Berlin. Jetzt soll es schnell gehen: Merz will bis Ostern eine Koalition schmieden. Was geht mit der SPD – und wer könnte jetzt Minister werden?

Es ist kurz vor 2 Uhr in der Nacht, als Friedrich Merz endlich aufatmen kann: Die Stimmen sind ausgezählt, es reicht für ein Zweierbündnis von Union und SPD. Kein kompliziertes Dreierbündnis, keine Zwangsheirat zwischen Markus Söder und den Grünen. Jetzt soll es schnell gehen: Merz will bis Ostern eine Koalition schmieden. Was geht mit der SPD – und wer könnte jetzt Minister werden?

Eine Regierungsbildung innerhalb von acht Wochen – das wird sportlich. Aus mehreren Gründen: Die SPD steht unter Schock und muss sich nach der krachenden Wahlniederlage erst neu sortieren. Bis zur Hamburg-Wahl am kommenden Sonntag stehen die potenziellen Partner zudem noch als Gegner im Wahlkampf. Merz wollte am Montag mit SPD-Chef Lars Klingbeil sprechen, in den nächsten Tagen dann auch mit Noch-Kanzler Olaf Scholz. Ab der kommenden Woche soll es dann konkrete Gespräche zur Regierungsbildung geben.

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Friedrich Merz will bis Ostern eine Regierung bilden – das wird sportlich. © imago/Xinhua | IMAGO/Du Zheyu

Gleichzeitig dreht sich die internationale Krisenspirale weiter: Merz hat noch am Wahlabend mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron telefoniert, vor dessen Besuch bei US-Präsident Donald Trump. Scholz und sein potenzieller Nachfolger Friedrich Merz müssen in der Übergangsphase ein Tandem bilden – damit Deutschland in Europa und gegenüber Donald Trump und Wladimir Putin mit einer Stimme spricht.

Geht es nach Merz, soll es in den Gesprächen mit der SPD zunächst eine grundsätzliche Verständigung auf drei großen Feldern geben: Außen- und Sicherheitspolitik („Wir als Europäer müssen sehr schnell handlungsfähig sein“), Migration („Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich gehe davon aus, dass die SPD, dieses Problem jetzt auch lösen will“) und Wirtschaft („Wir müssen die Arbeitsplätze in der Industrie erhalten, das wird die SPD selbst auch so wollen.“)

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Denkbar ist zudem eine ungewöhnliche Verständigung mit SPD, Grünen und FDP noch vor dem Regierungswechsel: Um außerplanmäßig Geld für die steigenden Verteidigungsausgaben bereitzustellen – etwa durch eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen – braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Die Zeit drängt: In der kommenden Wahlperiode haben AfD und Linke eine Sperrminorität.

Merz‘ Kabinett: Die CSU hat die ersten Posten schon vergeben

Während CDU, CSU und SPD bei vielen Sachfragen einigungsfähig sein dürfen, könnte es spätestens bei der Postenvergabe kompliziert werden: Die CSU wird selbstbewusst auftreten – einmal, weil es in der DNA der Bayern liegt und es zum Deal zwischen Merz und Söder gehört, dass die CSU als Dank für ihre Solidarität im Wahlkampf ordentlich belohnt wird. Aber auch, weil die CSU mit 37,2 Prozent der Stimmen in Bayern deutlich besser abgeschnitten hat als die Union insgesamt mit 28, 5 Prozent. Mehr als ein Fünftel (6 Prozentpunkte) des bundesweiten Wahlerfolgs haben die Bayern beigesteuert.

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Meine schwerste Entscheidung

Das weckt Begehrlichkeiten: Bereits vor der Wahl hatte die CSU ihr Handtuch auf diverse Kabinettsposten gelegt: Der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, könnte Landwirtschaftsminister werden. Nach Söders Willen soll zudem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt „ein ganz großes und schweres Ministerium“ bekommen – Dobrindt war bereits zwischen 2013 und 2017 Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Gute Chancen auf einen Kabinettsjob dürfte auch Dorothee Bär haben: Die CSU-Politikerin wurde bei der Bundestagswahl mit 50,5 Prozent Erststimmenkönigin. Bär war bereits unter Angela Merkel Digitalisierungsbeauftragte – keine schlechte Voraussetzung, um ein Digitalministerium zu leiten, wie es die Union plant.

