Schmallenberg. Klaus Fischer ist Psychotherapeut bei der Beratungsstelle der Caritas in Schmallenberg. Er klärt über Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen auf.

Sie haben Angst vor fremden Menschen, Dunkelheit, vor der Schule. Wenn Kinder häufig in unbedrohlichen Situationen ängstlich sind, weinen oder sich an Vertrauenspersonen klammern, kann es sein, dass sie an Angststörungen leiden. Klaus Fischer ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut bei der Beratungsstelle der Caritas und erklärt im Interview, wodurch Angststörungen sich von Ängsten unterscheiden, wie man sie erkennt und behandelt.

Was ist der Unterschied zwischen gesunder Angst und Angststörungen?

Klaus Fischer: Angst ist zunächst einmal eine natürliche und sinnvolle Reaktion. Sie ist eine Art „Frühwarnsystem“, das Kindern hilft, sich vor Gefahren und Bedrohungen zu schützen, wie zum Beispiel Angst im Straßenverkehr oder Angst vor großen Tieren. Ängstliche Kinder sind vorsichtige Kinder, die länger brauchen, um unbekannte Situationen einzuschätzen und sich ihnen auszusetzen.

Und was ist dann eine Angststörung?

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Von Angststörungen spricht man dann, wenn die Angst keine normale Schutzfunktion mehr darstellt, sondern das Leben einschränkt und behindert, da die angstauslösenden Situationen vermieden werden, ohne dass sie eine tatsächliche Bedrohung darstellen.

Welche Symptome sprechen außerdem für eine Angststörung?

Kindliche Ängste äußern sich häufig darin, dass Kinder die für sie bedrohlich erscheinenden Situationen vermeiden, stark auf die vertrauten Bezugspersonen fixiert sind, klammern, schnell weinen, wenn sie sich überfordert und bedroht fühlen.

Wodurch werden sie ausgelöst?

Manche Kinder sind von Natur aus eher ängstlich und reagieren mit Angst auf Situation, die sie nicht einschätzen können – das ist eine Gruppe. Die zweite, große Gruppe der angstauslösenden Ursachen sind tatsächliche Erfahrungen von Verlust, Verletzung, von alleingelassen sein, Überforderung, bedrohlichen Ereignissen wie Tod oder Trennung der Eltern, Mobbing in der Schule. Das sind Beispiele für Situationen, die Kinder nicht allein bewältigen können und auf die sie häufig mit Angst und Rückzug reagieren. Ein dritter wichtiger Punkt sind Faktoren im Alltag. Wachsen Kinder in einer Umgebung auf, in denen ihr Selbstvertrauen gestärkt wird und sie ausprobieren dürfen oder werden sie durch häufiges: „Pass auf, das ist zu gefährlich, dazu bist du zu klein, das kannst du nicht…“ verunsichert und trauen sich dann selbst nichts mehr zu.

Wie können Angststörungen behandelt werden?

Ängstliche Kinder brauchen Erwachsene, die sie ernst nehmen, ihnen Sicherheit geben und die Angst nicht ausreden wollen. Oft hilft diese verlässliche Unterstützung und Ängste verlieren sich wieder. Verfestigt sich die Angst jedoch, ist professionelle Hilfe notwendig. Hier wird zunächst überprüft, ob es weiterhin auslösende Bedingungen für die Angst gibt (Krisen im Elternhaus, Bedrohung durch andere Kinder, Krankheit eines Familienmitgliedes) und wie weit diese auslösenden Bedingungen beeinflusst werden können.

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Wie sieht die therapeutische Hilfe für Kinder konkret aus?

Man versucht ihr Selbstbewusstsein zu stärken, indem gezielt die Stärken und Kompetenzen des Kindes ins Blickfeld gerückt werden. In kleinen überschaubaren Schritten wird versucht daran zu arbeiten, schwierige Situationen zu meistern statt sie zu vermeiden. Kinder erlernen Strategien, sich selbst zu beruhigen und sich selbst Mut zuzusprechen und Neues auszuprobieren. Manchmal helfen ergänzende Entspannungstechniken. Die Therapie von ängstlichen Kindern findet je nach Ausmaß der Problematik im ambulanten als auch im stationären Rahmen, sowohl als Einzel- als auch als Gruppentherapie statt.

Welche Folgen können unbehandelte Angststörungen bei Kindern haben?

Werden Angststörungen bei Kindern nicht behandelt, besteht unter anderem die Gefahr, dass sie sich zu einer generalisierten Störung ausweiten. Das heißt, dass nicht nur die ursprünglich als bedrohlich erlebten Situationen Angst auslösen, sondern viele Alltagsanforderungen vermieden werden. Der Lebensraum engt sich denn immer mehr ein. Aus Mangel an positiven Erlebnissen und Erfahrungen entwickeln sich unter anderem Selbstwertzweifel und Depressionen.