Berlin. Vier Wochen vor der Bundestagswahl verliert CDU-Chef Friedrich Merz die Nerven und nimmt ausdrücklich eine Zustimmung der AfD in Kauf.
Ausgerechnet in jenen Tagen, in denen die Welt der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren gedenkt, geschehen in Deutschland bemerkenswerte Dinge. Die Partei, die nach dem Krieg die friedvolle Bundesrepublik mit erfunden und wie keine andere geprägt hat, durchlöchert bei vollem Bewusstsein die eigene Brandmauer zum äußersten rechten Rand.
Am Wochenende, genau vier Wochen vor der Bundestagswahl und wenige Tage nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg, legte die Union um Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) die angekündigten Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik und zur Inneren Sicherheit vor. Es gibt reichlich Abgrenzungsrhetorik in Richtung der AfD. Aber ansonsten holt Merz das große Besteck raus: dauerhafte Grenzkontrollen, Schotten dicht für Ausländer ohne gültige Papiere, Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für kriminelle Doppelstaatler und so weiter und so fort.
CDU-Anträge: Plötzlich ist die AfD mitten im Geschehen
Um verfassungs- und europarechtliche Bedenken schert Merz sich nicht. Vor allem aber sagt er, es sei ihm egal, wer im Bundestag die Anträge unterstützt. Merz nimmt ausdrücklich eine Zustimmung der AfD in Kauf. In ihren Anträgen schreibt die Union, dass sie die AfD als Gegner betrachte. Das macht die Dinge nicht besser. Alice Weidel kann ihr Glück kaum fassen: Gestern noch war die AfD der Paria im Bundestag. Jetzt ist sie mitten im Geschehen.
Der CDU-Kanzlerkandidat, der die Umfragen vor der Wahl mit großem Abstand anführt, hätte einfach die Füße stillhalten und den Sieg am 23. Februar nach Hause schaukeln können. Stattdessen hat er in einem entscheidenden Augenblick seiner Karriere die Nerven verloren. Merz wertet die Feinde der offenen Gesellschaft ohne Not auf. Russisches Roulette statt Besonnenheit: Wer Kanzler werden und Wahlen in der Mitte gewinnen will, darf so etwas nicht tun.
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