Hagen. . Seit April gilt die neue Psychotherapie-Richtlinie. Binnen vier Wochen sollen Patienten einen Termin haben. Bis zur Behandlung dauert es länger.

  • Drei Monate nach Inkrafttreten der neuen Psychotherapie-Richtlinie kaum Besserung in Sicht
  • Patienten warten nach wie vor bis neun Monate auf einen Therapieplatz
  • Psychotherapeuten fehlen

Die Wartezeiten waren stets lang. Wer einen Behandlungsplatz beim Psychotherapeuten suchte, der musste sich gedulden: ein halbes bis ein dreiviertel Jahr, erzählt Inez Freund-Braier, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin in Iserlohn. Seit April aber gilt die neue Psychotherapie-Richtlinie. Das Ziel: die Wartezeiten verkürzen. Innerhalb von vier Wochen sollen Hilfesuchende einen Sprechstunden-Termin bekommen. Und wie lange warten sie nun auf einen Therapieplatz? Genauso lang wie vorher.

Der Terminservice

Seit drei Monaten vermittelt die Servicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) Termine. Wartezeit zwischen Anruf und Termin: höchstens vier Wochen.

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Die Nachfrage ist hoch innerhalb der ersten drei Monate. Täglich gingen zwischen 100 bis 200 Anrufe ein. Im April haben etwa 2000 Patienten den Service genutzt. Im Mai waren es 2200. Zum Vergleich: Als vor einem Jahr die Terminvermittlung für nahezu sämtliche Fachärzte startete gingen in den ersten drei Monaten 8700 Anrufe ein – davon hatte jedoch die Hälfte keine dringliche Überweisung vom Hausarzt.

Immerhin: „Man habe alle Anrufer in eine Psychotherapie-Sprechstunde vermitteln können, so eine Sprecherin der KVWL.

Die Behandlung

100 Minuten pro Woche müssen die Psychotherapeuten für diese Sprechstunden bereit halten. Ein solches Erstgespräch aber ist keine Behandlung. Vielmehr geht es allein darum festzustellen, ob ein Patient überhaupt eine Psychotherapie benötigt – oder vielleicht an eine Beratungsstelle verwiesen werden kann. So sollen die Menschen herausgefiltert werden, die keinen Therapieplatz brauchen. Man habe darauf gehofft, dass dies 30 Prozent aller Patienten seien, so Inez Freund-Braier, auch Vorstandsmitglied in der Psychotherapeutenvereinigung Westfalen-Lippe.

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Das Kalkül aber ist nicht aufgegangen. „Der Stau ist nur verschoben.“ Inez Freund-Braier konnte niemanden wegschicken, musste alle Patienten für eine Behandlung vormerken. Auf die müssen sie nun warten. Zwischen sechs Monate und einem dreiviertel Jahr. Vermutlich ein bisschen länger. Denn die 100 Minuten, die Inez Freund-Braier pro Woche für die Sprechstunde reservieren muss, fehlen ihr am Ende für die Therapie.

Die Folgen

Inez Freund-Braier kümmert sich um Kinder und Jugendliche mit Angststörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen. Kinder- und Jugendliche, die vom Arzt oder den Schulen zu ihr geschickt werden. Für sie sei ein halbes Jahr eine zu lange Zeit, sagt die Psychotherapeutin. Kinder und Jugendliche entwickelten sich schnell und das Risiko eines pathologischen Verlaufs sei hoch.

Das Problem

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Es fehlen Psychotherapeuten, besonders in Westfalen-Lippe. Nachwuchs gibt es genügend. Mit einer Praxis niederlassen darf er sich aber nicht, weil viele Gebiete nach der Planung der Kassenärztlichen-Vereinigung als überversorgt gelten. Zahlen, die aus den 90er Jahren stammen, sagt Inez Freund-Braier. Damals habe man den Bestand der Psychotherapeuten als Größe für einen Versorgungsgrad von 100 Prozent genommen.

Der „wirkliche Bedarf ist aber niemals ermittelt worden“, kritisiert Inez Freund-Braier. „Die Nachfrage nach Psychotherapie ist gestiegen“, räumt man bei der KVWL ein. Immerhin: Nun soll die Bedarfsplanung überarbeitet werden.

>>> INFO-TELEFON:

  • Die Terminservicestelle ist zu erreichen unter 0231-943.29.444.
  • montags, dienstags, donnerstags von 8-12 Uhr und 14-16 Uhr
  • mittwochs 14-17 Uhr
  • freitags 8-12 Uhr