Berlin. Spätestens jetzt muss klar sein: An schnellen Neuwahlen führt kein Weg mehr vorbei, sonst wird der Schaden nur noch größer.
Die Ampel ist zerbrochen. Und es reicht offenbar nicht, dass die Scherben am Boden liegen. Die ehemaligen Partner werfen sich jetzt noch die Trümmer an den Kopf und versuchen, sich gegenseitig maximal zu beschädigen, um selbst im anstehenden Wahlkampf möglichst gut dazustehen. Das ist abstoßend, würde- und verantwortungslos. Dieses Verhalten verunsichert Bürgerinnen und Bürger in einer Zeit, in der sie sich ohnehin größte Sorgen um die Zukunft machen: Die Gefahr eines verheerenden Krieges war noch nie so groß, die Wirtschaft – Garant von Wohlstand und sozialem Frieden – steckt in der Krise, extreme politische Kräfte werden immer stärker, und das Weltklima stellt uns vor große Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund ist der schmutzige Endkampf der Koalition politisches Totalversagen. Man muss all denen Respekt zollen, die sich daran nicht beteiligen.
Die Neuen in der Regierung, die am Donnerstag vom Bundespräsidenten die Ernennungsurkunden erhielten, können sich die Mühe sparen, ihre Sachen im neuen Chefbüro einzuräumen. Sie werden als Kurzzeitminister in die Geschichte eingehen.
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Die Vorstellung des Kanzlers, Neuwahlen bis ins Frühjahr zu verschleppen, ist absurd. Nach dieser Aufführung muss allen klar sein, dass Neuwahlen so schnell wie irgend möglich kommen müssen. Olaf Scholz hat eine Lawine losgetreten und träumt davon, sie kontrollieren zu können. Er glaubt ernsthaft, dass er zur Neupositionierung Zeit hat, bis zu einem Frühjahrsaufschwung und vielleicht bis nach der Hamburg-Wahl (2. März 2025), die mit einem SPD-Sieg für Rückenwind und bessere Stimmung sorgen könnte. Aber er wird den Lauf der Lawine nicht kontrollieren können, sie wird ihn mitreißen.
Ja, mit seinem Coup, den dickköpfigen Finanzminister zu entlassen, hat der Politprofi Scholz den Politprofi Lindner überrascht und geschlagen. Wobei geschlagen fast schon zu schwach ist. Scholz hat den Finanzminister in seiner Rauswurfrede gedemütigt und Bilder produziert, auf denen sein ehemaliger Regierungspartner mit der Entlassungsurkunde in der Hand um Fassung ringen muss, und der Kanzler steht grußlos mit grimmiger Miene daneben. Das mag Scholz Genugtuung bringen, aber der Kanzler scheint nicht zu spüren, dass dem Volk nach quälenden drei Jahren völlig egal ist, wer das Ende der Ampel eingeläutet hat.
Diese Regierung ist fertig. Und mit jedem Tag, an dem sie sich an der Macht hält, schadet sie dem Land. „Politische Insolvenzverschleppung“ nennt Sahra Wagenknecht dieses taktische Verzögern und trifft damit ausnahmsweise den Nagel auf den Kopf. Schnelle Neuwahlen zu ermöglichen, ist der letzte Dienst, den diese Regierung dem Land noch erweisen kann. Jetzt liegt der Ball fast frei im Feld von Friedrich Merz. Der CDU-Chef wird keinen Finger krümmen, um dem Palliativpatienten Ampel das Leben zu verlängern. Aber er muss in dieser Lage klug handeln und die richtige Tonlage zwischen Staatsmann und scharfzüngigem Oppositionschef finden, um sich als Bundeskanzler zu empfehlen. Und Merz muss jetzt unter Zeitdruck nicht nur einen Wahlkampf planen, sondern schon ein überzeugendes Regierungsprogramm aufstellen, um in wenigen Monaten nicht mit leeren Händen dazustehen.
Es gibt genug Enttäuschte, die sich von den Ampel-Parteien abwenden und ihr Heil das nächste Mal bei den Extremen suchen. Das ist ein schlimmer Kollateralschaden der Ampel-Kabale. Und die Union sollte diese Menschen auffangen, damit das Land regierbar bleibt. Das ist eine besondere Herausforderung und wird der letzte Beweis dafür sein, ob der politische Wiedereinsteiger Merz aus echtem Kanzlerholz ist.