Hagen. Arbeitgeber der Region verfassen Offenen Brief: Kritik an bisherigem Fortschritt. „Folgen der Sperrung vergleichbar mit einer Naturkatastrophe.“

Die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) zu Hagen erhöht den Druck auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): In einem Offenen Brief fordert die SIHK-Vollversammlung noch eindringlicher als bisher einen beschleunigten Neubau der gesperrten Rahmedetalbrücke an der A 45 und zeigt sich enttäuscht über den bisherigen Fortschritt. Die rund 40 Unterzeichner des Offenen Briefes – u.a. Hans-Toni Junius (C.D. Wälzholz), Wolfgang Kirchhoff (Kirchhoff Automotive) und Rolf Bilstein (Ferdinand Bilstein) - repräsentieren mehr als 10.000 Arbeitsplätze in der Region.

Vorbild Genua spielt keine Rolle: SIHK ohne Verständnis

„Die bislang kommunizierten fünf Jahre für einen Neubau sind zu lang! Bei allem Verständnis für aktuelle gesetzliche Rahmenbedingungen: Über den von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen organisierten Austausch mit den Verantwortlichen des Neubaus in Genua liegen Ihnen - auch in einer übersetzten Zusammenfassung - die erforderlichen gesetzlichen Vorlagen vor, um einen entsprechenden Brückenneubau in deutlich kürzerer Zeit zu realisieren. Warum diese Vorlagen vom Gesetzgeber und den weiteren verantwortlichen Stellen bislang nicht aufgegriffen wurden, erschließt sich uns nicht“, heißt es in dem Schreiben.

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Die SIHK hatte bereits im Februar für einen Austausch mit den Verantwortlichen in Genua gesorgt, wo 2018 die Morandi-Brücke zusammenbrach, die zwei Jahre später neu gebaut war. Genuas Bürgermeister Marco Bucci wurde damals zum Sonderbeauftragten ernannt, der mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde. Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (SPD) war danach zum Bürgerbeauftragten ernannt worden – allerdings ohne größere Befugnisse. Er soll eher kommunikativ wirken. Das kritisiert die SIHK so offen wie bislang noch nicht.

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„Der im Nachgang zum Austausch mit Genua installierte Bürgerbeauftragte reicht nicht aus. Für den Brückenneubau fordern wir als regionale Wirtschaft vielmehr einen Sonderbeauftragten nach dem Vorbild von Genua mit weitreichenden Entscheidungskompetenzen, um eine echte Beschleunigung zu erreichen“, schreibt die SIHK an die beiden Politiker.

Ein von der SIHK beauftragtes Gutachten weist aus, dass jeden Tag ein Schaden von einer Million Euro durch die Sperrung der Brücke entsteht. „Je länger die Vollsperrung andauert, desto nachhaltiger wird die stärkste Industrieregion NRWs in ihrer Wettbewerbsfähigkeit fundamental geschwächt und ihrer Zukunftsperspektiven beraubt. Gastronomen, Touristiker, Händler und Dienstleister leiden unter Kundenrückgängen. Viele von ihnen werden die angekündigten fünf Jahre nicht überleben“, warnt die SIHK.

Fachkräfte gingen verloren, die Straßeninfrastruktur werde geschädigt und Anwohner an den Ausweichstrecken würden über ein erträgliches Maß hinaus belastet. „Je länger die Vollsperrung der A 45 bei Lüdenscheid dauert, desto mehr sind die Folgen vergleichbar mit den Folgen einer Naturkatastrophe. Wir befürchten einen massiven Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit des Staates, der in jeder Hinsicht verhindert werden sollte.“

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Sowohl Volker Wissing als auch Hendrik Wüst sind ausdrücklich von der SIHK eingeladen, „sich mit uns gemeinsam ein persönliches Bild der Lage vor Ort zu machen“, heißt es in dem Schreiben. Wüst hatte Lüdenscheid bereits einmal kurz besucht, Volker Wissing, der den Neubau zur Chefsache deklarierte, war noch gar nicht vor Ort. „Die bisher sichtbaren Bemühungen zum Brückenneubau reichen aus unserer Sicht nicht aus und die Region kann und wird sich nicht mit fünf Jahren zufrieden geben“, schreibt die SIHK.

Die Talbrücke Rahmede ist wegen Einsturzgefahr seit Dezember gesperrt: Wegen der zu hohen Verkehrsbelastung hat die 1968 erbaute Brücke irreparable Schäden davongetragen.