Sundern. Frida Schmuacher aus Sundern hat mit 13 Jahren einen Roman geschrieben: „Die Finsternisblumen“. Was das Besondere an ihr und ihrem Buch ist.

Die Reisen, die sie in ihren Gedanken unternimmt, können endlos sein. Schließlich ist in ihrer Fantasie alles möglich. Das Aufregende. Das Banale. Das Unvorstellbare. „Ich frage mich oft, wie es wäre, wenn man magische Kräfte hätte“, sagt Frida Schumacher, 13 Jahre alt, Achtklässlerin des Städtischen Gymnasiums Sundern im Hochsauerland. Dann könnte sie sich zu einem Frühstück auf Hawaii zaubern. „Oder einfach morgens von zu Hause in die Schule, um eine halbe Stunde länger schlafen zu können“, sagt sie und lacht.

Länger schlafen, aufs Handy schauen - und Bücher schreiben

Länger schlafen ist so eine Sache, die jungen Menschen wie ihr wichtig sind. Überhaupt ist Frida ein junger Mensch wie viele andere: Sie schaut öfter auf ihr Handy als die Eltern es mögen und wenn morgen eine Arbeit ansteht, dann kann ihr auch mal kurz vorher erst einfallen, was ihr dafür womöglich noch fehlt.

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Ungewöhnlich ist, dass Frida gerade ein Buch in den Händen hält. Einen Roman, fast 250 Seiten, hübsch gestaltet und gebunden. „Die Finsternisblumen“ heißt er und handelt von einem Mädchen namens Merle, das im magischen Reich von Teverat böse Mächte aufhalten muss, weil nur sie das kann. Mehr als zwei Jahre hat Frida daran geschrieben. Es ist diese Hartnäckigkeit, die so besonders ist.

Woher kommt Fridas Lust am Schreiben?

Die Lebenswirklichkeit vieler Eltern von Teenagern sieht ja manchmal doch etwas anders aus: Geduld bei der Erledigung von Aufgaben steht nicht zwingend auf der Prioritätenliste junger Menschen ganz weit oben. Lesen und Schreiben auch nicht unbedingt. Achtzeilige Hausaufgaben dürfen mitunter schon als erstaunlicher Erfolg gewertet werden. Woher kommt nun als Fridas Lust am Schreiben?

Erstmal: vom Lesen. „Ich finde es toll, dass man in andere Welten eintauchen kann und erleben kann, wie andere die Welt sehen“, sagt sie. Die Harry-Potter-Reihe hatte sie binnen weniger Wochen durchgelesen. Fantasy-Bücher mag sie am liebsten. Zwei, drei Bücher in der Woche konnten es gut und gern sein.

Mittlerweile hat sie ein digitales Lese-Gerät, weil die Mengen an Büchern den Platz im Zimmer überschreiten. Unendlichen Welten, aus denen ihre Eltern Frank (50) und Beate (51) ihr damals vorgelesen haben, ehe sie begann, ihren Eltern vorzulesen. „Schon in der ersten Klasse hat sie gesagt, dass sie einmal Buchautorin werden will“, erinnert sich die Mama.

Arbeitsgemeinschaft für begabte und interessierte Schüler

50 Exemplare ließ die Familie über eine Internetseite binden und drucken. Mama kennt die Finsternisblumen und ihre Geheimnisse, sie musste als Lektorin herhalten und für die ewige Frage: „Versteht man das?“. Papa liest das Buch gerade, andere Verwandte ebenfalls.

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In der sechsten Klasse begann Frida mit ihrem Buchprojekt. Raum und Zeit dafür lieferte eine Arbeitsgemeinschaft (AG) für begabte oder interessierte Schüler, die Lust haben, in ihrer Freizeit an eigenen Projekten zu arbeiten. Zwei Stunden in der Woche sind dafür vorgesehen. Dr. Malte Dürr, Lehrer für Deutsch, Geschichte und Religion, betreut die Kinder dort in seiner Freizeit, ohne jeden finanziellen oder zeitlichen Ausgleich, „weil ich Lust darauf habe“.

Themen: die Diadochenkriege, das Herz, das Universum

Weil er Kindern wie Frida Möglichkeiten zur Entfaltung bieten möchte. „Unser Schulsystem hält nur wenige Angebote für solche Schülerinnen und Schüler bereit“, sagt Dürr, der derzeit etwa 15 Kinder in seiner AG hat. Was die anderen so machen? Ein Projekt zum Thema Universum. Eines zum menschlichen Herz. Diadochenkriege. Geheimsprachen und Codes. Physiologische Aspekte des Träumens.

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„Frida hat eine wahnsinnig schnelle Auffassungsgabe, das merkt man sofort“, sagt Dürr und hebt hervor: „Dass sie sich über Jahre immer wieder drangesetzt hat und es nun fertig gemacht hat, ist das Außergewöhnliche daran“. In den meisten Fächern steht Frida auf Note 1, ohne dass sie sie sich dafür anstrengen müsste. Ihre Hausaufgaben werden auch mal mehrseitig.

Wegen der Corona-Pandemie die Motivation verloren

Doch wegen der Corona-Pandemie konnte die klassenübergreifende AG nach wenigen Wochen nicht mehr stattfinden. „In der Zeit habe ich die Motivation verloren“, sagt Frida, weil ihr auch das Ziel abhanden gekommen war: Die Ergebnisse der AG sollen in einer größeren Veranstaltung präsentiert werden.

Monate vergingen und es blieb in etwa bei den 50 Seiten, die sie zu Beginn verfasst hatte. Im vergangenen Jahr, mit der Wiederaufnahme der AG, setzte sie sich wieder häufiger an den Tisch – oder auf die heimische Couch. Netflix dabei angeschaltet. „Ich kann mich besser konzentrieren, wenn um mich herum Geräusche sind“, sagt Frida.

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Die ersten 50 Seiten las sie noch einmal und überarbeitete sie, was ein freundlicheres Wort ist für: löschte großflächig und schrieb neu. „Mein Ich aus der sechsten Klasse schrieb zu kindlich“, sagt sie heute. Zwischen den vergangenen Herbstferien und Weihnachten schrieb sie fast fiebrig vor sich hin. Die Anschläge trommelte sie so leidenschaftlich auf die Tastatur, sagt die Mama, dass es klang, als schreibe Frida auf einer alten Schreibmaschine. „Das große Finale“, sagt Frida, galt es zu bedichten. „Ich hatte unendlich viele Ideen für ein Ende, aber ich habe die beste gewählt.“

Kino im Kopf: Flügel, die überall hin tragen

Ein offenes Ende, sagt sie, das ihr alle Möglichkeiten für eine Fortsetzung lässt. Denn sie hat noch viele, viele, viele weitere Ideen, vielleicht sogar irgendwann für weitere Bücher. Kino im Kopf – und Frida als Regisseurin. Ideen mit Flügeln, die überall hin tragen. „Ich setze mich oft hin entwerfe in meinen Gedanken immer neue Geschichten.“ Wenn sie Zeit hat. Oder Langeweile. „Oder im Mathe-Unterricht“, sagt sie und hofft, dass die Lehrerin ihr den kleinen Spaß nachsieht.