Hamburg/Berlin. Wer Angst vor Ablehnung hat, traut sich oft nicht, Fremde anzusprechen – und bleibt einsam. Eric Schmidt stellt sich dieser Herausforderung.

Es gibt keinen Weg zurück. Bei den letzten Schritten zur Parkbank beschleunigt sich mein Herzschlag, den spontanen Schweißausbruch kann ich nicht mit den Temperaturen nahe der 30 Grad erklären. Auf der Bank sitzt ein Herr jenseits der 70, etwas verdrießlicher Gesichtsausdruck, meine erste Zielperson.

Rejection Therapy: Die erste Ablehnung

Schon stehe ich vor ihm und wiederhole den Satz, den ich zuvor einmal laut und hunderte Male in meinem Kopf durchgesprochen habe: „Hi, Entschuldigung, wir suchen jemanden, der mit uns picknickt. Wir haben ein paar Snacks dabei und wollten fragen, ob Sie Lust haben.“ Der völlig fremde Mann guckt mich an, etwas verdutzt, aber freundlich. „Nee, ich hab gerade erst gegessen“, sagt er.

Eine Ablehnung – Ziel erreicht. Ich verabschiede mich und gehe weiter. Eric Schmidt, der die ganze Zeit neben mir gelaufen ist, lobt mich für meinen Versuch. Er ist der Grund, warum ich mir das antue. Warum ich mich dem aussetze, was Menschen instinktiv fürchten: soziale Ablehnung. „Ablehnung kann zu einem inneren Ausnahmezustand führen, weil mein Gegenüber damit meine Leben und meine Identität infrage stellt“, erklärt Wolfgang Krüger, Psychologe und Buchautor.

Der Mann, der die Rejection Therapy nach Deutschland brachte

Eric ist 26, ein lockerer Typ. Vor einigen Wochen hat ihn mir der Algorithmus aufs Smartphone gespült und mir damit die Rejection Therapy („Ablehnungs-Therapie“) nähergebracht. Das Prinzip stammt aus den USA. Es geht darum, sich immer wieder Herausforderungen zu stellen, die das Risiko der Ablehnung mit sich bringen, um damit besser umgehen zu können. „Man kann die Resilienz gegen Ablehnung trainieren. Wenn man geübt darin ist, Ablehnung zu bekommen und diese nicht auf die eigene Person bezieht, dann kann man souverän damit umgehen“, erklärt Krüger.

Im Original wird das schnell extrem. Bereits die erste Aufgabe ist es, einen Fremden nach 100 Dollar zu fragen, Ablehnung quasi garantiert. Eric hat das Prinzip für sich angepasst, ihm geht es vor allem darum, sich trotz der möglichen Ablehnung auf Situationen einzulassen, in denen er schöne Momente erleben oder neue Kontakte knüpfen kann. Deswegen fragte er in den vergangenen Wochen fremde Leute, ob sie mit ihm essen gehen wollen, eine Runde Kniffel spielen oder sich gemeinsam an den Hamburger Elbstrand setzen. Immer wieder erfährt er dabei Ablehnung, am Ende findet er aber stets jemanden, der sich auf ein gemeinsames Erlebnis einlässt.

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„Ich wollte wissen, wie es ist, Leute im Alltag kennenzulernen und ob das in Deutschland überhaupt geht. Wir haben ja den Ruf, eher kalt und weniger zugänglich zu sein – im Vergleich zu anderen Teilen der Welt wie zum Beispiel Lateinamerika“, erklärt er seine Motivation.

Psychologe: „Es ist einfach, mit Ablehnung umzugehen, wenn man das Ganze wie ein Spiel angeht“

Mit Videos dokumentiert er die jeweiligen Challenges (Herausforderungen). Sowohl die Ablehnung, als auch die schönen Momente, die sich ergeben, wenn er jemanden findet. Er selbst nennt es „Wohlfühlcontent“. Das Prinzip scheint anzukommen, auf TikTok und Instagram folgen ihm Tausende.

Eric Schmidt
Eric Schmidt bringt Menschen über Social Media die sogenannte Rejection Therapy nahe. © Maxim Gerber | Maxim Gerber

Offenbar trifft er einen Nerv bei vielen Menschen, die gerne neue Kontakte knüpfen würden, aber Angst davor haben, sich möglicher Ablehnung auszusetzen. Auch bei mir. „Es ist einfach, mit Ablehnung umzugehen, wenn man das Ganze wie ein Spiel angeht“, erklärt Krüger das Erfolgsprinzip.

