Siegen. . Toroni malt ausschließlich Punkte. In seinen Bildern setzt er exakte Pinselabdrücke. Am 2. Juli erhält er den Rubenspreis der Stadt Siegen.

Seit 1966 malt Niele Toroni nur eins: Punkte. Und zwar nicht irgendwelche Punkte, sondern solche, die mit einem Pinsel Nr. 50 in einem Abstand von 30 Zentimetern auf den Bildträger gesetzt werden. Damit ist er berühmt geworden. Heute feiert der international hoch angesehene Künstler seinen 80. Geburtstag. Am 2. Juli wird der Schweizer, der seit vielen Jahren in Paris lebt, mit dem 13. Rubenspreis der Stadt Siegen ausgezeichnet.

Der Malerpinsel ist längst Arbeitsgerät und Psycho-Sonde zugleich. Die alten Meister wollten in ihren Porträts, Landschaften und Stadtansichten die Wirklichkeit abbilden. Ihr Können maß sich daran, wie geschickt sie die Realität auf der Leinwand in ein perspektivisches System setzen konnten und wie genau sie die Farben von Blumen oder von menschlicher Haut wiederzugeben vermochten.

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Doch das Abbild ist nicht alles. In der mittelalterlichen Malerei steht der Gegenstand für ein Symbol. Und die moderne Kunst ist ja überhaupt erst durch den Willen entstanden, Abbild durch Ausdruck zu ersetzen, die Farbe des Windes, das Tanzen des Lichts und die Musik des Himmels einzufangen.

Kunst hat keine Botschaft

Gegen dieses Ausdrucks-Bedürfnis des Pinselstrichs wehrt sich Niele Toroni. Bereits 1967 demonstrierte er mit seiner Künstlergruppe „BMPT“ (Buren, Mosset, Parmentier, Toroni) gegen das Prinzip der Botschaft in der Kunst. Ihre Malerei wollte ausdrücklich nicht expressiv sein, wollte nichts aussagen.

Niele Toroni konzentriert sich auf die künstlerische Idee an sich, reduziert die malerische Geste auf das Minimum. Dieser Auffassung bleibt der Konzeptkünstler bis zum heutigen Tag treu. Eine derart radikale Konsequenz, die den Kunstbetrieb links liegen lässt, ist mit zahlreichen Preisen gewürdigt worden, darunter dem Prix Meret Oppenheim und im Sommer dem Rubenspreis. Toronis Arbeiten hängen in großen Museen und werden zum Beispiel auf der Documenta ausgestellt.

Genau abgemessene Punkte

„Empreintes“, also Fußspuren, oder freier übersetzt Pinselspuren, so nennt der Maler seine Arbeiten. Jedes Bild trägt den gleichen Titel: „In regelmäßigen Abständen von 30 cm wiederholte Abdrücke des Pinsels Nr. 50.“ Mit Zirkel und Wasserwaage misst Niele Toroni den genauen Punkt für jeden einzelnen Farbabdruck ab. Die Muster sind verschieden angeordnet und abgegrenzt, aber immer auf die gleiche Weise platziert.

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Allein die gewählte Farbe kann variieren, ebenso der Bildträger, der aus Leinwänden, Wachstüchern, Mauern oder Fenstern bestehen kann. So sind Niele Toronis Bilder bei aller Ähnlichkeit doch jeweils einzigartig. Da die Farbspuren niemals genau gleich aufgetragen werden können, erzeugen sie minimalistische Zufallsvariationen. „Man kann jeden Tag aufs Neue den Ozean ansehen, aber das absolut selbe Meer ist es nie“, sagte Niele Toroni anlässlich einer Ausstellung dem New Yorker Swiss Institute.

Ausstellung in Siegen

Für sein Lebenswerk wird der Künstler am 2. Juli mit dem ­Rubenspreis der Stadt Siegen geehrt. Damit verbunden ist eine Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst in Siegen. Die Jury begründete ihre Wahl mit der Anerkennung des konsequenten Lebenswerks. „Niele Toroni zählt zu den Hauptvertretern einer konzeptuellen Malerei, die mit radikalen Gesten traditionelle Methoden der Kunst in Frage stellte und ihnen neue, theoretisch begründete Praktiken entgegensetzte. Niele Toroni blieb seiner damals entwickelten Arbeitsmethode bis heute treu.“