Berlin. Verwirrt, vergesslich, erschöpft: Viele Menschen klagen lange nach Covid-19 über Probleme. Eine neue Studie zeigt, woran das liegen könnte.
Eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 beeinflusst in besonderer Weise das Gehirn. Das haben Mediziner aus Freiburg anhand von Hirn-Scans mit hochmodernen MRT-Geräten herausgefunden. Die Veränderungen können dabei auch Monate nach der Erkrankung noch nachgewiesen werden und Post-Covid-Symptome verursachen. Die Erkenntnisse könnten langfristig dazu führen, das Krankheitsbild mittels Bildgebung nachzuweisen.
Für ihre Studie, veröffentlicht im Fachjournal „Nature Communications“, hatten die Forscherinnen und Forscher mittels Magnetresonanztomographie (MRT) die Gehirne von 89 Post-Covid-Patienten, 38 Covid-19-Erkrankten ohne Langzeitsymptome und 46 gesunden Kontrollpersonen untersucht. Die Infektionen lagen im Schnitt neun Monate zurück.
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„Der Scan mit den hochmodernen Geräten erzeugt ein sehr komplexes Signal, das in Kombination mit einer Software auch kleinste Veränderungen in Hirnstrukturen sichtbar macht“, erklärt der Erstautor der Studie, Prof. Jonas A. Hosp, im Gespräch mit dieser Redaktion. Bei allen 127 Personen mit als auch ohne Langzeitbeschwerden, die zuvor mit Sars-Cov-2 infiziert waren, „konnten wir Veränderungen in der Mikrostruktur des Hirns nachweisen“, so der Oberarzt an der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie des Universitätsklinikums in Freiburg.
Corona: Veränderungen vor allem in der grauen Substanz
Besonders ausgeprägt waren die Veränderungen Hosp zufolge bei Menschen mit Post-Covid-Symptomen. Diese litten auch Monate nach der akuten Erkrankung unter Konzentrationsstörungen, kognitiven Einschränkungen oder starker Erschöpfung. „In dieser Gruppe waren die Veränderungen ausgeprägter und anders geartet als bei genesenen Menschen ohne Post Covid“, so Hosp. Dies galt vor allem für die Bereiche der sogenannten Grauen Substanz.
Was die Scans genau zeigen, beschreibt der Mediziner aus Freiburg so: „Es geht dabei zum Beispiel um die Verteilung von Flüssigkeit auf die unterschiedlichen Gewebeanteile. Hier gibt es Unterschiede zwischen Personen mit und ohne Infektion“, so Hosp. „Dabei haben wir weniger Veränderungen in jenen Teilen des Gehirns gefunden, in denen Informationen weitergeleitet werden, sondern eher dort, wo deren Verarbeitung entsteht, nämlich in der Hirnrinde und den tiefen Kernregionen der grauen Substanz.“ Hierbei standen die Netzwerke, die betroffen waren, in enger funktioneller Verbindung zu den Beschwerden der Patienten.
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Bei diesen handelte es sich unter anderem um Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsstörungen, die laut Hosp mit herkömmlichen neuropsychologischen Tests nicht immer nachzuweisen sind. „Es ist nicht so, dass diese Menschen Anzeichen einer Demenz zeigen. Bei Anstrengung oder Forderung setzt eher eine Art Reizüberflutung ein“, so Hosp. Die konkreten Ursachen für diese Veränderungen im Gehirn seien unklar.
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„Können das noch nicht auf einzelne Patienten anwenden“
Dass sich eine Infektion mit Bakterien oder Viren auch auf das Hirn auswirkt, etwa durch Entzündungsreaktionen, sei bekannt, erklärt Hosp, „es gibt aber deutliche Hinweise dafür, dass diese Reaktion bei Sars-CoV-2 ausgeprägter ist und zu mehr Problemen führt als bei anderen Viren und Bakterien. Es kommt zu einer immunologischen Aktivierung, die im Gehirn einiges durcheinanderwirft“, so Hosp.
Die Medizinerinnen und Mediziner aus Freiburg wollen ihre Forschung fortsetzen. „Wir haben aktuell nur Gruppen statistisch miteinander verglichen und können die Erkenntnisse noch nicht auf den einzelnen Patienten anwenden. So weit sind wir noch nicht“, sagt Hosp. Ebenso unklar sei, wie lange die Veränderungen im Hirn anhalten können. „Wenn wir die Veränderungen besser verstehen, könnte es auch gelingen, gezielte Behandlungen für Betroffene von Post Covid zu entwickeln und deren Lebensqualität zu verbessern.“
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Als Post Covid werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als zwölf Wochen nach Beginn der Sars-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Die unter diesen Begriff bezeichneten Symptome können Beschwerden der Lunge, des Herz-Kreislaufsystems, der Muskulatur, Erschöpfungszustände, Konzentrationsschwäche und Kopfschmerzen bis hin zu Angstzuständen und Depression sein.