Hagen/Sauerland. Wie haben die Menschen in Hagen oder im Sauerland vor 75 Jahren den 8. Mai erlebt? Tatsächlich als Ende des 2. Weltkriegs? Daran gibt es Zweifel.

Er steht in den Kalendern, er steht in den Geschichtsbüchern: Der 8. Mai 1945 ist der Tag des Kriegsendes, der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Doch wie haben ihn die Menschen hier in unserer Region erlebt? Wann war für sie der Krieg tatsächlich zu Ende?

„Es gibt Tagebucheinträge aus dieser Zeit, in denen der 8. Mai und das Kriegsende erwähnt werden. Aber eher nebenbei, dann geht es schnell um ein anderes Thema“, weiß Dr. Ralf Blank, Historiker und Museums- und Archivleiter bei der Stadt Hagen, der als ausgewiesener Kenner des Zweiten Weltkriegs in unserer Region gilt. Die Menschen hätten diesen Tag sicherlich wahrgenommen, aber nicht so, wie wir das heute tun, als Zäsur, als Beginn eines neuen Zeitalters. „Die oft zitierte Stunde Null gab es ohnehin nicht“, sagt Blank. „Da ist sich die Geschichtswissenschaft weitgehend einig.“

Hinter den Menschen liegen Monate des Bombenkriegs

Wie also können die Menschen diese Tage erlebt haben? Der eigentliche Krieg mit den massiven Kampfhandlungen ist am 8. Mai für die Bevölkerung schon vorbei. Schlimme Monate liegen hinter ihnen. Im Kampf um das Ruhrgebiet fliegen die Alliierten ununterbrochen Einsätze gegen Eisenbahnanlagen, Brücken, Verkehrsbewegungen, Kasernen und Fabriken, unter anderem auf Hagen, Meschede, Arnsberg, Iserlohn und Olpe. 5, 7 und 10 Tonnen schwere „Erdbebenbomben“ verwandeln die Umgebung des Ruhrtal-Eisenbahnviaduktes bei Arnsberg in eine Mondlandschaft, auf Hagen fallen mehr als 4500 Tonnen Spreng- und Brandbomben.

