Berlin. Fotograf Reto Klar hat Krebs. Gemeinsam mit seiner Frau hat er ein Buch veröffentlicht, in dem 43 Menschen über ihre Erkrankung sprechen.

„Sie haben Krebs“ – drei kleine Worte, die auf einen Schlag das komplette Leben der Betroffenen auf den Kopf stellen. Die Diagnose Krebs ist nicht nur ein Schock, sondern wirft gleichzeitig viele Fragen auf. Wie schlimm ist es? Werde ich wieder gesund? Wie stehen meine Überlebenschancen? Und im schlimmsten Fall: Wie lange habe ich noch?

Obwohl allein in Deutschland jährlich rund 500.000 Menschen neu an Krebs erkranken, ist die Krankheit noch immer stigmatisiert. Krankheit, Schmerz und Tod sind Dinge, über die noch immer zu wenig gesprochen wird. Dabei wünschen sich viele Patienten, sich über ihre Krankheit austauschen zu können, um ihre eigenen Gefühle zu verarbeiten, Zuspruch zu erhalten und um den quälenden Fragen Antworten entgegensetzen zu können.

Auch interessant: „Tief in mir – Mein Leben mit Krebs“ – Bilder und Texte im Überblick

Fotobuch mit 43 Geschichten von Betroffenen

Reto Klar, Cheffotograf der Funke Mediengruppe und Foto-Chef der Berliner Morgenpost, ist selbst an Krebs erkrankt. Im Oktober 2023 erhielt der Vater von zwei Töchtern seine Diagnose: Mantelzelllymphom, unheilbar. Um den Krebs endlich aus der Stigmatisierung zu holen und den Patienten eine Stimme zu geben, hat er gemeinsam mit seiner Frau Britta das Buch „Tief in mir – Mein Leben mit Krebs“ geschrieben.

Neben sechs Top-Experten, die sich zu den neuesten Erkenntnissen der Krebsforschung äußern, stehen hier vor allem 43 Krebspatienten im Fokus. Sie sprechen über ihre Hoffnungen, Ängste und ihren Umgang mit der Krankheit. Dabei ist vor allem eines auffällig: Den Betroffenen ist es gelungen, positiv mit ihrer Krankheit umzugehen und sie als Teil des Lebens zu akzeptieren.

Katharina Kohnle: „Diagnose hat mein Leben auf den Kopf gestellt“

Eine davon ist Katharina Kohnle. Die 37-Jährige erhielt im Jahr 2015 die Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Ihre Gebärmutter wurde daraufhin entfernt. Kohnle stürzte sich wieder in Arbeit und machte weiter wie bisher. 2021 folgte die nächste Horror-Meldung. Der Krebs war zurückgekehrt. Diesmal war die Brust befallen. „Ich dachte, dass ich mit dem Gebärmutterhalskrebs meine Karte schon bekommen hatte. Die Brustkrebsdiagnose hat mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.“

Katharina Kohnle ließ sich nach der Brustkrebsdiagnose beide Brüste entfernen.
Katharina Kohnle ließ sich nach der Brustkrebsdiagnose beide Brüste entfernen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Kohnle liess sich beide Brüste operativ entfernen und verzichtete dabei auf einen sogenannten Wiederaufbau, also eine chirurgische Rekonstruktion der Brüste. „Heute weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Ich mag meinen Körper heute viel lieber als vor der Diagnose! Ich definiere mich und Weiblichkeit nicht über Brüste.“

Ihr half der Austausch mit anderen Betroffenen, der vielen Krebspatienten eben fehlt. Unterstützung fand sie beim „Buusenkollektiv“, einem gemeinnützigen Verein von Betroffenen für Betroffene. „Ohne die hätte ich das alles nicht so gut weggesteckt. Zusammen ist es leichter und ich habe da meine besten Freundinnen gefunden.“

Auch interessant

Alexander Ewen übertrifft seine Diagnose schon seit Jahren

Auch Alexander Ewen (54) ist es gelungen, trotz erschütternder Diagnose einen positiven Zugang zu seiner Krankheit zu finden. Im Mai 2016 wurde bei ihm ein Glioblastom diagnostiziert, ein unheilbarer Hirntumor. Die Überlebenschancen wurden als gering eingeschätzt, die Ärzte gaben ihm maximal noch zwei bis drei Jahre.

Das Buch „Tief in mir – Mein Leben mit dem Krebs“ ist für Reto Klar ein Herzensprojekt.
Das Buch „Tief in mir – Mein Leben mit dem Krebs“ ist für Reto Klar ein Herzensprojekt. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Ewen begegnet der Krankheit mit einem schier unbesiegbaren Trotz. Erst kurz zuvor hatte er seine Frau Nina geheiratet. Er befand sich in einer Phase im Leben, in der er einfach noch nicht aufgeben konnte. „Ich hatte von Anfang an den Kampfgeist, dem Tumor keine Chance zu geben. Den Tod habe ich vom ersten Tag an aktiv verdrängt: Sterben ist nicht!“ Eine Einstellung, der viele Ärzte immer wieder positiven Einfluss auf die Überlebenschancen zuschreiben, auch wenn der Effekt wissenschaftlich nicht belegt ist.

Der 54-Jährige wird mit „Tumor Treating Fields“ (TTF) behandelt. Dabei werden über Elektroden, die dauerhaft am Kopf befestigt sind, elektrische Felder abgegeben. Diese Felder haben bestimmte Frequenzen, die die Krebszellen an der Teilung hindern. So wird das Tumorwachstum gehemmt, im besten Fall sterben die Krebszellen ab. Diese „Verkabelungs-Haube“ trägt Ewen durchgängig und geht ganz offen damit um. So wurden aus den zwei bis drei Jahren Überlebenschance mittlerweile schon mehr als acht Jahre. Ewen: „Ich bin lange über meinem Ablaufdatum.“

Geschichten wie diese sollen Mut machen, den Betroffenen Hoffnung geben. Helfen, sich mit der eigenen Erkrankung auseinanderzusetzen.

Das Buch „Tief in mir – Mein Leben mit Krebs“ erscheint am 13.11. im Klartext-Verlag (120 Seiten, 29,95 Euro). Die Geschichten der Betroffenen werden außerdem am 13.11. sowie vom 2. bis 10. Dezember im FUNKE Medienhaus (Jakob-Funke-Platz 2, 45127 Essen) ausgestellt. Die Ausstellung in dieser Zeit jeweils Mo.–Fr. von 10 bis 16 Uhr, Eintritt frei.