Berlin. Der FDP-Chef präsentiert sich im Bundestag als Mann der Wirtschaft – und sucht demonstrativ die Nähe zur Union von Friedrich Merz.

Christian Lindner ist, man kann es nicht anders sagen, jetzt ein Politiker aus der zweiten Reihe. Zu Beginn der vergangenen Woche saß er als Finanzminister noch an den Schalthebeln der Macht. Nach seinem Rauswurf und dem Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition ist er einfacher Abgeordneter und als solcher so weit hinten in der parlamentarischen Hackordnung, dass er am Mittwoch bei der Aussprache im Bundestag zur aktuellen Lage erst als vierter Redner das Wort ergreifen darf.

Kurz vor Beginn der Sitzung hat er auffällig die Nähe zu Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU gesucht. Demonstrativer Smalltalk, ein schönes Motiv für die Fotografen. Lindner und Merz sitzen im Plenum nebeneinander, getrennt nur durch einen schmalen Gang.

Christian Lindner: „Unser Land muss jetzt in die Mitte geführt werden“

Und als der FDP-Chef am Nachmittag das Wort ergreift, ist er auch inhaltlich deutlich näher an Merz und seinen Leuten als an Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den bisherigen Partnern aus der Ampel-Koalition. Den wichtigsten Satz seiner Rede behält sich Lindner für den Schluss auf. Er sagt dann mit Blick auf die bevorstehenden Neuwahlen: „Unser Land muss jetzt von links in die Mitte geführt werden.“

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Nach Lage der Dinge müssen die Liberalen damit rechnen, bei den Wahlen im Februar aus dem Parlament zu fliegen. Am Mittwoch tut Lindner deshalb in Rede das, was er und seine Freien Demokraten bereits seit Monaten tun: Sie versuchen, sich als Partei der Wirtschaft in Szene zu setzen und so ihre Kernzielgruppe anzusprechen. Sie setzen alles auf eine Karte.

Bundestag
FDP-Chef Christian Lindner am Mittwoch im Bundestag. Mit Kanzler Olaf Scholz (SPD, im Hintergrund) verbindet ihn nur noch gegenseitige Abneigung. © DPA Images | Michael Kappeler

Im Plenum sagt der FDP-Chef Sätze wie diesen: „Es ist die Marktwirtschaft, die die Pflöcke einschlägt, an denen wir das soziale Netz aufhängen.“ Oder: „Statt eines lähmenden Bürokratismus brauchen wir mehr Vertrauen auf Eigenverantwortung und Unternehmergeist.“ Oder: „Statt eines Subventionsstaats, der alles lenken will, muss der Staat sich zurücknehmen.“ Ein weiterer Lindner-Satz lautet an diesem Nachmittag: „Wenn wir unsere Demokratie verteidigen wollen, dann hilft uns nicht die Nullsummenlogik der Umverteilung.“

Nach den Wahlen 2021 hätten sich SPD, Grüne und FDP nicht gesucht, aber dennoch Verantwortung übernommen, sagt Lindner. Auf die zentralen Herausforderungen der Zeit hätten die drei Koalitionspartner zuletzt keine gemeinsame Antwort mehr gefunden. Es habe „keine Gemeinsamkeit zur Grundrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ mehr gegeben. Die Schuldenbremse, die Lindner seit jeher verteidigt, sei für viele lediglich „eine lästige Fessel“. Die Regierung Scholz sei auch daran gescheitert, „dass wir im Kabinett nicht mehr über dasselbe Land gesprochen haben“.

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FDP-Chef: Nach einigen Tagen ein anderer Blick auf die Dinge

In der vergangenen Woche war Lindner sichtlich überrascht, dass nicht er es war, der die Koalition beendete. Mit dem Rauswurf des Finanzministers nahm der Kanzler selbst das Heft des Handels in die Hand – zumindest vorerst.

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Jetzt, mit dem Abstand von einigen Tagen und Nächten, scheint der FDP-Chef dem auch etwas Positives abgewinnen zu können. Er sagt am Mittwoch im Bundestag: „Manchmal ist eine Entlassung auch eine Befreiung.“ Während seiner Rede erhält er viel Applaus aus seiner Fraktion – und aus den Reihen der CDU/CSU-Abgeordneten um Friedrich Merz.