Hagen. Die Ermittlungen, die in Hagen begannen, haben jetzt zu einem weitreichenden Verbot der Bandidos geführt. Auch in Menden, Siegen, Unna und Soest.

Dass das Bundesinnenministerium in Berlin ganz explizit auf ein Verfahren am weit entfernten Landgericht Hagen hinweist, hat seinen Grund: Denn in der 190.000-Einwohner-Stadt zwischen Sauerland und Ruhrgebiet haben die Ermittlungen begonnen, die ganz offensichtlich dazu geführt haben, dass die Bandidos, eine der mächtigsten Rocker-Organisationen der Republik, jetzt weitgehend verboten worden sind.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Morgen das Verbot des Vereins „BMC Federation Central West“ und seiner Teilorganisationen bekannt gemacht. Eine Folge der Durchsuchungen in fünf Bundesländern am 1. Juli. Was bedeutet das nun konkret?

Wer ist von dem Verbot betroffen?

Betroffen ist nicht nur die Quasi-Dachorganisation „Federation Central West“, sondern auch all die einzelnen Chapter, die es vor allem in Nordrhein-Westfalen gibt, aber auch hoch bis nach Aurich und runter bis nach Bingen. Die Chapter Menden, Siegen und Unna sind nun verboten, genauso wie Anwärter-Chapter in Soest. Die Gruppe in Hagen war schon im April verboten worden. Vollständig aufgelistet geht es um diese Chapter: BMC Aurich“, „BMC Bingen“, „BMC Bochum Centro“, „BMC Castrop-Rauxel Miners Ci-ty“, „BMC Cologne“, „BMC Dinslaken Riverside“, „BMC Dortmund Iron City“, „BMC Dortmund Metropol“, „BMC Duisburg Sin City“, „BMC Duisburg North“, „BMC Erftstadt“, „BMC Essen Ruhr City Gang“, „BMC Essen North“, „BMC Essen East“, „BMC Gelsenkirchen Central“, „BMC Hamm Rail City“, „BMC Herne East Midwest“, „BMC Ibbenbüren Coal City“, „BMC Issum Westside Crew Hangaround“, „BMC Kamen Black City“, „BMC Kassel“, „BMC Leverkusen Probationary“, „BMC Menden“, „BMC Münster“, „BMC Münster South“, „BMC Neuwied“, „BMC Osnabrück“, „BMC Paderborn Crew Hangaround“, „BMC Recklinghausen Northwest“, „BMC Schüttorf Probationary“, „BMC Siegen“, „BMC Soest Prospect“, „BMC Unna Northwest“, „BMC Wesel“, „BMC West Area“, „BMC Xanten“, „BMC Athen“ und „BMC Thessaloniki“.

Was bedeut das Verbot konkret?

Das Vermögen der Dachorganisation und der einzelnen Chapter wird beschlagnahmt. Kennzeichen der Bandidos dürfen nicht mehr verbreitet, veröffentlicht oder in einer Versammlung verwendet werden. Jede Tätigkeit ist untersagt. Und: Es ist verboten, Ersatzorganisationen zu gründen. Damit hatte zuletzt unter anderem das Bandidos-Chapter Hagen versucht, einem Verbot zu entgehen: Man hatte das Chapter Hagen aufgelöst, stattdessen gab es auf einmal das Chapter Hohenlimburg/Witten. Das werteten die Ermittler aber als Ersatzorganisation.

Wie ist es zu dem Verbot gekommen?

Als am 1. Juli fast 1800 Beamte gleichzeitig in fünf Bundesländern unterwegs warten, um gegen die umstrittene Rockergruppe Bandidos vorzugehen, da war schon die Frage: Hat diese Aktion mit bundesweiten Auswirkungen ihren Ursprung in Hagen? Jetzt kann man mit einiger Sicherheit sagen: Ja. Das Bundesinnenministerium sagt, dass es unter wechselseitiger Beteiligung auch der Führungs-Mitglieder des Vereins in der Vergangenheit zu einer Vielzahl - teilweise - schwerster Straftaten, wie schweren Körperverletzungs- und versuchten sowie vollendeten Tötungsdelikten gekommen sei.