Mit Ablehnung klarkommen: Diese Übungen empfiehlt ein Psychologe

Der Psychologe empfiehlt zwei Übungen, um die eigene Resilienz gegen Ablehnung zu stärken: Freunde bitten, positive Eigenschaften aufzuschreiben, die sie an einem schätzen und am Abend reflektieren, was man selbst Positives am Tag getan hat. Danach könne man versuchen, Ablehnung in sein Leben zu integrieren.

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Ich bin ohne diese Vorbereitung nach Hamburg gereist, um mit Eric gemeinsam eine Challenge zu absolvieren. Unser Ziel: Mit fremden Menschen ein kleines Picknick im Park veranstalten. Bevor er mich auf die Parkbesucher loslässt, gibt Eric mir noch ein paar Tipps, um meine Erfolgschancen zu verbessern.

Erics Tipps, um mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen

  • Plan und Intention klar kommunizieren
  • Lockere Ansprache wählen
  • Sich der eigenen, guten Intention bewusst machen
  • Eine mögliche Ablehnung nicht auf sich beziehen, sondern verstehen, dass es viele Gründe geben kann, dass ein Gegenüber keine Zeit oder kein Interesse hat

Trotz der Hinweise wird der ältere Herr nicht der letzte sein, der mich abweist. Erstes kleines Erfolgserlebnis: Zwei Tischtennisspieler sind überrascht, aber haben nichts dagegen, dass wir neben der Platte Platz nehmen. Das Gespräch läuft langsam an, doch als Eric fragt, ob er für sein Projekt filmen darf, stoßen wir erneut auf Ablehnung. Nach fünf Absagen fällt mir zwar das Ansprechen irgendwie leichter, dennoch merke ich, dass ich etwas enttäuscht bin. Ich bitte Eric zu übernehmen. Sein erster Versuch ist nicht von Erfolg gekrönt. Immerhin: Auch der Profi erfährt noch Ablehnung.

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Als wir schon kurz davor sind, unser Glück woanders zu versuchen, entdecken wir eine Dreiergruppe in unserem Alter. Sie rauchen und spielen Karten, aus einem Handy läuft leise Musik. Schon stehen wir neben ihnen und Eric erklärt unsere Mission. Die drei sind sofort einverstanden. Wir reichen uns die Hände und breiten unsere Decke neben der von Emma, Julius und Jan aus.

Mit der Rejection Therapy erfolgreiche neue Menschen kennengelernt

Keine 30 Minuten später sind wir mitten im Gespräch. Emma erzählt vom Taylor Swift-Konzert in Gelsenkirchen, Julius von seinen Tattoos und Jan von der Kneipe, in der er arbeitet. Sie alle fragen Eric über sein Projekt aus. Innerhalb kürzester Zeit sind zwei völlig fremde Gruppen zusammengewachsen. Ein Zufall? Eric hat eine Theorie: „Die Chance, offene und freundliche Leute bei diesen Experimenten kennenzulernen, ist viel höher, weil nur solche Leute sich auf spontane Erlebnisse einlassen.“

Nach ein paar Stunden verlegen wir in die nahegelegene Minigolfanlage. Es fühlt sich an, als ob wir uns seit Monaten kennen würden und nicht erst seit wenigen Stunden. Als ich mich verabschiede, umarmen wir uns. Eric hat längst die Nummern mit Julius getauscht, ich bin mir sicher, dass die vier sich wiedertreffen werden.

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Freundinnen und Freunde – nie waren sie wertvoller

Familienpackung

Ich bin ein wenig neidisch, denn ich werde wohl nicht dabei sein können. Ob ich in Berlin ähnlich sympathische Leute im Park kennenlernen kann? Es gibt wohl nur eine Art, das herauszufinden. Und obwohl der Gedanke daran, alleine durch einen Park zu streifen und nach Menschen zu suchen, mit denen ich ein paar schöne Stunden verbringen kann, mich immer noch nervös macht, weiß ich jetzt, was passieren kann, wenn sie sich darauf einlassen. Und dass es nicht an mir liegt, wenn sie es nicht tun.