Berlin. Bis heute müssen Astronauten Windeln tragen, während sie kaum Trinkwasser haben. Ein neues System versucht nun beide Probleme zu lösen.

Es ist seit Anbeginn der bemannten Raumfahrt eines der großen Probleme: wohin mit den Ausscheidungen der Astronauten? Bei einem Außenbordeinsatz müssen die Raumfahrerinnen und Raumfahrer bis heute Windeln tragen, die häufig undicht sind. „Die Astronauten erzählen, dass sie ab einem bestimmten Punkt nicht mehr unterscheiden können, ob es sich um Urin oder Schweiß handelt“, berichtet Sofia Etlin, Forscherin an der Weill Cornell Medicine und Cornell University. In der Konsequenz verzichten vor Weltraumausstiegen viele Astronauten auf Speisen und Getränke – andere klagen über Harnwegsinfekte.

Etlin und weitere Wissenschaftler und Wissenschaftler von der New Yorker Cornell University haben deshalb einen den „Stillsuits“ aus dem Science-Fiction-Klassiker „Dune“ nachempfundenen Raumanzug entwickelt, der den Urin der Astronauten sammelt und ihn in wenigen Minuten in Trinkwasser umwandelt. In „Dune“ tragen die Bewohner des Wüstenplaneten Arrakis derartige Anzüge, die ihren Schweiß und Urin in Trinkwasser umwandeln, – eine Inspiration für die Wissenschaftler, das neue Raumanzug-Hygienesystem zu entwickeln.

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Der nun von den New Yorker Wissenschaftlern entwickelte Anzug löst dabei ein zweites Problem vieler Raumfahrer: der Mangel an Trinkwasser bei Außenbordeinsätzen. „Derzeit haben die Astronauten nur einen Liter Wasser in ihren Trinkbeuteln“, so Forscherin Etlin. „Das reicht nicht für die geplanten längeren Weltraumspaziergänge auf dem Mond, die zehn Stunden und im Notfall sogar bis zu 24 Stunden dauern sollen.“

Die Astronauten können das Urin-Aufarbeitungssystem komfortabel auf ihrem Rücken tragen..
Die Astronauten können das Urin-Aufarbeitungssystem komfortabel auf ihrem Rücken tragen.. © DPA Images | Karen Morales

Wie das System Urin in Trinkwasser umwandelt

Das von den Forschern entwickelte Design besteht aus einem Unteranzug aus mehreren Schichten flexiblen Gewebes. In diesen befindet sich eine Auffangschale aus geformten Silikon, die sich um die Genitalien der Astronauten legt und für Männer und Frauen in der Form unterschiedlich ist.

Diese Silikonschale ist mit einer feuchtigkeitsaktivierten Vakuumpumpe verbunden, die sich automatisch einschaltet, wenn der Astronaut uriniert. Der Urin wird dann in ein Filtersystem geleitet, in dem durch Osmose das Wasser aus dem Urin getrennt und durch eine Pumpe entsalzt wird.

Für das Sammeln und Reinigen eines halben Liters Urin braucht das System dabei nur rund fünf Minuten. Im Weltraum könnte das gereinigte Wasser dabei noch mit Elektrolyten angereichert werden und den Astronauten als Energydrink zurückgegeben werden. Dabei ist das System auch noch sehr kompakt: Es misst 38 mal 23 mal 23 Zentimeter und wiegt etwa acht Kilogramm, was ausreichend leicht ist, um auf dem Backpack eines Raumanzuges getragen zu werden. Zwar ist das Gewicht in All oder auf dem Mond weniger relevant – allerdings kostet jedes Kilo, das von der Erde ins All geflogen werden muss, viel Geld.

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    Forscher suchen Probanden

    Die Entwickler des Anzugs hoffen, dass er noch in den kommenden Jahren im Rahmen des Artemis-Programms der Nasa eingesetzt werden kann. Bei dem geht es darum zu lernen, wie man längere Zeit auf anderen Himmelskörpern wie dem Mond oder dem Mars leben und arbeiten kann. Im Rahmen dieses Programms sollen in den kommenden Jahren zum ersten Mal seit über 50 Jahren wieder Menschen auf dem Mond landen. In den 2030er-Jahren soll es dann auch bemannte Missionen zum Mars geben.

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    Bevor es ins All geht, muss das Urin-Aufbereitungssystem jedoch irdische Tests bestehen. Hierzu plant das Entwicklerteam im Herbst in New York 100 Freiwillige zu rekrutieren, die den Anzug auf Komfort und Funktionalität testen sollen. Und auch wenn für viele Menschen das Trinken des eigenen Urins eklig klingen mag, ist es für Astronauten bereits heute üblich. Auf der Internationalen Raumstation (ISS) werden Urin und Schweiß der Raumfahrer routinemäßig aufbereitet.