Und verweist ausdrücklich, darauf, dass am Landgericht Hagen aktuell ein Prozess wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Führungsmitglieder des „BMC Federation West Central“ und ein weiteres gegen Führungsmitglieder des bereits verbotenen Chapters BMC Hagen, also der Vorgängerorganisation des „BMC Hohenlimburg/Witten", läuft. Der wiederum ist das Ergebnis minuziöser Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft in Hagen nach dem so genannten Hagener Rockerkrieg zwischen Bandidos und Freeway Riders um die Vorherrschaft in der Volmestadt.

Dieser zunächst lokal begrenzt erscheinende Konflikt hatte die Ermittler bei ihrer Arbeit immer tiefer in die Strukturen der Rockergruppe blicken lassen. Es gab schon mehrere Prozesse und erst im April war das Bandidos-Chapter Hohenlimburg/Witten, das als Nachfolgeorganisation des Hagener Chapters galt, verboten worden.

Und das Bundesinnenministerium übernimmt auch explizit die Argumentation der Staatsanwaltschaft Hagen aus der Anklage: Die Abzeichen („Patches“) auf den Kutten seien quasi Auszeichnungen für Straftaten.

Wie läuft der Prozess in Hagen?

In dem Prozess in Hagen sitzen mit Peter M. und Leslav H. derzeit die beiden wahrscheinlich führenden Bandidos der Republik vor dem Landgericht. Sie haben es sogar schon zur Buch-Autorenschaft gebracht: „Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten“, heißt ihr Werk. Mit weiteren Rockern müssen sie sich wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verantworten, ein Teil sogar wegen versuchten Mordes.

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Denn es geht unter anderem um Schüsse, die in Köln auf einen Treffpunkt der verfeindeten Hells Angels abgegeben wurden. Mutmaßlich durch Bandidos - und nach Ansicht der Anklage auf Geheiß der Bandidos-Führungsebene. Der Prozess zieht sich seit Monaten. Beobachter vermuten, dass er schon beendet sein könnte, wenn die Hagener Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung fallen ließe. Doch das tut sie nicht. Aus Ermittlerkreisen ist zu hören, dass man sehr zuversichtlich sei, dass man mit der Anklage erfolgreich sein werde.

Ein weiter Grund für das Verbot dürfte aber auch der Mord an einem Freeway-Riders-Mitglied in Gelsenkirchen, für den Bandidos-Mitglieder inzwischen verurteilt sind.

Gibt es die Bandidos-Dachorganisation überhaupt noch?

Die Bandidos selbst hatten zuletzt behauptet, dass es die Dachorganisation „Bandidos MC Federation West Central“ gar nicht mehr gebe. Die habe sich aufgelöst, nachdem im April das Hagener Chapter Hohenlimburg/Witten verboten worden war. Wohl alles nur eine Finte: Die Ermittlungen belegten eine Fortexistenz des Vereins, sodass das Verbot des Vereins habe vollzogen werden können, so das Bundesinnenministerium.

Reinhard Peters, Anwalt aus Bochum, der immer wieder Bandidos vertritt, hatte nach den Durchsuchungen am 1. Juli gegenüber der WESTFALENPOST gesagt: „Wir haben damit gerechnet, dass dieser Schritt kommt.“ Er ist sich aber sicher, dass die staatlichen Stellen damit letztlich keinen Erfolg haben werden: „Einen Verein, der gar nicht mehr existiert, den kann man nicht verbieten.“ Er hatte damals auch gesagt, dass es bei einem Verbot der Dachorganisation nicht automatisch zu einem Verbot der örtlichen Bandidos-Chapter kommen könne. „Wir sagen nein“, so Reinhard Peter. „Aber ob das andere auch so sehen? Am Ende werden wohl die Bundesgerichte entscheiden.“

>> HINTERGRUND: So viele Rocker gibt es in NRW

  • Laut Landeskriminialamt sind die Rocker-Gruppierungen, die den „Outlaw Motorcycle Clubs“ (OMC’s) zugeordnet werden, in Nordrhein-Westfalen so stark:
  • 1. Bandidos MC: 28 Chapter. ca. 740 Mitglieder
  • 2. Freeway Rider´s MC: 30 Chapter, ca. 430 Mitglieder
  • 3. Gremium MC: 7 Chapter, ca. 270 Mitglieder
  • 4. Hells Angels MC: 20 Charter, ca. 270 Mitglieder
  • 5. Outlaws MC: 3 Chapter, ca. 60 Mitglieder
  • 6. Brothers MC: 5 Chapter ca. 70 Mitglieder