Gelsenkirchen. Taylor Swift gastiert im Ruhrgebiet. Mit diesen Überraschungen startete das erste von drei Konzerten in der Arena „Auf Schalke“.

Sie kommt etwas früher als ursprünglich erwartet. Aber was heißt schon, „sie kommt“. Taylor Swift erscheint. So, wie es sich für einen Megastar gehört. Ganz plötzlich erhebt sie sich aus den fallschirmartigen Tüchern, die sechs Tänzer hereingetragen haben. Von da an ist für die meisten der gut 60.000 Besucher nichts mehr, wie es war. Mehr als ein Jahr haben viele schon die Karten und gewartet auf diesen Tag. Und nicht wenige haben schon vor dem Stadion gestanden, als der Mittwochmorgen erst dämmert.  „Schön euch zu sehen“, ruft Swift auf Deutsch, als sie die Bühne betritt. Und als sie „Gelsenkirchen“ überraschend nicht „Gelsenkörken“ nennt, sondern zumindest „Gelsenkörchen“ ausspricht und beim zweiten Mal gar keinen Fehler mehr macht, kennt der Jubel keine Grenzen mehr.

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Schon die ersten Songs zeigen, was so besonders ist an der 34-Jährigen aus West Reading, Pennsylvania. In Glitzerbody und Cowboystiefeln steht sie ganz allein auf dem weit ins Publikum ragenden Laufsteg der riesigen Bühne. Ein hydraulischer Würfel hebt sie dort unter dem Jubel der Fans in die Höhe, während Swift „Miss Americana & the Heartbreak Prince“ singt und nahtlos „Cruel Summer“ anhängt. Weit weg ist die Band am Rande der Bühne, alle Tänzer haben sich zurückgezogen. Nur Swift ist da und steht mit einer unglaublichen Präsenz vor 60.000 jubelnden Fans. Nach nicht einmal zwei Liedern hat sie die Zuschauer, da wo andere Künstler sie erst bei der Zugabe haben.

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Die wird es an diesem Abend nicht geben. Warum auch? Gut dreieinhalb Stunden wird Swift für eine musikalische Reise auf der Bühne und 45 Songs aus ihrem musikalischen Leben spielen, das oft eng verwoben ist mit ihrem echten. Und fast jede Sekunde davon steht Swift nicht nur auf der Bühne, sondern im Mittelpunkt. Sie singt und tanzt, sie spielt Klavier oder Gitarre. Und manchmal, ganz kurz nur, steht sie einfach nur da und blickt über die riesige Arena, in der die Menschen gar nicht aufhören wollen zu klatschen.

Taylor Swift in Gelsenkirchen: durch die „Eras“ im Glitzerbody und in Cowboystiefeln

 „Swifties“, wie ihre Fans sich selber nennen, wissen, was sie erwartet. Reihenfolge und Liedauswahl sind seit 116 Konzerten immer identisch – abgesehen davon, dass es jedes Mal zwei sogenannte „Surprise Songs“ gibt und seit dem Erscheinen des jüngsten Albums eine Era hinzugekommen ist.

Taylor Swift bei ihrem Auftritt in „Swiftkirchen“.
Taylor Swift bei ihrem Auftritt in „Swiftkirchen“. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Auch sonst gibt es für das Wort Improvisieren keinen Platz in diesem Spektakel. Genauso wenig wie für Fehler. Hervorragend ist die meist im Hintergrund spielende Begleitband, großartig die Truppe von Tänzern und Tänzerinnen und stets passend und raffiniert sind die Effekte auf dem High-Tech-Bühnenboden und den gigantischen Bildschirmen. Für „normale“ Fans ist das eine Show auf höchstem Niveau und in fast völliger Perfektion, in der allerdings die Technik niemals wichtiger wird als die Menschen. 

Für Swifties aber ist es viel mehr. Das liegt nicht daran, dass ihr Idol gut singen kann und eine brillante Songwriterin ist. Das sind andere auch. Aber Swift ist anders, egal in welche Rolle sie gerade schlüpft. Ob als das Mädchen vom Land im wallenden Hippiekleid oder in schwarzem, hautengen Leder-Catsuit – die Optik ist wichtig, das Wichtigste aber ist sie nicht. Für Swifties zählt das Wort, was sich schon zeigt, als der Star kurz nach Konzertbeginn bei „Cruel Summer“ rhetorisch fragt „kennt jemand den Text“. Fast alle kennen ihn, so wie sie nahezu jeden Songtext kennen und mit diesem Wissen die Arena über weite Strecken in den am Mittwoch größten Chor der Welt verwandeln, ohne dass es eines Dirigenten bedarf. 

