Berlin. Manche Menschen kommen nur sehr schwer über ihren oder ihre Ex hinweg. Eine Psychologin erklärt, woran das liegt und was helfen kann.
Wenn eine Beziehung endet, ist das in den meisten Fällen schmerzhaft – besonders dann, wenn die Trennung von der anderen Person ausgeht. Glaubt man Charlotte York aus Sex and the City, dauert die Trauerphase halb so lange, wie die Beziehung selbst. Doch was, wenn man den Ex auch Jahre später nicht vergessen kann?
Andrea Buch ist Psychologin. Sie kennt sich mit Trennungen aus und weiß: Je mehr Faktoren eine Beziehung verbunden hat – seien es gemeinsame Kinder, geteilter Wohnraum oder sogar ein gemeinsames Haus – desto anstrengender ist die Trennung, da man sie auf verschiedenen Ebenen durchlaufen muss. „Man muss nicht nur den psychischen Teil verarbeiten und ein neues Denken für sich etablieren, sondern auch große, rechtliche und teilweise langwierige Prozesse durchlaufen“, erklärt sie.
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So zum Beispiel auch bei Marco M. Der 50-Jährige war 19 Jahre mit seiner Ex-Frau zusammen – 17 Jahre davon verheiratet. Im Herbst 2022 trennten sich die beiden. Seitdem streiten sie um das Sorgerecht für ihre neunjährige Tochter. „Ich würde gerne wieder ich selbst sein“, erzählt er. „Aber der Verkauf unseres gemeinsamen Hauses und die Betreuungssituation liefern so viel Konfliktpotenzial, dass ich kaum noch Zeit für andere Dinge habe.“
Ex-Partner: Streitigkeiten verzögern die Verarbeitung der Trennung
Auch Andrea Buch hat eine Klientin, die fünf Jahre mit ihrem Ex-Mann vor Gericht gestritten hat. Da kann es schwerfallen, innerlich Frieden mit der Situation zu finden.
Doch gerade bei Paaren, die lange zusammen waren und gemeinsame Kinder haben, spielt Akzeptanz laut der Psychologin eine große Rolle. „Der gemeinsame Lebenstraum, den man hatte oder die Vorstellung der kleinen, glücklichen Familie hat erstmal einen Riss bekommen. Da fällt es schwer, die Trennung mit dem eigenen Bild der Zukunft zu vereinbaren“, so Andrea Buch.
In den meisten Fällen gibt es Gründe dafür, wieso eine Beziehung nicht funktioniert hat. Deshalb sei ab einem gewissen Punkt wichtig, einen harten Realismus walten lassen und sich zu fragen: Was war diese Beziehung am Schluss? War sie wirklich dieses rosarote Disney-Schloss, dem ich gerade hinterherjage?
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Danach könne man laut der Psychologin wieder neutraler an die Situation rangehen und sagen: Die Ebene als Ehemann oder Partnerin gibt es zwar nicht mehr, aber Familie kann es trotzdem geben. Die Kinder sind weiterhin da und das Paar bleibt als Eltern bestehen.
Trennung und Scheidung: Tipps für Umgang mit eigenen Gefühlen
„Wer die Anliegen der Familie und der Kinder in den Vordergrund stellt, kann konstruktiver am Verhältnis miteinander arbeiten“, erklärt sie. “Wenn ein Ex-Paar sich hingegen gegenseitig alte Verletzungen vorhält und zynisch wird, ist das alles andere als hilfreich”.
Ebenso verhalte es sich mit Ablenkung durch Alkohol, Sex, Partys oder Essen. Das sei laut Buch zwar kurzfristig in Ordnung, würde aber auf Dauer den Prozess verzögern. Sinnvoller sei es, alle Gefühle bewusst zu fühlen, um irgendwann abschließen zu können.
In der Praxis stellt Andrea Buch ihren Klienten und Klientinnen, die sich schwer damit tun, ein Beziehungs-Aus zu verarbeiten, gern die Frage: Was vermissen Sie dann eigentlich genau an Ihrem Ex? Sind es gemeinsame Aktivitäten? Ist es die körperliche oder emotionale Nähe? Ist es Sexualität? Ist es das Gefühl, geliebt zu werden oder selber zu lieben?
„Und manchmal findet man raus, dass man gar nicht die Person selbst vermisst, sondern das, was mit der Person stattgefunden hat“, erklärt sie. Und das können eben auch gemeinsame Urlaube, Weihnachten als Familie oder jemand sein, der dabei hilft, den Ikea-Schrank aufzubauen.
Trennungsschmerz: Gründe für lange Trauer liegen oft tiefer
Die Gründe, wieso es eine Person so viel Energie kostet, über eine Trennung hinwegzukommen, können aber auch tiefer liegen. So wie in Nikis Fall. Die 20-Jährige fiel in ein tiefes, dunkles Loch, als sich ihr Freund – für sie völlig überraschend – von ihr trennte. Nach der Trennung habe sie ein halbes Jahr lang jeden Tag geweint.
„Es war, als würde ich in einer Wolke leben. Ich habe die Außenwelt nur noch gedämpft wahrgenommen“, sagt sie. „Ich hatte keinen Spaß mehr, war ungern mit Freunden unterwegs und wollte nicht mehr rausgehen.“ Wochenlang scrollte sich durch das Instagram-Profil ihres Ex-Freundes, beobachtete, wem er folgte, wessen Fotos er likte. „Ich war wie besessen“, erzählt sie.
