Berlin. Neue Gesichter werden in der SPD nach dem Wahlschock gefordert. Es gibt Streichkandidaten – und einen möglichen neuen starken Mann.
Nach der schlimmen Wahlniederlage ist die SPD in Aufruhr. „Das ist ein mieser Abend“, sagte Parteichef Lars Klingbeil. Von einem „Schock“ sprach ein anderer wichtiger Sozialdemokrat. Bundeskanzler Olaf Scholz räumte die Wahlniederlage ein und kündigte an, Verantwortung dafür zu übernehmen. Scholz will sein Amt als Kanzler bis zur Wahl eines Nachfolgers fortführen, in der Partei wird er künftig keine herausragende Rolle mehr spielen.
Auch interessant

Nach gut drei Jahren an der Macht hat die SPD das Kanzleramt schon wieder verloren – und das mit einem historisch schlechten Ergebnis. Offen ist jedoch, wie es mit der SPD weitergeht. Klingbeil sprach von einer „Zäsur“ und kündigte einen Umbruch an: organisatorisch, inhaltlich und personell. In der Partei besteht darüber Einigkeit, dass nun etwas passieren müsse. Ein wichtiger SPD-Politiker sagte, Politik lebe von Veränderung. „Das gilt auch für Gesichter.“
SPD-Chef Klingbeil kündigt Generationswechsel an: Wen meint er?
Der 47-jährige Klingbeil kündigte einen „Generationswechsel“ an. Was meint er damit? In der Partei wird jetzt damit gerechnet, dass außer Scholz weitere führende Genossen von ihrem Platz in der ersten Reihe zurücktreten müssen.

Dass Scholz keine führende Rolle mehr einnimmt, ist sicher. „Für mich ist ganz klar, dass ich mich um das Amt des Bundeskanzlers beworben habe und um kein anderes in der Regierung zum Beispiel“, sagte Scholz in der „Elefantenrunde“ im Fernsehen. Scholz stellte auch klar, dass er nicht der Verhandlungsführer der SPD sein werde, wenn seine Partei mit der Union über eine Regierung sprechen sollte.
SPD-Chefin Saskia Esken: Wird sie zum Sündenbock gemacht?
Ein einflussreicher Sozialdemokrat sieht von Klingbeils Worten die Partei- und die Fraktionsspitze angesprochen. Also auch Klingbeil selbst? Der Niedersachse galt bisher als Hoffnungsträger der Partei. Und soll es auch bleiben. In einer Krisensitzung beschloss die Parteispitze am Sonntagabend, dass Klingbeil künftig neben der Partei auch die SPD-Bundestagsfraktion führen soll.
„Heute sind wir in der Parteiführung zu dem Schluss gekommen, dass es gut ist, wenn Jüngere den Karren weiterziehen und die Kräfte gebündelt werden“, teilte der bisherige Fraktionschef Rolf Mützenich mit. „Einstimmig schlagen wir Lars Klingbeil als Kandidat für das Amt des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Deutschen Bundestag vor.“ Der Rückzug des 65-jährigen Mützenich ist die erste Personalentscheidung nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses.
Auch interessant
Klingbeil ist damit neuer starker Mann bei der SPD, wenn er am Mittwoch als neuer Fraktionschef gewählt wird. Wackelkandidatin an der Parteispitze ist eher seine Mitvorsitzende Saskia Esken. „Eine neue Generation mit neuen Gesichtern, das wird in Zukunft notwendig sein“, sagte Esken nach dem schockierenden Wahlergebnis.
Boris Pistorius: Sein Name fällt jetzt immer wieder in der SPD
Die 63-jährige Baden-Württembergerin ist seit 2019 SPD-Chefin, manche Sozialdemokraten sehen in ihr einen Schwachpunkt. Dass Klingbeil aber nach der historischen Wahlschlappe im Amt bleibt und den Neuanfang gestalten soll, während Esken zum Sündenbock gemacht wird, wird in der SPD kritisch gesehen.
Auch interessant

Ein Name fällt jedoch am Wahlabend immer wieder, wenn es um die künftige Aufstellung der SPD geht: Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister ist sehr beliebt in der Bevölkerung und galt vielen als der bessere Kanzlerkandidat. Der Niedersachse ist allerdings auch schon 64 Jahre alt. Dennoch heißt es in der SPD: „Der wird noch eine wichtige Rolle einnehmen.“
Koalitionsgespräche: Pistorius bereit für „Führungsrolle“
Am Wahlabend machte Pistorius klar, dass er Verantwortung tragen will. „Die Partei entscheidet, mit welcher Mannschaft wir in die nächsten Monate und Jahre gehen“, sagte Pistorius. Er selbst sehe seine Rolle innerhalb der SPD als jemand, der bei etwaigen Koalitionsgesprächen „in der Führungsrolle der Partei“ dabei sei.
Auch interessant
Deutlich ist: Pistorius ist bereit – zumindest, wenn es ums Regieren und mögliche Verhandlungen mit Wahlsieger Friedrich Merz geht. Auch an der Spitze der Partei? Gefragt nach der künftigen Rolle von Pistorius sagte Esken am Wahlabend unbestimmt: „Wir haben eine Menge ganz herausragende Menschen in der SPD.“ Die SPD will jetzt nichts verstolpern.
Merz will schnelle Regierungsbildung
Wann die komplette Neuaufstellung der Partei geklärt wird, war somit zunächst unklar. Merz will schnell eine Regierung bilden. Spätestens bis Ostern solle diese stehen, sagte der CDU-Chef am Wahlabend. Den Genossen ist jetzt wichtig, Streit und Chaos zu vermeiden. Esken trat deswegen betont auf die Bremse: „Die Partei wird in den nächsten Wochen darüber sprechen müssen, wie wir uns neu aufstellen.“
Vor der Wahl am kommenden Sonntag in Hamburg, wo die SPD in den Umfragen deutlich führt, sollen Schlagzeilen über Personalstreit und Führungslosigkeit vermieden werden. Ob die Partei sich aber Zeit nehmen kann für die weitere Neuaufstellung, muss sich erst noch zeigen.