Sundern. Malte Dürr aus Sundern ist Lehrer und Quizfan. Welche Neurose ihm zu diesem Hobby verhalf und wie er zum Dauergast in TV-Sendungen wurde.

In dieser Woche war Malte Dürr wieder im Fernsehen. Montagabend, ARD, „Gefragt, gejagt“ heißt die Sendung, die Alexander Bommes moderiert. Und Malte Dürr, Dr. Malte Dürr, war kaum zu überhören. Er schrie am Ende der Sendung seine Freude heraus, ballte die Fäuste und wischte sich über die Augen als hätte sich da vielleicht ein Tränchen angesammelt. 3500 Euro hatte er in diesem Moment in der Quizsendung gewonnen, aber darum, sagt er, ging es ja nicht. „Ich wollte zeigen, dass ich gut bin. Das ist mir in dieser Sendung endlich gelungen, deswegen entlädt sich das so.“

Zahlreiche Einladungen zu Quizshows in anderthalb Jahren

Der Gymnasiallehrer Malte Dürr, in Herdecke groß geworden, mittlerweile ins sauerländische Sundern gezogen, dürfte der in den vergangenen anderthalb Jahren meistgebuchte Fernseh-Quizkandidat sein. Erst erhielt er – allerdings als Ersatzmann – eine Einladung zur Samstagabendshow „Ich weiß alles“, dann war er im März 2020 bei Johannes B. Kerners „Quizchampion“ zu sehen und scheiterte an Ulrich Wickert. Bei „Das Quiz“ mit Jörg Pilawa war er ebenfalls schon, bevor „Gefragt, gejagt“ ihn einlud. Weitere Produktionen musste er aus Zeitgründen absagen. Dürr ist Mitglied im Deutschen Quizverein und hat ein Pub-Quiz in Neheim etabliert.

Sein ganzes Leben besteht offenbar aus Fragen, auf die er Antworten liefern will. Und die Frage, die sich aufdrängt: Ist Malte Dürr nun a) völlig unauffällig b) ein Besserwisser oder c) nicht ganz bei Trost? Vielleicht von allem ein bisschen. „Ich weiß schon, dass manche Leute glauben, ich hätte einen am Helm“, sagt der 35-Jährige und lacht. Er weiß ja, dass das eher ein Nerd-Hobby ist. Aber je mehr die Menschen dann über ihn und seine Leidenschaft fürs Quizzen erführen, desto nachvollziehbarer werde das alles für sie.

Ein Mann mit Vollständigkeitsneurose

Wenn Dürr über Dürr spricht, dann diagnostiziert er durchaus nicht ohne Freude eine Vollständigkeitsneurose und dann weiß man wie so oft nicht so genau bei ihm ob er das nun wieder ernst meint oder nicht. Als Kind, mit 13 oder 14, sagt er, sei es schon so gewesen, dass er gern die Erwachsenenpresse gelesen habe, Spiegel und Zeit zum Beispiel. „Wörter oder Zusammenhänge, die ich nicht verstanden habe, habe ich markiert und nachgeschlagen. Wenn ich etwas nicht weiß, dann kann ich das nicht einfach so stehen lassen.“

Zeitungen und Zeitschriften, sagt er, liest er noch heute am liebsten komplett. Wenn er sich eine DVD kauft, dann schaut er nicht nur den Film, sondern alles, was da noch so drauf ist, weil er sonst das Gefühl hätte, etwas zu verpassen, das ihn weiterbringen könnte. „Wenn man so lebt, sammelt man automatisch Wissen an“, sagt der junge Familienvater. Seit dem Abitur habe er sich für Quizsendungen beworben, weil er das Gefühl hatte, es besser zu können als die Kandidaten. Er erhielt lauter Absagen. Ende 2018 trat er in den Quizverein ein. Seitdem geht es Schlag auf Schlag.