Merz-Regierung: Gibt es jetzt ein Superministerium?

Noch ist offen, wie viele Ministerien es geben wird – und welchen Zuschnitt sie am Ende haben: Es kursieren Pläne, nach denen Merz die Zahl der Ressorts reduzieren will – und heutige Häuser zusammenlegen könnte. Was davon mit der SPD machbar ist – das wird sich im Lauf der Verhandlungen zeigen. Denkbar wäre etwa, die Bereiche Verkehr, Bauen und Energie zusammenzulegen. Auch die Bereiche Familie, Gesundheit und Rente könnten sich am Ende in einem neuen Superministerium wiederfinden. Klar ist zudem, dass Merz die Klimapolitik nicht mehr im Wirtschaftsministerium sieht – darum könnte sich in Zukunft wieder das Umweltministerium kümmern. Gleichzeitig könnte die Arbeitsmarktpolitik wieder im Wirtschaftsministerium angesiedelt werden.

Mit Blick auf seine eigene Partei hat Merz ein Problem: Mit den beiden Wirtschaftsexperten Carsten Linnemann und Jens Spahn drängen gleich zwei Männer aus NRW nach vorne, zudem muss Merz seinen Vertrauten, den Innenexperte Thorsten Frei, gut unterbringen.

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Klingbeil: Eine entscheidende Option hält sich der SPD-Chef offen

Bei der SPD ist ab sofort Parteichef Lars Klingbeil die zentrale Führungsfigur. Noch am Wahlabend hatte sich die Parteispitze darauf geeinigt, dass der 47-Jährige zusätzlich den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion übernehmen soll. Für mögliche Gespräche mit der Union ist Klingbeil somit der Kopf der SPD. Ob er im Falle einer Regierungsbildung auch ins Kabinett wechselt, muss sich erst noch zeigen. Zuletzt hatte die SPD die Rollen der Partei- und Fraktionschefs von einer Regierungsbeteiligung getrennt und war zufrieden mit der Aufteilung. Auch das könnte sich jetzt ändern.

Klingbeil ließ am Tag nach der Wahl bewusst offen, ob er sich auch einen Ministerposten vorstellen kann. Er wolle das Amt des Fraktionschefs „ausfüllen“, betonte Klingbeil, um zu signalisieren, dass dies für ihn nicht nur ein Zwischenschritt sein soll. „Ob es zu einer Regierungsbildung kommt“, fügte der SPD-Vorsitzende hinzu, „das steht nicht fest“. Er werde in mögliche Gespräche mit der Union gehen, ohne sich zu fragen: „Was bedeutet das für uns persönlich?“

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Sicher ist, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius einer neuen Regierung mit SPD-Beteiligung angehören soll. Er hatte zuletzt mehrfach gesagt, dass er sein Amt gerne weiter ausüben würde. Wechselt Klingbeil nicht ins Kabinett, dürfte Pistorius Vizekanzler werden. Als anerkannte Experten auf ihren Feldern gelten Arbeitsminister Hubertus Heil und Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Beide stehen allerdings nicht unbedingt für den von Klingbeil ausgerufenen Neuanfang. Weiterhin eine Rolle spielen könnte auch die bisherige Innenministerin Nancy Faeser, zudem gilt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas als mögliche Ministerin. Als Newcomerin in der ersten Reihe ist die Wirtschaftsexpertin und bisherige Fraktionsvizechefin Verena Hubertz denkbar.

Am Montag traten führende SPD-Politiker sichtbar auf die Bremse: Es dürfe in der aktuellen Lage ihrer Partei keine „Flucht in die Regierung“ geben, warnte die Vizeparteichefin und saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. Es gebe nun „keinen Automatismus“, dass sich seine Partei an einer Regierung mit CDU und CSU beteilige, warnte Generalsekretär Matthias Miersch. „Das werden schwierige Gespräche.“ Ein weiterer Stolperstein für die Neuauflage einer schwarz-roten Koalition ist zudem: Die SPD will am Ende möglicher Koalitionsgespräche ihre Mitglieder darüber entscheiden lassen.