75 Jahre Kriegsende in der Region

Am 29. April 1945 werden im Sauerland bei Plettenberg immer wieder deutsche Soldaten gefasst, die sich aus dem Gebiet des früheren „Ruhrkessels“ absetzen und der Kriegsgefangenschaft entziehen wollen. Vor allem Jugendliche werden genau überprüft, denn die Befürchtungen vor dem „Werwolf“ war bei den US-Truppen allgegenwärtig. Die Fotos zeigen deutsche Soldaten, die bei Plettenberg durch die “Intelligence Section” der 75. US-Infantry Division in Zivilkleidung und Uniform aufgegriffen, überprüft und einem provisorischen Gefangenenlager zugeführt werden. 
Am 29. April 1945 werden im Sauerland bei Plettenberg immer wieder deutsche Soldaten gefasst, die sich aus dem Gebiet des früheren „Ruhrkessels“ absetzen und der Kriegsgefangenschaft entziehen wollen. Vor allem Jugendliche werden genau überprüft, denn die Befürchtungen vor dem „Werwolf“ war bei den US-Truppen allgegenwärtig. Die Fotos zeigen deutsche Soldaten, die bei Plettenberg durch die “Intelligence Section” der 75. US-Infantry Division in Zivilkleidung und Uniform aufgegriffen, überprüft und einem provisorischen Gefangenenlager zugeführt werden.  © Stadtarchiv Hagen | Cpl Joseph Karr, US-Signal Corps
Blick zu Ostern 1947 über die zerstörte Hagener Innenstadt mit den Ruinen der Marien- und Johanniskirche. Ein Foto von Otto Fernholz auf Agfa-Color-Diafilm.
Blick zu Ostern 1947 über die zerstörte Hagener Innenstadt mit den Ruinen der Marien- und Johanniskirche. Ein Foto von Otto Fernholz auf Agfa-Color-Diafilm. © Stadtarchiv Hagen | Otto Fernholz
Der Krieg ist aus! In Milspe zerschlägt ein deutscher Soldat am 14. April 1945 seine Waffe.
Der Krieg ist aus! In Milspe zerschlägt ein deutscher Soldat am 14. April 1945 seine Waffe. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
HJ-Führer bilden bei der Jugendherberge in Hohenlimburg im März 1945 Jugendliche an der Panzerfaust aus. Sie sollen gegen die hochgerüsteten Alliierten kämpfen.
HJ-Führer bilden bei der Jugendherberge in Hohenlimburg im März 1945 Jugendliche an der Panzerfaust aus. Sie sollen gegen die hochgerüsteten Alliierten kämpfen. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
 Blick aus einer tieffliegenden US-Maschine am 12. Mai 1945 in das Ruhrtal bei Arnsberg. Die Umgebung des Ruhrviadukts sieht nach dem Abwurf von zahlreichen Bomben wie eine Mondlandschaft aus.
 Blick aus einer tieffliegenden US-Maschine am 12. Mai 1945 in das Ruhrtal bei Arnsberg. Die Umgebung des Ruhrviadukts sieht nach dem Abwurf von zahlreichen Bomben wie eine Mondlandschaft aus. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Als Reichsverteidigungskommissar versuchte der südwestfälische Gauleiter Albert Hoffmann (1907-1972, Bildmitte) von seiner Befehlsstelle auf dem Harkortberg bei Wetter/Ruhr den Widerstand gegen die anrückenden US-Truppen zu organisieren. Doch schon am 13. April 1945 ergriff er die Flucht in vorbereitete Verstecke, ließ noch mehrere Ruhrbrücken sprengen und löste die NSDAP in seinem Gau auf.
Als Reichsverteidigungskommissar versuchte der südwestfälische Gauleiter Albert Hoffmann (1907-1972, Bildmitte) von seiner Befehlsstelle auf dem Harkortberg bei Wetter/Ruhr den Widerstand gegen die anrückenden US-Truppen zu organisieren. Doch schon am 13. April 1945 ergriff er die Flucht in vorbereitete Verstecke, ließ noch mehrere Ruhrbrücken sprengen und löste die NSDAP in seinem Gau auf. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Zerstörungen in der Akkumulatoren Fabrik AG in Hagen, fotografiert am 8. Mai 1945 durch Cpl Joseph Karr, US-Signal Corps. Die Fabrik war das Zentrum der Batterie-Forschung im Reich und einer der Hauptlieferanten für U-Boot- und Torpedobatterien sowie von Bordbatterien für die Fernrakete
Zerstörungen in der Akkumulatoren Fabrik AG in Hagen, fotografiert am 8. Mai 1945 durch Cpl Joseph Karr, US-Signal Corps. Die Fabrik war das Zentrum der Batterie-Forschung im Reich und einer der Hauptlieferanten für U-Boot- und Torpedobatterien sowie von Bordbatterien für die Fernrakete "V2". © Stadtarchiv Hagen | Cpl Joseph Karr, US-Signal Corps
