Werl. . Durch die WESTFALENPOST sind die Zeichnungen mit der freundlichen kleinen Schildkröte bekannt geworden. Ihr Schöpfer, Jürgen Tomicek, über seine Arbeit als zeichnender Polizist, Respekt und Heimat
Die freundliche kleine Schildkröte auf jedem Bild ist das unverwechselbare Markenzeichen des Werler Karikaturisten Jürgen Tomicek. Und seit nunmehr 35 Jahren ist der politische Zeichner auch selbst ein ebenso beliebtes wie hochgeachtetes Markenzeichen der WP. Andreas Thiemann hat Jürgen Tomicek (58) in seinem Atelier in Werl besucht.
Herr Tomicek, erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge bei der Westfalenpost?
Jürgen Tomicek: Natürlich. Ich habe 1981 als freier Mitarbeiter bei der WP-Lokalredaktion in Werl begonnen. Damals war ich noch hauptberuflich Polizei-Hauptkommissar und habe nebenbei Persönlichkeiten und Ereignisse in unserer Stadt zeichnerisch augenzwinkernd aufs Korn genommen.
Hat das vor Ort nicht auch für manche Irritationen, um nicht zu sagen handfesten Ärger gesorgt? Ein seriöser Polizist, der sich als Karikaturist über die Stadtoberen lustig macht?
Jürgen Tomicek: Überhaupt nicht. Von Anfang an wollte ich die Menschen mit meinen Zeichnungen nicht angreifen oder verletzen. Der Bürgermeister hat sich sogar gefreut, wenn ich ihn manchmal in eine kleine Karikatur eingebunden habe. Und als Streifenpolizist auf dem Motorrad sollte ich mitunter sogar meine Schildkröte auf Strafzettel malen. Das habe ich hin und wieder auch gemacht.
1983 haben Sie dann begonnen, regelmäßig und schließlich täglich für die Zentralredaktion der WP zu zeichnen. Haben Sie dafür Ihren Polizeiberuf aufgegeben?
Jürgen Tomicek: Anfänglich lief beides noch nebeneinander. Aber Mitte der 90er Jahre habe ich tatsächlich überlegt, den Beamtendienst zu quittieren. Damals wurde aber gerade auch der Polizei-Mediendienst in Nordrhein-Westfalen aufgebaut, und dort bin ich bis heute als Grafiker tätig und entwerfe zum Beispiel Flyer für das Landeskriminalamt. Ich bin also zumindest mit einem Bein immer noch im Polizeidienst, allerdings nicht mehr in Uniform und auf Streife.
Sie arbeiten inzwischen für weit über 70 Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Welche künstlerische Ausbildung steckt hinter Ihrem großartigen Erfolg?
Jürgen Tomicek: Im Grunde genommen bin ich lupenreiner Autodidakt. Ich habe schon als Kind gern gezeichnet und war wohl auch durchaus talentiert. Nach der Schule sollte ich sogar ein Stipendium für ein Kunststudium bekommen. Aber damals war das die wilde Zeit von Joseph Beuys und anderen Künstlern. Das war einfach nicht meine Welt, da wollte ich auf keinen Fall mitmachen. Das lag mir überhaupt nicht.
Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Jahrzehnte entwickelt und verändert?
Jürgen Tomicek: Anfang der 80er habe ich ja quasi noch in der Vor-Fax-Zeit begonnen. Das heißt, ich habe Karikaturen auf Halde, also für mehrere Tage im Voraus produziert. Die wurden dann regelmäßig mit einem Autokurier von der Werler WP-Geschäftsstelle abgeholt und nach Hagen in die Zentralredaktion gefahren. Später kamen dann die Faxgeräte, und die Karikaturen wurden natürlich aktueller, tagesscharf sozusagen. Mit der Digitalisierung und dem Internet kam noch einmal eine regelrechte Entwicklungsrevolution, die es mir seitdem erlaubt, binnen kürzester Zeit meine Arbeiten überall hin zu schicken.
Haben Sie eigentlich seitens der WESTFALENPOST bestimmte Vorgaben für Ihre Karikaturen?
Jürgen Tomicek: Als ich 1983 bei der Zentralredaktion begann, musste ich mich beim damaligen Herausgeber Robert Schmelzer persönlich in Hagen vorstellen. Und der begrüßte mich mit den Worten: „Keine Kreuze, keine Särge, keine Bibel.“ Das war eindeutig, aber für mich ohnehin selbstverständlich. Niemals beleidigend zu sein, war und ist für mich immer klar gewesen und ganz strikte Grundlage meiner Arbeit als Karikaturist. Für mich als satirischen Zeichner sind zum Beispiel auch die religiösen Provokationen, wie sie die französische Zeitschrift Charlie Hebdo mit so fürchterlichen Terror-Folgen veröffentlicht hat, nicht akzeptabel. Ich habe selbst viele muslimische Freunde, und daher weiß ich, dass Abbildungen von Mohammed auf deutlichen Widerspruch stoßen. Ohnehin kommen Reaktionen auf religiöse Themen häufig aus einer tiefen Verletztheit, egal, um welche Religion es sich handelt. Für mich gilt deshalb: Schützen heißt beachten und respektieren und gerade nicht bewusst missachten!
Wie läuft eigentlich ein normaler Tomicek-Arbeitstag ab?
Jürgen Tomicek: Ich bin um sieben Uhr in meinem Atelier. Dann wird gescribbelt, kleine Skizzen entstehen zu Stichworten, und allmählich entwickelt sich nach drei bis vier Stunden eine Art geistiger Fahrplan. Ich zeichne etwa vier verschiedene Karikaturen am Tag, für die Reinzeichnungen brauche ich etwa eine Stunde.
Entstehen Ihre Karikaturen inzwischen alle am Computer?
Jürgen Tomicek: Nein, ich arbeite ganz traditionell mit Rohrfeder und Gänsekiel. Diese Federn sind zum Teil über 100 Jahre alt und stammen aus England oder Frankreich. Sie allein erlauben mir den notwendig dynamischen Strich, der aus dem Handgelenk kommen muss. Das ist noch alte Schule, aber das hilft mir auch unabdingbar, die vermeintliche Leichtigkeit zu entwickeln, hinter der tatsächlich echte Handwerkskunst und viel, viel Übung steckt.
Die Tomicek-Karikatur gehört täglich zu den beliebtesten Rubriken der WESTFALENPOST. Welches Verhältnis haben Sie zur WP und ihren Lesern?
Jürgen Tomicek: Der Westfalenpost verdanke ich meine Karriere. Das werde ich nie vergessen. Im Grunde verdanke ich der WP alles. Zur WP-Leserschaft habe ich zudem ein unglaublich gutes Verhältnis, das fühlt sich für mich alles wie eine große Freundschaft an. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst ein Südwestfalen-Gewächs bin und weiß, wie die Menschen hier ticken. So ticke ich ja auch.