Das kennt auch Andrea Buch aus ihrer Arbeit. Sie empfiehlt: „Am besten ist es, Social Media eine Zeit lang nicht zu nutzen oder den Ex zu blockieren. Wenn man ständig guckt, wen die Person liked oder wo sie sich aufhält, kann das die Fantasie befeuern.“
Niki zog sich nach der Trennung immer mehr zurück, sprach nur noch mit ihrer Familie und ihrer besten Freundin über ihren Schmerz. „Bei allen anderen habe ich mich irgendwann nicht mehr getraut, weil ich ihnen angesehen habe, dass das Thema langsam durch ist“, sagt sie. Es seien sogar Freundschaften kaputtgegangen, weil sich ihre Gedanken nur noch um die Trennung kreisten. „Kaum jemand konnte das nachvollziehen“.
Trennungsschmerz und klassische Trauer ähneln sich stark
Laut Andrea Buch ist eine Trennung und somit der Verlust eines geliebten Menschen der klassischen Trauer sehr ähnlich und bedarf daher auch Trauerarbeit. „Das dauert und es kann auch Zeiten geben, in denen man sich mal zurückzieht“, sagt sie.
Kritisch wird es, wenn der Alltag nicht mehr funktioniert. Wenn jemand nicht mehr zur Arbeit geht, zu Hause alles liegen bleibt, die Trennung – wie in Nikis Fall – immer und immer wieder im Kopf durchgespielt wird oder Sätze fallen wie: Ich weiß gar nicht mehr, wofür ich noch leben soll.
Gerade bei Freunden, die eine psychische Vorbelastung haben, mache es Sinn, wachsam zu bleiben, ohne dabei „den Teufel an die Wand zu malen“, so die Psychologin. Es sei keine Schande, sich nach einer Trennung an eine Beratungsstelle oder Notfallseelsorge zu wenden, wenn man das Gefühl hat, Unterstützung zu brauchen.
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„Nicht jede Trennung verläuft harmonisch“, erklärt sie. “Bei verheirateten Paaren kann es zum Beispiel zu einem langwierigen und unschönen Scheidungsprozess kommen. Da kann therapeutische Hilfe sinnvoll sein”.
Trennung: Professionelle Unterstützung oft hilfreich
Neujahr 2021 – anderthalb Jahre nach der Trennung – fasste Niki den Entschluss, sich professionelle Hilfe zu suchen. “Ich habe acht Stunden durchgeheult”, sagt sie. “Da habe ich gemerkt: Das ist nicht normal, was hier gerade passiert”. Sie vereinbarte einen Termin bei ihrer Hausärztin, die ihr empfahl, sich dringend einen Therapeuten zu suchen.
Niki hatte Glück, bekam wenig später einen Termin zum Erstgespräch und begann im Februar 2021 eine Therapie. Das ist nicht immer so. Laut Bundespsychotherapeutenkammer warten die meisten Menschen in Niedersachsen, wo Niki lebt, mehr als fünf Monate auf einen festen Therapieplatz. Nikis Diagnose: eine depressive Episode.
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Es folgten sieben Monate, in denen sie wöchentlich zu Sitzungen ging und über ihre Gefühle sprach. Heute weiß sie: Der Ursprung für ihre andauernde Trauer liegt in ihrer Kindheit: die Angst, verlassen zu werden. Niki wuchs bei ihrem Vater auf, der viel arbeitete und wenig Zeit für sie hatte. Ihre Mutter sah sie selten, war als Kind viel alleine.
Beziehung: Vorsicht vor emotionaler Abhängigkeit
„Als mein Ex-Freund von einem auf den anderen Tag weg war und ich nicht verstanden habe, warum, fühlte ich mich im Stich gelassen“, sagt sie. Das habe Themen aus ihrer Kindheit aufgewühlt. „Ich dachte: Irgendwie lassen mich alle Menschen alleine und niemand will für mich da sein. Deshalb hat mich die Trennung so getroffen.“
Diese Erkenntnis sei wie ein Befreiungsschlag gewesen. Sie entfolgte ihrem Ex auf allen Sozialen Medien, blickte nach vorne. Heute sagt sie: „Ich habe aus der Beziehung gelernt.“ Es habe sie drei Jahre gekostet, ihr Selbstbewusstsein nach der Trennung wieder aufzubauen und eine neue Beziehung einzugehen. Deshalb möchte sie nie wieder emotional abhängig von einem Menschen sein.
„Ich muss fein damit sein, dass mein Partner morgen aufwachen und sagen kann: ‘Hey, irgendwie ist das nicht mehr das Richtige für mich.’“, so Niki heute. „Und genauso kann ich die Person sein, die morgen aufwacht und sagt: ‘Ich fühle das Ganze nicht mehr.’“ Sie liebe ihren Partner und hoffe, dass sie für immer zusammen bleiben. „Aber ich kann auch allein auf meinen beiden Beinen stehen“, davon ist sie überzeugt. „Sollten wir uns irgendwann trennen, werde ich trauern und es wird mir Scheiße gehen, aber ich komme da auch wieder raus.“