"Victory Day" am 8. Mai 1945 im befreiten Stalag VI in Hemer. Im April 1945 fanden die US-Truppen dort tausende Tote und unbeschreibliches Leid unter den meist sowjetischen Kriegsgefangenen vor.  © Stadtarchiv Hagen | Cpl Joseph Karr, US-Signal Corp
Katholischer Feldgottesdienst für im „Ruhrkessel“ in Kriegsgefangenschaft geratene deutsche Soldaten am 8. Mai 1945 in einem provisorischen Sammellager der 75. US-Infantry Division bei Plettenberg. Fotografie von Cpl. Joseph Karr, US-Army Signal Corps.
Katholischer Feldgottesdienst für im „Ruhrkessel“ in Kriegsgefangenschaft geratene deutsche Soldaten am 8. Mai 1945 in einem provisorischen Sammellager der 75. US-Infantry Division bei Plettenberg. Fotografie von Cpl. Joseph Karr, US-Army Signal Corps. © Stadtarchiv Hagen | Cpl. Joseph Karr, US-Army Signal Corps
Buch Ralf Blank Hagen 15. März 1945 Zerstörte Stadt, Besetzung und Kriegsverbrechen. Bombenangriff / 2. Weltkrieg
Buch Ralf Blank Hagen 15. März 1945 Zerstörte Stadt, Besetzung und Kriegsverbrechen. Bombenangriff / 2. Weltkrieg © Historisches Centrum Hagen | Stadtarchiv Hagen
Buch Ralf Blank Hagen 15. März 1945 Zerstörte Stadt, Besetzung und Kriegsverbrechen. Bombenangriff / 2. Weltkrieg
Buch Ralf Blank Hagen 15. März 1945 Zerstörte Stadt, Besetzung und Kriegsverbrechen. Bombenangriff / 2. Weltkrieg © Historisches Centrum Hagen | Stadtarchiv Hagen
Am Ende des Zweiten Weltkriegs brauchten viele eine neue Wohnung, da durch Artilleriebeschuss Häuser (dieses  stand in Herdecke, das Stadtarchiv Hagen kann keine Angaben zur genauen Datierung und Örtlichkeit machen) zerstört waren
Am Ende des Zweiten Weltkriegs brauchten viele eine neue Wohnung, da durch Artilleriebeschuss Häuser (dieses  stand in Herdecke, das Stadtarchiv Hagen kann keine Angaben zur genauen Datierung und Örtlichkeit machen) zerstört waren © WP | Stadtarchiv Hagen
2. großer Bombenangriff auf Hagen am 2. Dezember 1944 / Luftangriff / PL-43469 Eine
2. großer Bombenangriff auf Hagen am 2. Dezember 1944 / Luftangriff / PL-43469 Eine "Halifax" der 6 Royal Canadian Air Force im Herbst 1944. Dieser Flugzeugtyp stellte mit mehr als 390 Bombern beim Luftangriff auf Hagen am 2. Dezember 1944 den Hauptanteil unter den 504 eingesetzten Maschinen. (National Archives, Ottawa) © Satdtarchiv | Stadtarchiv Hagen
2. großer Bombenangriff auf Hagen am 2. Dezember 1944 / Luftangriff / Johanniskirche
2. großer Bombenangriff auf Hagen am 2. Dezember 1944 / Luftangriff / Johanniskirche © Satdtarchiv | Stadtarchiv Hagen
Nach dem deutschen Angriff im Westen am 10. Mai 1940 informieren sich Hagener am Redaktionsgebäude der Westfälischen Landeszeitung
Nach dem deutschen Angriff im Westen am 10. Mai 1940 informieren sich Hagener am Redaktionsgebäude der Westfälischen Landeszeitung "Rote Erde" in der Körnerstraße. Fotografie von Willy Lehmacher (Stadtarchiv Hagen) © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Beim ersten Bombenangriff am 1. Oktober 1943 werden weite Teile der Hagener Innenstadt rund um Mittelstraße und Elberfelder Straße zerstört, Zweiter Weltkrieg, Bombe, Flieger, Angriff,image description
Beim ersten Bombenangriff am 1. Oktober 1943 werden weite Teile der Hagener Innenstadt rund um Mittelstraße und Elberfelder Straße zerstört, Zweiter Weltkrieg, Bombe, Flieger, Angriff,image description © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
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Aus dem ursprünglichen „Ruhrkessel“ ist nach dessen Aufspaltung durch die Alliierten die „Raumfestung Ruhr-Sauerland“ geworden. Die wird aber rasch von zwei Seiten in die Zange genommen. Noch in den letzten Kriegstagen verfrachtet man Jugendliche aus dem Sauerland nach Hohenlimburg, um sie an der Panzerfaust auszubilden. Die meisten Gemeinden und Städte in Südwestfalen werden einfach überrollt. Andere wie Meschede, Hagen und Hohenlimburg kämpfen bis zuletzt. Blank: „Das kam immer darauf an, wer das Kommando führte.“

