Bad Laasphe. Miguel Hoffmann von der DRK-Kinderklinik Siegen referiert über Krisen im Kindes- und Jugendalter. Antriebslosigkeit wird oft beobachtet.

  • Depressionen treten in jeder Altersgruppe auf
  • Jugendliche haben komplexe Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, die emotionalen Stress auslösen können
  • Kinder-Therapeut Miguel Hoffmann berichtet aus dem Praxisalltag

Wann hört Traurigkeit auf und wo fängt Depression an? Ob übermäßige Belastung, seelische Verletzbarkeit oder ein traumatisches Erlebnis: Depression als psychische Erkrankung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Laut der Psychotherapeuten-Kammer NRW laufen 16 bis 20 Prozent der Deutschen Gefahr, ein Mal im Leben an einer Depression zu erkranken.

In dieser Statistik sind auch Kinder und Jugendliche mit eingerechnet, denn: Depressionen treten in jedem Lebensalter auf. Wie sie sich bemerkbar macht, welche Ursachen sie hat und welche Behandlungsmöglichkeiten es für Betroffene gibt, darüber referierte Miguel Hoffmann von der DRK-Kinderklinik in Siegen. Experten, aber auch betroffene Eltern kamen ins Haus des Gastes, um sich über das Thema „Depressionen bei Kindern und Jugendlichen“ zu informieren.

Antriebslosigkeit ein verbreitetes Phänomen

Wo gibt es eventuell Schwachstellen in der psychosozialen Versorgung in Wittgenstein? Mit dieser Frage leitete Diplom-Psychologe Bernd Schneider vom Wittgensteiner Psychosozialen Forum (WIPS) den Fachvortrag ein. Aus seinem beruflichen Alltag weiß er: „Es gibt eine große Gruppe von Jugendlichen, die zu Hause sitzen, vor den Bildschirmen hocken und für nichts zu begeistern sind.“ Antriebslosigkeit sei ein weit verbreitetes Phänomen.

Referent Miguel Hoffmann
Referent Miguel Hoffmann © DRK-Kinderklinik

Ein Fallbeispiel aus der Praxis von Facharzt Miguel Hoffmann bestätigte diese Beobachtung: Ein 13-jähriger Patient weigerte sich über Wochen, in die Schule zu gehen. Im Gespräch schien der Junge bedrückt zu sein, war wortkarg und schaute immer wieder zu Boden. Die Eltern hatten sich getrennt, die Spannungen zwischen Mutter und Vater projizierten sie unbewusst auf das Kind. Die Antriebslosigkeit drückte sich in Schulverweigerung aus.

„Bei Jugendlichen liegt das Risiko deutlich höher, an einer Depression zu erkranken als noch im Kindesalter“, so Hoffmann. Das liege vor allem an dem Reifeprozess, der mit der Pubertät einsetzt: Der Körper verändert sich, aber auch manche Gehirnareale entwickeln sich weiter, was zu bisher vielleicht unbekannten Emotionen und Verhaltensweisen führen kann.

Biologische Faktoren

Bei den Mädchen entwickelt sich zunächst der Mandelkern weiter, der als eine Art emotionaler Verstärker funktioniert. Bei den Jungen bilde sich in dieser Phase vor allem der Hippocampus weiter aus, der mitunter das „draufgängerische Verhalten“ steuere, erklärte Hoffmann in seinem theoretischen Teil. Allein durch dieses Ungleichgewicht zwischen Mädchen und Jungen entstehe ein Großteil des Potenzials für depressive Verstimmungen.

Der Ablösungsprozess von den Eltern, die Position in seiner unmittelbaren Umwelt finden, das Entwickeln eines Wertesystems und die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Gedanken zu reflektieren – das Aufgabenprofil bei den Jugendlichen ist umfangreich. Aber: „Man muss zwischen einer psychischen Störung und einer Pubertätskrise unterscheiden“, so Hoffmann.

Fakt sei, dass die Elf- bis 17-Jährigen tendenziell über eine geringere Lebensqualität klagen. In 15 Prozent aller Fälle entwickle sich daraus eine psychische Störung – in Form von Selbstverletzung („Ritzen“) oder autoaggressivem Verhalten, Alkohol- oder Drogen-Konsum oder eben eine Form der Depression. Bei etwa sieben Prozent entwickeln sich auch Suizid-Gedanken.