Lüdenscheid/Berlin. Nach dem Vorbild Genua wird es einen zentralen Ansprechpartner rund um den Neubau Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid geben. So soll er arbeiten.
Am Ende ging es auch um Wörter: Warum der Bürgerbeauftragte denn nicht Sonderbeauftragter heiße, so wie in Genua, wollte diese Zeitung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing bei der Pressekonferenz zur Autobahn 45 wissen. „Es heißt ja auch Bürgermeister und nicht Sondermeister“, antwortete der FDP-Politiker. Das war zwar ein bisschen lustig, missachtete aber den ernsten Hintergrund der Frage. Denn in Italien erhielt der Brücken-Boss weitreichende Kompetenzen. Er war für Bürgeranfragen zuständig, aber eben nicht nur. Auch deshalb gelang der Neubau der eingestürzten Morandi-Brücke in Rekordzeit.
Lüdenscheids Bürgermeister erhält Personal und Zugang zum Minister
Nun soll es also Sebastian Wagemeyer (SPD) richten. Der Lüdenscheider Bürgermeister wird auch Bürgerbeauftragter. Mit Büro, extra Personal und einem direkten Zugang zum Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, bei Bedarf sogar zum Minister selbst.
Der erklärte das Projekt Talbrücke Rahmede zur „Chefsache“. Das habe er übrigens schon im Dezember getan, sagte Wissing gestern.
Nun prüfe sein Ministerium, wie man den Neubau der Brücke beschleunigen könne. Man prüfe auch, wie der Bund Lärmschutzmaßnahmen an den arg strapazierten Umleitungsstrecken finanzieren könne. Das sei bisher rechtlich nicht möglich. Und man prüfe, ob Gesetzesänderungen nötig seien. Wenn ja, „dann werden wir das tun“, sagte Wissing.
Wagemeyer: „Es gilt, sich nicht wegzuducken“
Politiker aus der Region, sogar von der Opposition, und die Wirtschaft begrüßten die Personalie. Es sei ein „sehr gutes und wichtiges Zeichen“, dass das Verkehrsministerium „neue Wege geht“, sagte Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK). Der Beauftragte müsse jedoch nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Wirtschaft zentraler Ansprechpartner sein, ergänzte SIHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat. „Dieses Problem lässt sich nicht mit den normalen Prozesswegen lösen“, sagte er dieser Zeitung. Das habe auch der Minister deutlich gemacht.
+++ Besondere Lage: Auf sein Grundstück fällt die Talbrücke Rahmede +++
Wagemeyer erfuhr erst am Vorabend in einem Gespräch von den Plänen – und entschied sofort. „Die Umstände sind nun mal so, dass man sich nicht groß Bedenkzeit erbitten kann. Wir sind in Lüdenscheid sehr konkret betroffen und da gilt es, sich nicht wegzuducken“, sagt Wagemeyer. Ein großer Teil der Kommunikation gehe jetzt schon über seinen Tisch, daher sei es nur klug, das mit personellen und finanziellen Mitteln zu professionalisieren. Unterschiedliche Interessen zusammenzuführen, das könne er. „Den Bau einer Brücke würde ich lieber den Experten überlassen.“ Er sei, anders als es beim Vorbild in Genua war, nicht der Leiter des Gesamtprojektes. Deswegen: Bürger-, nicht Sonderbeauftragter.
Bei Sprengung: Häuser im Radius von 300 Metern betroffen
Einen konkreten Zeitplan für den Neubau der Brücke konnte Minister Wissing gestern noch nicht präsentieren; dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten. So solle etwa versucht werden, das zeitaufwendige Planfeststellungsverfahren zu vermeiden. Es sei aber noch nicht klar, ob das rechtlich möglich sei.
Die ersten Maßnahmen für die Sprengung seien aber bereits veranlasst. Die rund 70 Meter hohe Brücke dem Erdboden gleichzumachen, sei „nicht trivial“. Elfriede Sauerwein-Braksiek, Chefin der Autobahn GmbH Westfalen, erläuterte, dass vor der Sprengung Gebäude in einem Radius von 300 Metern rund um die Brücke unter die Lupe genommen würden.
Das ist die A45-Talbrücke Rahmede
Derweil forderte gestern ein breites Bündnis aus dem Märkischen Kreis in einem Schreiben an die Landesregierung „Unterstützung für den Wirtschaftsstandort und Lebensraum sowie größtmögliche Rückendeckung auf allen Ebenen“. Zu den Unterzeichnern zählen der Landrat, die Bürgermeister, Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie Vertreter der Kammern und Verbände. Das Land müsse sich vor allem um das nachgelagerte Straßennetz, den Schienenverkehr und den Öffentlichen Personen-Nahverkehr sowie um Unterstützung für Wirtschaft, Anwohner und weitere Betroffene kümmern.
Grüne fordern „Marshallplan“
Die Grünen im Regionalrat, der über Aufgaben in der Regionalentwicklung entscheidet, fordern einen „Marshallplan“ zur Sanierung der Verkehrsinfrastruktur. „Seit vielen Jahren wird immer wieder diskutiert, dass die Konstruktionstechnik aus den 60er-Jahren schon längst nicht mehr den Anforderungen an das Verkehrsaufkommen entspricht, ohne dass vorbeugende Maßnahmen für den Risikofall ergriffen worden wären“, sagte Fraktionssprecherin Ulrike Burkert.
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Langfristig sollten die Weichen für die Verkehrswende in der Region gestellt werden. Nötig seien neue Logistikkonzepte, um mehr Fracht auf die Schiene zu bringen, und neue Mobilitätskonzepte, um den Menschen attraktive Alternativen zum Auto zu bieten. Im Koalitionsvertrag sei festgelegt, dass bedeutsame Infrastrukturmaßnahmen wie die Sanierung oder der Neubau kritischer Brücken im Wege zulässiger und unionsrechtskonformer Legalplanung beschleunigt werden könnten. Viele Planungsprozesse könnten parallel ablaufen. Die Aussetzung einer rechtssicheren Umweltprüfung könne „zu unkalkulierbaren Verzögerungsrisiken durch Klagen führen“.
Minister Wissing kündigte an, demnächst zu einem „Brückengipfel“ einzuladen – weil die Talbrücke Rahmede Rückschlüsse für das Vorgehen bei weiteren sanierungsbedürftigen Brücken ermögliche.
Und davon gibt es ja eine Menge. Nicht nur im Sauerland.