Vielleicht Erleichterung, aber kein Gefühl der Befreiung

„Mopping up the Ruhr“, so nennen die Amerikaner, die mit mehr Widerstand gerechnet hatten, die Einnahme Südwestfalens, „die Ruhr aufwischen.“ Ab dem 17. April 1945 hat es sich ausgekämpft, in der Region endet de facto der Krieg. „Die überlebenden deutschen Soldaten, die sich aus dem Kessel ‘rausschlagen wollten, wurden bis Anfang Mai in den Wäldern aufgegriffen und unter anderem zu einer Sammelstelle nach Plettenberg gebracht“, so Blank.

 Blick aus einer tieffliegenden US-Maschine am 12. Mai 1945 in das Ruhrtal bei Arnsberg. Die Umgebung des Ruhrviadukts sieht nach dem Abwurf von zahlreichen Bomben wie eine Mondlandschaft aus.
 Blick aus einer tieffliegenden US-Maschine am 12. Mai 1945 in das Ruhrtal bei Arnsberg. Die Umgebung des Ruhrviadukts sieht nach dem Abwurf von zahlreichen Bomben wie eine Mondlandschaft aus. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen

Es sind zunächst die US-amerikanischen Truppen, die Südwestfalen besetzen, die Briten übernehmen erst im Juni das Kommando, die Region wird zum Bestandteil ihrer Besatzungszone. „Am 8. Mai 1945 nehmen viele Menschen wahr, dass es Siegesfeiern der Amerikaner gibt, aber hier durften sie natürlich nicht mitfeiern – selbst, wenn sie gewollt hätten“, sagt Blank. Die Empfindungen der Menschen seien sicherlich unterschiedlich gewesen, je nach ihrer Lebenssituation. „Bei der Masse der Menschen, die sich mit dem NS-Regime arrangiert hatten, dürfte sich durchaus ein Gefühl der Erleichterung eingestellt haben, weil die Kämpfe und Luftangriffe ein Ende hatten. Aber sicherlich keine Freude oder ein Gefühl der Befreiung.“

Alte Nazis werden zum Teil von Alliierten übernommen

Bei anderen habe dies ganz anders ausgesehen: „Etwa bei Kriegsgefangenen, bei Zwangsarbeitern, bei überzeugten Kommunisten oder Sozialdemokraten“, sagt Dr. Ralf Blank. „Für sie war der 8. Mai natürlich ein Tag der Befreiung. Und auch für viele andere Menschen, die nicht in das Idealbild der Nazis passten. Man muss sich ja vor Augen führen, dass es schon gereicht hatte, eine krumme Nase zu haben, um vor dem Erbgesundheitsgericht zu landen.“

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Den 8. Mai 1945 konnten die Menschen in dieser Zeit aber wohl auch nicht als Zäsur erkennen, weil es Kontinuitäten gab. Alte Eliten wurden zum Teil auch von den Alliierten übernommen. So gab es etwa in Hagen den Fall von Dr. Werner Dönneweg. Der Hagener Stadtrat und Kulturdezernent war nach der Machtübernahme noch schnell in die NSDAP eingetreten. 1933/34 diente er dem von den Nazis installierten Oberbürgermeister Heinrich Vetter, einem grobschlächtigen, überzeugten Nationalsozialisten, für ein Jahr als eigentlicher Verwaltungschef. Nach dem Einmarsch in Hagen am 15. April 1945 wurde Dönneweg von den Amerikanern zum Oberbürgermeister ernannt. „Er wurde dann aber schon am 18. Mai wieder entlassen, weil er als belastet galt und auch die demokratischen Kräfte in Hagen gegen seine Einsetzung Widerspruch eingelegt hatten“, sagt Dr. Ralf Blank. Dennoch: in Hagen begann und endete die NS-Zeit mit einem Nazi an der Stadtspitze.