Mit der ersten Fernseh-Antwort gleich in die O-Ton-Charts von Einslive

Dabei hing ihm die erste Antwort im Fernsehen etwas länger nach. „Gebranntes Kind scheut das...?“ Feuer wäre die richtige Antwort gewesen. Dürr sagte: „Huhn“. Weiß der Henker, warum er Huhn sagte. Das Publikum raunte, zurück an der Schule riefen die Schüler auf dem Flur hinter seinem Rücken „Huhn“ und bei den Einslive-O-Ton-Charts, einer wenig schmeichelhaften Rangliste verbaler Entgleisungen, schaffte er es auf Platz eins. „Ich habe die Leute aufgefordert für mich zu voten, denn wenn ich schon dabei bin, will ich auch gewinnen.“ Er kann darüber lachen, über sich vor allem. Andererseits ist es ihm ernst mit dieser Quizsache.

Jeden Monat finden an unterschiedlichen Standorten in ganz Deutschland Wettbewerbe statt: zehn Fragen zu zehn Kategorien. So kann man sich in der deutschen Rangliste nach oben schieben. Bei den NRW-Meisterschaften war er schonmal Vierter, bei den Deutschen Meisterschaften will er es bald mal unter die ersten 30 schaffen.

Ein bis zwei Stunden Gehirn-Training am Tag

Ein bis zwei Stunden Training absolviert er am Tag: Zeitungen und Bücher lesen, Dokumentationen gucken, Wikipedia querlesen. Musik ist eine Schwachstelle bei ihm. Er trägt ein dickes Buch bei sich: „1001 Alben“. Er wischt den Handybildschirm nach oben, öffnet eine App, startet einen Zufallsgenerator, der ihm die Zahl 557 auswirft. Er schlägt die Seite auf: Run DMC heißt die Band, die auf der Seite behandelt wird.

Das Album lädt er sich herunter, hört es beim Joggen, liest noch etwas über die Band. Alltag und Wissen miteinander verbunden, so mag er das. „Im amerikanischen und britischen Raum gibt es Quizzer, die Listen auswendig lernen“, sagt er. Oscar- und Nobelpreisträger, US-Präsidenten und Formel-1-Weltmeister. „Das würde mir keinen Spaß machen. Gegen die bin selbst ich völlig normal.“ Er lacht.

Fernseh-Erfahrung hilft, um wieder gebucht zu werden

Er hat private Quizrunden mit Freunden, in den letzten Stunden vor den Ferien macht er statt den Fernseher an lieber ein Quiz mit seinen Schülern. Das helfe ihm wiederum, Wissen anzusammeln. Und das mag er, weil er auch Antworten liefern können möchte, wenn seine Schüler ihn etwas fragen, egal zu was. Ob er ein Besserwisser ist? „Es ist nicht so, dass ich im Lehrerzimmer an den Kollegen vorbeigehe und mich in die Gespräche einmische.“

In den Bewerbungsbögen fragen die Castingagenturen von Quizsendungen auch, ob bereits TV-Erfahrung vorhanden ist. „Ich habe immer gedacht, das wäre ein Nachteil, wenn man da was reinschreibt“, sagt er. Scheint es aber nicht zu sein, denn diejenigen, die die Kandidaten auswählen, haben so schon ein klares Bild vom Kandidaten. „Sie wissen, was sie bekommen“, sagt Malte Dürr. Einen emotionalen Kandidaten, der viel weiß.

„Wenn du merkst, du kannst mit den Großen mithalten, dann willst du auch an denen kratzen, dann willst du auch nach ganz vorne“, sagt er. „Das ist ja wie bei anderen Hobbys auch: Beim Tennis und beim Fußball will man sich auch verbessern und so erfolgreich spielen, wie es geht.“ Ein paar Pokale gerade auf Landesebene würde er schon gern mitnehmen demnächst. Denn das ist ja auch das Gute an diesem etwas abseitigen Hobby: dass man es lange betreiben kann. „Zwischen 30 und 55 ist man auf dem Zenit seines Wissens. Jetzt fängt es also gerade erst an.“

<<< HINTERGRUND >>>

Malte Dürr, der in seiner Heimat Herdecke SPD-Ratsmitglied war, träumt von einem Auftritt in der Mutter aller Quizsendungen „Wer wird Millionär“ bei RTL.

Zudem wird er zukünftig einen offiziellen Quizstandort in Dortmund eröffnen, wo Quizfans an den vom Deutschen Quizverein ausgetragenen Wettbewerben teilnehmen können.