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So weit die Lebenswelt von Swift von den meisten ihrer Fans auch weg sein mag, sie finden sich wieder in den oft sehr ernsten Texten ihrer Songs. Weil sie vielleicht auch jemanden im Bekanntenkreis haben, der von Einsamkeit oder Selbstzweifeln geplagt wird, wie Swift sie besingt. Oder weil der Liebeskummer, um den es in einigen ihrer Songs geht, zumindest ähnlich dem eigenen ist und Mobbing eben Mobbing bleibt, egal ob es von Kanye West kommt oder von Mitschülern. Sie kennen nicht nur jede Zeile, sie glauben auch zu wissen, um wen oder was es in den Songs geht. Denn ebenso perfekt wie sie singt, spielt Swift auch auf der Klaviatur der sozialen Medien.

Verschworene Gemeinschaft mit eingespielten Ritualen

Selbst im riesigen Stadionrund gelingt es der Sängerin jedenfalls bei manchen Songs eine gewisse Nahbarkeit zu vermitteln. Sie wirkt wie eine Freundin, die einem ihr Tagebuch offenbart und wenn sie irgendwann an diesem Abend auf Deutsch sagt „Ich liebe euch alle“, glauben viele, dass sie das tatsächlich so meint. Was sie vielleicht auch tut. So sind sie eine verschworene Gemeinschaft mit längst eingespielten Ritualen geworden. Wenn Swift etwa an einem mit künstlichem Moos verkleideten Flügel den Song „Champagne Problems“ beendet hat, bleibt sie sitzen, schaut nach links und rechts – schüchtern, fast schon als könne sie es manchmal gar nicht glauben. Drumherum kreischen die Fans – eine Minute, manchmal länger. In Los Angeles hat der Applaus einmal knapp neun Minuten gedauert, am ersten Abend in Gelsenkirchen immerhin knapp zweieinhalb.

Glücklich dabei zu sein, waren diese Fans vor der Arena.
Glücklich dabei zu sein, waren diese Fans vor der Arena. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Was als Ausdruck überschäumender Freude begann, ist längst ein festes Element der Show – genau wie der Hut, den Swift nach dem Song „22“ einem kleinen Kind aus dem Publikum auf den Kopf setzt. Oder wie die selbstgemachten Plastik-Perlenarmbänder, die die – zu gut 80 Prozent weiblichen – Fans vor und während des Konzertes untereinander tauscht.

So liegt am Ende der dreieinhalb Stunden nicht der Hauch einer Enttäuschung auch nur auf einem Gesicht. Swifties werden sich – Taylor hat es zwischendurch schon angekündigt – künftig beim Hören der Musik immer an diesen Abend erinnern. Alle anderen dürfen sich zumindest darüber freuen, die derzeit wohl spektakulärste Show in der Musikbranche gesehen zu haben. Swift selbst verschwindet derweil angeblich mit Freund Travis Kelce hinter die Bühne und dann ins Hotel.

Plötzlich gab es noch Karten an der Abendkasse

Viel überraschender aber war etwas ganz anderes am ersten Tag: Für die Show gab es kurz vor Beginn am Abend plötzlich noch knapp zwei Dutzend Tickets. Nicht weit von der Bühne, beste Sicht und deshalb 240 Euro pro Karte teuer. Der Preis war allerdings nicht der Grund für einen schleppenden Verkauf. Anders als an den Getränke- oder den fast leergekauften Merchandising-Ständen konnte man die Tickets nicht mit EC- oder Kreditkarte bezahlen. Wieso sie überhaupt plötzlich auftauchten, war an der Abendkasse nicht zu erfahren. Und auch, ob am Donnerstag oder Freitag mit weiteren Rückläufern zu rechnen ist, ist nicht bekannt. „Nehmen Sie“, rät eine Mitarbeiterin des Veranstalters nur, „vorsichtshalber lieber mehr Bargeld mit, wenn Sie noch ins Konzert wollen.“

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