Herne. Asyl ist ein großes Thema zur EU-Wahl. Berfin Güzel-Aksevi aus Herne kennt den Ärger Zugewanderter - der Parteiencheck zeigt Ideen.

  • Am 9. Juni 2024 ist Europawahl. In NRW sind über 13,8 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen.
  • In ihren Wahlprogrammen finden die Parteien unterschiedliche Antworten auf die Herausforderungen im Ruhrgebiet.
  • Ein Überblick zeigt, welchen Einfluss die EU vor Ort hat.

Sie musste früh erwachsen werden. Mit zwölf Jahren kam Berfin Güzel-Aksevi mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland. Ihr altes Leben ließen ihre Eltern hinter sich, um den Kindern hier eine bessere Zukunft und eine gute Bildung zu ermöglichen. Doch der Start war nicht einfach: Berfin Güzel-Aksevi begleitete ihre Eltern ins Jobcenter, machte Termine bei der Krankenkasse und kümmerte sich um ihr eigenes Kindergeld. „Ich musste meine Eltern unterstützen, weil ich schneller Deutsch gelernt habe“, sagt die heute 27-Jährige. Mittlerweile arbeitet sie bei der Integrationsagentur der interkulturellen Organisation PlanB in Herne und unterstützt andere Migrantinnen und Migranten bei ihrer Integration. „Viele Menschen stehen nach ihrer Ankunft vor großen Hürden“, sagt Berfin Güzel-Aksevi.

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Und es kommen immer mehr neue Menschen nach Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit hat in NRW Ende 2023 mit 3,23 Millionen einen neuen Höchststand erreicht. Laut Zahlen des Statistischen Landesamtes lebten damit 93.000 mehr Ausländerinnen und Ausländer im Land als noch ein Jahr zuvor. Die meisten Menschen kamen aus Syrien (14.700), der Ukraine (11.200), der Türkei (6600) und Indien (4700).

In ihrer Arbeit bekommt Berfin Güzel-Aksevi die Probleme vieler Neuankömmlinge täglich mit: „Ein großes Problem sind die langen Asylverfahrenszeiten. Neu zugewanderte Menschen warten oft über zwei Jahre auf ihre Papiere. Ohne Aufenthaltstitel können sich Geflüchtete schwieriger in die Gesellschaft integrieren, können Gelder nicht beantragen wie zum Beispiel das Kindergeld. Auch für Sprachkurse stehen sie auf langen Wartelisten.

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Zudem ist der Weg zur Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse schwierig und langwierig. Dies führt dazu, dass viele Akademiker unterqualifizierte Arbeiten annehmen. In den Familien führt es zu Frust, wenn etwa der Vater keine Arbeit findet und die Mutter dem Kind nicht bei den Hausaufgaben helfen kann, weil sie die Sprache nicht versteht. Dadurch steigt die Gefahr, dass Parallelgesellschaften entstehen. Es ist wichtig, dass alle Geflüchteten gleich behandelt werden, alle einen schnellen und einfachen Zugang zu Abschlüssen, Sprachkursen oder Wohnungen erhalten – so wie es bei den Menschen aus der Ukraine der Fall ist.“

Was hat die EU damit zu tun?

Der Europäische Rat spielt bei der Migrationspolitik eine wichtige Rolle, weil er EU-weite Handlungslinien festlegt. Erst kürzlich hat der Rat den finalen Beschluss für die Reform des gemeinsamen Migrations- und Asylpakets der EU gefasst.

Das Ziel: „Schaffung eines gerechteren und effizienteren Rahmens für die Registrierung und Bearbeitung von Asylanträgen“, heißt es vom Europäischen Rat. Unter anderem sollen Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden, was auch Länder und Kommunen in Deutschland entlasten soll. Kritiker des Paktes befürchten allerdings, dass sich die Situation für Migranten verschlechtern könnte und Schutzbedürftige schneller abgewiesen werden würden.

Was könnte sich mit der Wahl ändern?

Im Wahlprogramm der SPD wird betont, dass Geflüchtete, deren Asylverfahren beschleunigt geprüft werden, die Möglichkeit einer Rechtsberatung erhalten müssen. „Wir setzen uns weiter dafür ein, dass Rechtsmittel grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung haben“, heißt es.

Die CDU will die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtern. Die Verfahren sollten künftig rein digital bearbeitet und die entsprechenden Arbeitsvisa schnell erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Arbeit in Deutschland stimmten.

„Um Angebote für eine gute und schnelle Integration vor Ort zu unterstützen, wollen wir den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) stärken“, heißt es im Wahlprogramm der Grünen. So könnten sich Kommunen auf die Aufnahme von Fachkräften und ihrer Familien vorbereiten. Zudem setzen sie sich für mehrsprachige und leicht zugängliche Beschwerde- und Beratungsstellen für Betroffene ein.

Die Linken wollen derweil einen leichteren Zugang zu Sprachkursen ermöglichen. Zudem setzen sie sich für einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung von Migrantinnen und Migranten ein, „da Menschen ohne Aufenthaltsstatus oft keine Möglichkeit haben, eine Krankenversicherung abzuschließen“.

Wer keine Chance auf ein Bleiberecht hat, soll laut FDP gar nicht erst in die EU einreisen dürfen. In ihrem Wahlprogramm heißt es: „Wir befürworten die Einrichtung Europäischer Asylzentren an der EU-Außengrenze, die unter Wahrung humanitärer Standards ein schnelles Asylverfahren gewährleisten sollen.“

Die AfD ist bei der Migrationspolitik gegen eine EU-weite Regelung. Sie setzt sich dafür ein, dass jedes Land eigene Regeln festlegen darf.

Wer keinen Schutzstatus an den EU-Außengrenzen erhält, hat laut dem Bündnis Sahra Wagenknecht keinen Anspruch auf Zugang zur EU, eine Arbeitserlaubnis oder soziale Leistungen.

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