Keine Sabotageakte oder Partisanenkämpfe

An anderen Stellen setzten die neuen Machthaber auch auf das Personal aus alten Zeiten. Auf der anderen Seite: Es gab auch von den früheren „Volksgenossen“ keinen großen Widerstand – sie passten sich an. „Es gab 1947 bis 1950 den – auch von den Gewerkschaften organisierten – Widerstand gegen die Demontage von Industrieanlagen durch die Besatzungsmächte“, sagt Historiker Dr. Ralf Blank. „Aber aus unserer Region sind mir gegen Kriegsende keine größeren Sabotageakte bekannt, geschweige denn Partisanenkämpfe.“

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Doch es gibt sie noch, die alten Seilschaften. Der frühere Hagener Nazi-Oberbürgermeister Vetter etwa bleibt aktiv, schart andere unverbesserliche Nazis um sich. In der Andreas-Brauerei in Hagen-Haspe kommen alte SS-Kameraden und frühere hochrangige NS-Politiker unter. Die Justiz lässt sie weitgehend unbehelligt. Gefährlich werden sie den neuen Machthabern aber nicht, in der frühen Bundesrepublik sitzen sie sogar an den Schalthebeln von Politik und Industrie.

Proteste nach dem Hungerwinter 1946/47

Größere Proteste in der Bevölkerung gab es nach dem Hungerwinter 1946/47, als die Versorgungslage sehr schlecht war: „Das hat sicherlich das Sauerland mit mehr landwirtschaftlichen Betrieben nicht so sehr getroffen wie die großen Städte“, sagt Dr. Ralf Blank. „Aber in Hagen, Iserlohn oder Lüdenscheid kam es im März 1947 zu Demonstrationen.“ Die britische Besatzungsmacht reagierte: sie erhöhte die Essensrationen, lockerte aber auch ihre Deutschland-Politik, einschließlich der Entnazifizierung.

"Victory Day" am 8. Mai 1945 im befreiten Stalag VI in Hemer. Im April 1945 fanden die US-Truppen dort tausende Tote und unbeschreibliches Leid unter den meist sowjetischen Kriegsgefangenen vor.  © Stadtarchiv Hagen | Cpl Joseph Karr, US-Signal Corp

Wenn schon nicht der 8. Mai 1945, markiert dann der 20. Juni 1948, der Tag der Währungsreform und der Beginn der D-Mark, für die Menschen das Kriegsende? Schließlich ist auch dieser Tag mit den bekannten 20 DM ein Mythos. Aber auch dies sieht der Historiker eher mit Vorsicht: „Die Währungsreform hat ja zunächst die begünstigt, die ohnehin schon Besitz hatten“, sagt Ralf Blank. „Die Regale waren zwar wieder voll, aber nicht alle konnten sich alles kaufen.“

Im Jahr 2013 gibt es den bislang letzten Kriegsverbrecherprozess in der Region

Erst in den Folgejahren mit dem Einsetzen des eigentlichen Wirtschaftswunders, mit einem hohen Beschäftigungsstand und wachsendem Wohlstand sei für viele Menschen der Krieg wirklich beendet gewesen. „An Nationalsozialismus und Krieg wollten viele nicht mehr erinnert werden“, sagt Dr. Ralf Blank. Nach dem Ende der Entnazifizierung wurde auch ein Schlussstrich unter der Vergangenheitsbewältigung gefordert. Und in dieses Denken hätten Gerichtsverhandlungen wie etwa der Sobibor-Prozess am Landgericht Hagen Mitte der 1960er-Jahre eher nicht gepasst: Zwölf ehemalige SS-Angehörige mussten sich wegen Massenmords an Hunderttausenden Menschen im Vernichtungslager Sobibor verantworten. Es gab zum Teil lange Haftstrafen.

Im Jahr 2013 gab es den in der Region bislang letzten Kriegsverbrecherprozess. Ein inzwischen 92-jähriger Mann aus Breckerfeld musste sich als damaliger Angehöriger der Sicherheitspolizei wegen des Mordes an einem niederländischen Widerstandskämpfer verantworten. Nach Monaten wurde das Verfahren zwar eingestellt. Doch eine Botschaft blieb: Auch Jahrzehnte nach dem 8. Mai 1945 sind der Krieg und die Schrecken der Nazi-Herrschaft noch lange nicht beendet.