Ennepetal. . Das Unternehmen aus Ennepetal denkt unvoreingenommen, unkonventionell und investiert in seine Belegschaft

Kunststoff lässt sich nicht vorhersagen. Die Zusammensetzung ist nie identisch, anders als bei DIN-genormten Stählen. Man muss tüfteln, probieren, immer wieder prüfen. Dem Kunden ist egal, dass sich die Diva unter den Werkstoffen gerne bitten lässt. Das Ergebnis muss stimmen.

Anja Benninghofen ist eine der besten Tüftler bei BIW Isoliertechnik in Ennepetal. Sie arbeitet an der Extrusionsmaschine; dort, wo das Silikon in Form gebracht wird wie Plätzchenteig im Fleischwolf. „Ich wollte immer schon einen ,männlichen’ Beruf“, sagt Benninghofen, 21, brombeerrote Fingernägel, farblich abgestimmt aufs Tattoo in der Halsbeuge.

Anfangs hätten die Kerle in der Werkshalle noch verdutzt geguckt, als da ein Mädchen anfing, sagt sie. Aber sie hat sich behauptet, die körperliche Arbeit gewuppt, ist den breitbeinigen Arbeitern selbstbewusst gegenübergetreten. „Dabei war ich früher ganz schüchtern“, sagt Benninghofen.

Hohe Anforderungen an Flüchtlinge

Die Gevelsbergerin ist ein schönes Beispiel dafür, dass dem Unternehmen nicht wichtig ist, wer jemand war oder ist. Philosophie: „Wir im Mittelstand abseits der Metropolen bekommen die Besten häufig nicht“, sagt Geschäftsführer Rald Stoffels. „Wir machen aus unserem Team die Besten.“

Ralf Stoffels
Ralf Stoffels © Hendrik Schulz

„Das Nachwuchskräfteproblem ist akut“, sagt Stoffels, sieht seine Firma aber gut aufgestellt, weil in die Mitarbeiter investiert wird. „Wir setzen auf Multikulti“, so Stoffels. Politisch vielleicht gescheitert – „im Mittelstand wird’s gelebt“. Er beschäftigt Menschen aus über 30 Nationen. BIW habe sich früh in der Flüchtlingsfrage engagiert. „Da sind viele pfiffige Menschen, deren oftmals einzige Hürde die Sprache ist“, sagt Stoffels. Hier setzt BIW an. Die Firma stellt im Bereich Sprache hohe Anforderungen, Formulare im Qualitätsmanagement müssen präzise ausgefüllt werden. BIW suchte den Kontakt zur Volkshochschule, die vermittelte geeignete Bewerber.

Interne Schulung

Auf Ausbildungsmessen vertreten Azubis die Firma. „Die sprechen die Sprache der Jugend“, sagt Ralf Stoffels. „Ich kann WhatsApp bedienen, aber eine altersgerechte Ansprache ist viel wichtiger als der technische Weg der Kontaktaufnahme.“ Der Erfolg sei messbar, sagt Personalreferentin Nadine Hallenberger: „Es haben sich schon viele Praktika ergeben.“

Andreas Natale
Andreas Natale © Hendrik Schulz

Auf die ganz spezifischen Anforderungen bei BIW würden Jugendliche vom Arbeitsamt, von der Schule, von Bildungszentren nicht vorbereitet, findet Betriebsrat Andreas Natale. „Die Standardausbildung reicht für die hohe Spezialisierung eines hidden champions oft nicht.“ Deswegen wird intern eingearbeitet und geschult.

Chance für Quereinsteiger

Im handwerklich-technischen Bereich bekommen Quereinsteiger ihre Chance. „Einer mit nicht perfektem Fahrplan hat bei uns seine Möglichkeiten“, so Natale. „Wir gucken nicht, was vorher war. Die Qualifizierung erfolgt im Betrieb“, sagt er und dass man über interne Fort- und Weiterbildung auch in personalverantwortliche Bereiche vorstoßen könne. „Man kann jahrelang an der Maschine gestanden haben und trotzdem Führungskraft werden“, sagt Stoffels. „Wir möchten unser Personal aus den eigenen Reihen rekrutieren“, sagt wieder Natale und dass man „von innen wachsen“ wolle.

Mit „externen“ Mitarbeitern, die nicht bei BIW großgeworden seien, habe man auch schon Flops erlebt. Auch bei Führungskräften.

Hoher ideeller Wert

Wichtigste Kriterien: Engagement, Motivation, Pünktlichkeit. Sonst nichts? „Nein, dafür sind wir viel zu spezialisiert. Alles andere bringen wir unseren Leuten bei“, sagt Stoffels.

Eine Motivation sei der intern so genannte „BIW-Facharbeiter“, noch nicht von der Kammer anerkannt, aber von hohem ideellen Wert für die Mitarbeiter. Wer es sich erarbeitet, erhält ein Zertifikat, wird zum Teil der Familie, zum BIWianer, wenn man so will.

Einzigartigkeit nutzen

Und die soll aus Individualisten bestehen, der Betrieb will die Einzigartigkeit der Mitarbeiter nutzen, sie ihren Stärken und Schwächen entsprechend einsetzen und so zufriedener arbeiten lassen – und damit besser. Zeitarbeiter würden nach einem Jahr übernommen, wenn sie einen guten Job machen. Natale gibt die Parole aus: „Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern muss uns kreativ machen.“

Das ist die Firma BIW 

1971 wurde BIW gegründet. Die Firma wird in zweiter Generation von Ralf Stoffels und Dr. Markus Wiethoff geführt. Gründer Werner Stoffels ist noch an Bord, mit Lutz Stoffels als Verkaufsleiter steht die dritte Generation in den Startlöchern.

