Hagen. Die Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid verursacht jeden Tag einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von mindestens einer Million Euro.
Die Sperrung der Autobahn 45 bei Lüdenscheid ist eine immense Belastung für die südwestfälische Wirtschaft. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Consult GmbH), die am Montag in Hagen vorgestellt wurde, sorgt erstmals für belastbare Zahlen. Demnach summieren sich die Kosten der Sperrung auf mindestens 1,8 Milliarden Euro in fünf Jahren. Das ist der Zeitraum, in dem die einsturzgefährdete Talbrücke Rahmede neu gebaut werden soll – zumindest wenn es optimal läuft. Macht pro Tag rund eine Million Euro Schaden. Die Studie im Auftrag des Verkehrsverbandes Westfalen legt Wert darauf, dass es sich dabei um eine konservative Rechnung handele. Heißt: Der tatsächliche Schaden dürfte deutlich höher liegen.
Gesperrte A 45 - Krombacher Brauerei: vier Millionen Euro Verlust
Konkretes Beispiel: die Krombacher Brauerei. Knapp die Hälfte der sechs Millionen Hektoliter, die in Kreuztal produziert werden, nehmen normalerweise den Weg in den Norden über die A 45 und zurück. Zeitverzögerungen und Umwege kosten Geld. 60.000 Lkw-Ladungen sind pro Jahr betroffen, wie das Unternehmen vorrechnet. Schaden pro Jahr: vier Millionen Euro.
Verzögerungskosene werden diese Art Kosten in der Studie genannt, die Unternehmen, aber auch Pendlern in den kommenden Jahren entstehen. 1,2 Milliarden Euro sind dies zusammen. Hinzu kommen noch Standortkosten in Höhe von mindestens 600 Millionen Euro. Damit sind die Kosten gemeint, die dazu führen, dass der Standort eines Unternehmen im Märkischen Kreis an Attraktivität verliert, dass dringend benötigte Fachkräfte einen Job nicht antreten oder Neuansiedlungen von Firmen nicht erfolgen können.
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„Die Folgen der Sperrung sind für die Wirtschaft katastrophal“, sagt Dr. Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) zu Hagen: „Diese 1,8 Milliarden Euro stehen in Wahrheit für Arbeitsplätze, für dringend benötigte Investitionen in die Zukunft, in Digitalisierung.“ Und zwar in einer Region, die ohnehin schon vor großen demografischen Herausforderungen stehe.
Das Risiko, dass die drittstärkste Industrieregion Deutschlands mit international operierenden Firmen ihre besten Kräfte und klügsten Köpfe verliere, dass Investitionen ausblieben und die Region Gefahr laufe, abgehängt zu werden, dürfe nicht unterschätzt werden. „Fünf Jahre sind deshalb zu viel“, sagt Geruschkat. „Jeder Tag Brückensperrung raubt der gesamten Wirtschaftsregion Wachstumsperspektiven.“
SIHK wünscht sich weiterhin Sonderbeauftragten wie in Genua
Die SIHK fordert deswegen eine Senkung der Gewerbesteuer, für die die Kommunen zuständig sind. Sie wünscht sich die Ernennung eines Sonderbeauftragten für den Neubau der Brücke nach dem Vorbild Genua, wo 2018 eine Autobahnbrücke einstürzte, die zwei Jahre später wieder stand. Der Bürgermeister in Genua erhielt damals weitreichende Kompetenzen, um Planungs- und Genehmigungsprozesse abzukürzen. „Es geht um eine maßgebliche Parallelisierung von Prozessen, da es sich ja auch um ein Flächenproblem handelt. Die Brücken im Land sind überaltert, überlastet und sanierungsbedürftig.“
Marc Simon ist Vorsitzender des Verkehrsverbandes Westfalen und Chef des Stahllogistikers „Cosi“ in Hagen-Hohenlimburg. „Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zeigen eines unmissverständlich: Die Wirtschaft trocknet kontinuierlich aus, wenn die unverzichtbare Lebensader A 45 abgeschnitten wird.“ Seine Fahrer sind frustriert, sagt er, weil sie ständig im Stau stehen und es keine Aussicht auf Besserung gibt. Simon wünscht sich im Namen vieler Unternehmen vor allem eines: Verbindlichkeit.
Unternehmer enttäuscht: Kein konkreter Zeitplan bisher
„Für uns wäre wichtig, einen Planungshorizont zu haben“, sagt Simon. Seit dem 2. Dezember 2021 ist die Rahmedetalbrücke gesperrt – und noch immer gibt es mehr Fragen als Antworten. Ob noch in diesem Jahr gesprengt werden kann, ist die derzeit vermutlich drängendste. „Es gibt nach fast vier Monaten keinen konkreten Fahrplan, um Kunden zu informieren.“
Diese Ungewissheit und fehlende Verlässlichkeit prangert auch Geruschkat an: „Es wird Zeit, einen zeitlichen Horizont genannt zu bekommen, damit die Wirtschaft und die Menschen sich darauf einstellen können. Wenn man das Ziel vor Augen hat, weckt das Extra-Kräfte.“
<<< HINTERGRUND >>>
- Die Studie bedient sich ausschließlich öffentlicher Daten. Zählstellen gaben Informationen über die Ausweichverkehre, jede Umleitung wurde mit einer Zeit aus Live-Verkehrsdaten versehen. Im Bundesverkehrswegeplan sind die Kosten geschätzt, die dem Pendler auf dem Weg zur Arbeit und dem Lkw-Fahrer auf dem Weg zum Ziel entstehen.
- Die Standortkosten sind für Unternehmen im gesamten Märkischen Kreis erhoben worden, nicht aber darüber hinaus. Auch zusätzliche Kosten, die derzeit zum Beispiel durch steigende Benzinpreise entstehen, sind ebenso wenig erfasst wie die Kosten, die zeitnah durch nötige Instandsetzung von Straßen rund um Lüdenscheid entstehen.