erneut impfen lassen. „Hier gibt es gute Daten, die diese Empfehlung als medizinisch sinnvoll belegen“, so der Virologe. „Für diese Gruppen gilt auch eine dringende Impfempfehlung gegen Grippe, denn wir befürchten, dass wir im Winter eine starke Grippesaison erleben werden.“ Für den Rest der Bevölkerung gebe es keinen eindeutigen medizinischen Grund, sich noch mal gegen Corona impfen zu lassen.

März 2021:: Mit Ganzkörper-Schutzanzügen simulieren Laborantinnen der Firma Biontech in einem Reinraum am neuen Produktionsstandort in Marburg die finalen Arbeitsschritte zur Herstellung des Corona-Impfstoffes an einem Bioreaktor. 750 Millionen Dosen des COVID-19-Impfstoffs so die die Angaben damals, sollten in dem werk hergestellt werden.
März 2021:: Mit Ganzkörper-Schutzanzügen simulieren Laborantinnen der Firma Biontech in einem Reinraum am neuen Produktionsstandort in Marburg die finalen Arbeitsschritte zur Herstellung des Corona-Impfstoffes an einem Bioreaktor. 750 Millionen Dosen des COVID-19-Impfstoffs so die die Angaben damals, sollten in dem werk hergestellt werden. © dpa | Boris Roessler

Der Impfstoffhersteller Biontech hat einen neuen, angepassten Impfstoff entwickelt – und der hat nun auch die Zulassung erhalten. Hergestellt wird er in Deutschland maßgeblich kurz hinter der NRW-Grenze, im hessischen Marburg. In der Universitätsstadt hatte das mit dem amerikanischen Pharma-Riesen Pfizer verbundene Mainzer Unternehmen im Jahr 2021 eine neue Produktionsstätte eröffnet. Wie viel dort nun produziert wird?“ Das hängt davon ab, wie viel von den öffentlichen Stellen bestellt wird“, so eine Unternehmenssprecherin gegenüber der WESTFALENPOST. „Aber wir haben ja bewiesen, dass wir in der Lage sind, in kurzer Zeit größte Mengen zu produzieren.“

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Dass es wieder zu großen kommunalen Impfzentren kommen könnte, wird nicht erwartet. So sagt etwa Volker Schmidt, Fachbereichsleiter Gesundheit und Soziales beim Märkischen Kreis: „Es ist richtig, dass Corona-Impfungen, die ein wichtiges Mittel zum Schutz vor schweren Krankheitsverläufen sind, gänzlich in den Händen der niedergelassenen Ärzteschaft und Apotheken bleiben.“ Auch die NRW-Landesregierung rechnet damit, dass das Impfgeschehen „vollständig über die etablierten Strukturen abgewickelt werden kann“.

8. Plant das NRW-Gesundheitsministerium neue Einschränkungen?

Ein klares Nein aus Düsseldorf. Zum aktuellen Zeitpunkt gebe es keine Hinweise auf eine sich abzeichnende Coronawelle in Nordrhein-Westfalen im Winter. Laut des European Center for Disease Control (ECDC) sei es unwahrscheinlich, dass die Fallzahlen die früheren Spitzenwerte erreichten. „Dementsprechend liegen dem Ministerium zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise darauf vor, dass es erneut zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommen könnte“, so ein Sprecher auf Anfrage. „Zudem ist am 7. April 2023 der rechtliche Rahmen für die Corona-Schutzmaßnahmen im Infektionsschutzgesetz ausgelaufen. Das heißt: Einschränkungen sind aktuell nicht möglich.“