450 Mitarbeiter produzieren auf einer Fläche von 34 000 Quadratmetern rund 146 000 Artikel in Einzel-, Klein und Großserienanfertigung.

3500 Tonnen Silikon verarbeitet BIW im Jahr. Umsatz (2015): 64 Millionen Euro.

4000 Kunden beliefert BIW mit Schläuchen, Profilen und Dichtungen.

Das sagen Auszubildende über ihren Betrieb 

Tim Cramer
Tim Cramer © Hendrik Schulz

Tim Cramer (20), Azubi Verfahrensmechaniker Kunststoff- und Kautschuktechnologie über

. . . Handwerk

Dass ich schon eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker gemacht habe, kommt mir jetzt natürlich entgegen. Das ist zwar ein schöner Beruf, aber man kann davon nicht gut leben. Deshalb hatte ich mich bei BIW über eine Leihfirma als Maschinenbediener beworben – das hätte sich finanziell mehr gelohnt. Später wollte ich eigentlich noch studieren. Aber nach zwei Monaten habe ich gemerkt, dass ich mir diesen Beruf auch auf lange Sicht vorstellen kann. Das Handwerkliche ist genau mein Ding, dieses Fummeln und Friemeln, bis die Maschine gut eingestellt ist und alles genau so funktioniert, wie es soll. Die Ausbildung bei BIW konnte ich sogar verkürzen, weil ich ja schon die Mechatroniker-Lehre hinter mir habe.

. . . Fortbildung

Darüber habe ich schon mit dem Produktionsleiter gesprochen. Ich will auf jeden Fall den Techniker machen und bekomme auch meine Chance dazu. Die Firma nimmt sogar Rücksicht auf die Schule. Die meisten meiner Freunde erzählen, dass ihr Betrieb sagt: „Du willst dich fortbilden und mehr Geld verdienen? Sieh zu, wie du das machst.“

. . . die Zukunft

Die Kunststoffindustrie ist groß im Kommen! Das sieht man doch zum Beispiel an den Automobilherstellern, immer mehr Bauteile werden aus Kunststoffen hergestellt. Ich bin in einer sicheren Branche untergekommen.

Matthias Perl
Matthias Perl © Hendrik Schulz

Matthias Perl (22), Azubi Industriekaufmann, über

. . . die Firma

Positiv! Die Arbeitsatmosphäre ist sehr angenehm, ich konnte in jede Abteilung reinschnuppern. Alle Azubis, egal in welcher Abteilung, beginnen in der Fertigung, um die Produkte kennenzulernen. Dieses technische Wissen zu haben, ist sehr hilfreich, weil man weiß, worüber man redet.

. . . seinen Werdegang

Ich bin über den Sport zu BIW gekommen. In Gießen habe ich zwei Jahre lang mit dem Basketball meinen Lebensunterhalt verdient. In die Region bin ich dann wegen meiner Freundin gekommen – und weil ich hier auch Basketball spielen kann. Davon kann ich nicht lassen! BIW ist Sponsor der EN-Baskets Schwelm, so kam der Kontakt zustande. Sie haben mitbekommen, dass ich eine Ausbildungsstelle suche und es hat geklappt.

. . . die Region

Das ist schon eine Umstellung. Ich komme aus Gießen, einer Studentenstadt, da ist natürlich viel los. Hier ist es ruhiger, aber ich fühle mich sehr wohl. Man kann hervorragend Mountainbike fahren! Und die Anbindung an die Großstädte ist gut, man ist in 30 Minuten in Düsseldorf oder Köln.

Michal Koszyk
Michal Koszyk © Hendrik Schulz

Michal Koszyk (23), Auszubildender Verfahrensmechaniker Kunststoff- und Kautschuktechnologie, über

. . . seinen Werdegang

Nach dem Abitur wollte ich Forensik studieren, aber dafür war mein Schnitt zu schlecht. Das Arbeitsamt hat dann den Vorschlag gemacht, mich bei BIW zu bewerben. Ich konnte mir nicht wirklich was unter diesem Beruf vorstellen, also habe ich vorgeschlagen, zunächst ein Praktikum zu machen. Zuerst waren es kleinere Arbeiten – Materialwechsel, Werkzeuge aufbauen, immer unter Anleitung eines Facharbeiters. Nach und nach habe ich mehr Aufgaben bekommen, irgendwann habe ich für mich beschlossen: Das will ich! Und die Firma war zum Glück einverstanden.

. . . die Arbeit

Ich mag es, mit den Händen zu arbeiten. An den Maschinen muss man auch mal eine Weile tüfteln, bis man die optimale Einstellung gefunden hat. Die Kunststoffe sind sehr empfindlich und haben immer andere Eigenschaften. Deswegen muss man etwas rumforschen und probieren, Geschwindigkeit der Maschine, Mischverhältnisse... Als Ziel habe ich mir gesetzt, nach der Ausbildung den Techniker zu machen. Dafür habe ich mich schon beworben