Berlin. Nur noch zwei Geschlechter: trans und nichtbinäre Menschen verlieren in den USA ihre mühsam erkämpften Rechte. Was das für Betroffene heißt.

Das X kommt weg: In den USA werden künftig keine geschlechtsneutralen Reisepässe mehr ausgestellt, und das ist erst der Anfang. Noch am Tag seiner Amtseinführung erklärte US-Präsident Donald Trump, dem „Transgender-Wahn“ werde nun ein Ende gesetzt: Künftig gebe es nur noch zwei durch die Biologie definierte Geschlechter: männlich und weiblich. Seitdem geht es Schlag auf Schlag.

Sofort untersagte Trump Behörden, Diversität zu fördern – also Chancengleichheit unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Alter oder religiöser Überzeugung. Transgender dürfen nicht mehr zum Militär, Schulen nicht über Transsexualität aufklären. Am vergangenen Freitag dann feuerte seine Regierung diejenigen Behördenmitarbeiter, die für die Förderung von Diversität zuständig waren.

Und es geht weiter: Transfrauen können künftig keinen Schutz mehr in Frauenhäusern bekommen. Werden sie zu Gefängnisstrafen verurteilt, müssen sie ins Männergefängnis. Nach Medienberichten wurden erste Transfrauen bereits aus Bundesgefängnissen verlegt. Transmädchen und Frauen werden außerdem von geschlechtsspezifischen Sportprogrammen ausgeschlossen. Besonders gravierend: Es droht der Verlust der Krankenversicherung. Auch Schulen und Universitäten, die Transgender und nichtbinäre Menschen akzeptieren, müssen damit rechnen, dass ihnen die Mittel gestrichen werden.

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Instagram und Facebook: Mark Zuckerberg schafft Faktenprüfer ab

Abgesehen davon hat Mark Zuckerberg bereits Anfang Januar angekündigt, auf seinen Meta-Plattformen Facebook, Instagram und Threads Faktenprüfer und Beschränkungen bei Themen wie Migration und Geschlechterfragen abzuschaffen. Was bedeutet: Wie schon bei Elon Musks Messenger-Dienst X gibt es mit Verweis auf die Meinungsfreiheit auch bei diskriminierenden Aussagen keine Beschränkungen.

Trans- und intergeschlechtliche Menschen werden künftig also nicht nur weniger Rückhalt bekommen, sie müssen auch damit rechnen, stärker als bisher diskriminiert zu werden. Hilfsorganisationen, die Trans- und nicht-binäre Menschen in den USA unterstützen, sind spätestens seit der US-Wahl im vergangenen November alarmiert. Sie drohen eine Klagewelle gegen die Verordnung an.

„Wir sehen uns vor Gericht“, erklärt etwa Tom Warnke von Lambda Legal. Die NGO hat den ersten Reisepass mit einem Geschlechtsmerkmal X für Dana Zzyym erwirkt. Der Name erreichte durch die mediale Aufmerksamkeit einige Berühmtheit. „Wir werden weiterhin an der Seite von Dana und allen Intersexuellen, Nicht-binären und Transgendern stehen, um ihr Recht auf Ausweisdokumente zu verteidigen“, hieß es noch am Tag der Amtseinführung.

LGBTQ-Community will für Vielfalt vor Gericht ziehen

Ähnlich äußert sich Ash Lazarus von den Advocats for Trans Equality, einer Hilfsorganisation, die ebenfalls Betroffene juristisch unterstützt, gegenüber dieser Redaktion: „Wir sind bereit, alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen, um solidarisch mit unserer Gemeinschaft zu bleiben“ – und zwar bis zum Obersten Gerichtshof. Vor allem die Angst vor drastische Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung sei groß, so Lazarus.

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Diese Erfahrung macht auch The Trevor Projekt. Die NGO bietet für junge LGBTQ-Menschen klassische Krisendienste über Telefon, Chat und Mail an. Ziel ist die Suizidprävention. Kurz nach der Wahl von Donald Trump sei am 6. November die Zahl der Anrufe besorgter Betroffener um 700 Prozent gestiegen.

20th anniversary Christopher Street Day and Pride march, Düsseldorf, Ggermany Düsseldorf, Germany, 10th June 2023. Sever
Überall auf der Welt demonstrieren Menschen beim Christopfer Street Day für die Rechte queerer Menschen. © IMAGO/Avalon.red | IMAGO stock

Dieser Wert sei in der vergangenen Woche kurz nach der Amtseinführung noch einmal um 46 Prozent übertroffen worden, teilt die Organisation mit. „Unabhängig von Ihren politischen Überzeugungen oder Ihrer Meinung zur derzeitigen Regierung muss uns allen in den Vereinigten Staaten eines klar sein: Das Leben junger Menschen ist in Gefahr – und wir müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um LGBTQ+-Jugendliche zu unterstützen“, erklärte Trevor-Projekt-Vorsitzender Jaymes Black. Die politische Angriffswelle auf Transgender- und nichtbinäre Jugendliche müsse aufhören.

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Transgender: Betroffene horten bereits Medikamente

LGBTQ-Organisationen und -Aktivisten rufen schon seit der Wiederwahl von Donald Trump Transgender-Personen und auch Familien mit Trans- oder non-binären Kindern dazu auf, sich zu wappnen, etwa, ihre Geschlechterangaben in wichtigen Dokumenten zu aktualisieren. Auf dem Nachrichtenportal Mother Jones, das sich für Minderheitenrechte und Vielfalt einsetzt, heißt es, viele Transgender rationierten und horteten bereits Medikamente – aus Angst, sie nicht mehr verschrieben zu bekommen. Eine Leserin namens Renée erklärte, sie zittere vor Angst um ihre Tochter, einem Transmädchen. „Wo sind künftig die sicheren Orte für sie – außer zu Hause? Ich habe keine Antwort und es macht mir Angst“.

Die Angst ist durchaus berechtigt, denn Donald Trump hat vor allem Menschen im Visier, die vom männlichen zum weiblichen Geschlecht transitionieren, den Transfrauen und -mädchen. Er betrachtet sie als Gefahr, wenn ihnen erlaubt sei, in die weiblichen Bereiche vorzudringen. „Es geht um die Frauen“, sagt er immer wieder. Die müssten geschützt werden vor dem „Transgender-Wahn“. Damit liegt er auf einer Linie mit Elon Musk, der seit drei Jahren gegen Geschlechtsangleichungen wettert. Seine Transfeindlichkeit hat familiäre Gründe: Seine 21-jährige Tochter Vivian Jenna Wilson hat sich 2022 als Transgender geoutet. Im vergangenen Jahr erklärte Elon Musk: „Mein Sohn wurde durch das Woke-Virus getötet.“

Wie Trump männlich und weiblich definiert, sorgt übrigens für Kopfschütteln unter Wissenschaftlern, etwa die American Medical Association. Der US-Präsident hält den Zeitpunkt der Befruchtung für ausschlaggebend. Für den Endokrinologen am Uniklinikum Schleswig-Holstein, Olaf Hiort, ist diese Definition nicht nachvollziehbar. „Zum Zeitpunkt der Befruchtung haben Sie nur eine Eizelle und eine Samenzelle“, sagte er der „Zeit“. „Die hat überhaupt kein Geschlecht.“