Berlin. Der Vizekanzler zielt am Tag nach dem großen Krach auf einen staatsmännischen Ton – und stellt Grundsatzfragen, auch in Richtung Union.

Wenn er den Eindruck hat, dass die Situation es erfordert, dann wird Robert Habeck in seinen Ausführungen gern etwas grundsätzlicher. Und der Tag nach dem Bruch der Ampel-Koalition fordert aus seiner Sicht genau das. Als der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister am Donnerstagmittag vor die Kameras tritt, geht es zunächst um den Ablauf des Abends und das Ende der Koalition, das Habeck zufolge „vermeidbar“ gewesen wäre.

Aber schließlich kommt der Grünen-Politiker darauf zu sprechen, was sich aus dem Zerfall der Regierung ableiten ließe. „Ich möchte eine Nachdenklichkeit in den Raum stellen, die ich nicht gleich mit einer Antwort zuballern will“, sagt er. „Wenn wir mit Abstand auf die politische Kultur in Deutschland schauen und uns überlegen, wie Demokratie eigentlich sein sollte, sind wir wirklich zufrieden?“ Ob die derzeitige Debattenkultur wirklich die sei, die das Land haben wolle? Ob sie geeignet sei, Probleme zu lösen?

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#1 Folge mit Robert Habeck

Meine schwerste Entscheidung

Die Art, diese „Nachdenklichkeit“ zu formulieren, aber auch die Fragen an sich sind typisch Habeck. Es ist so ein Satz, wie ihn in der deutschen Politik nur er sagen kann. Das staatsmännische Register, das nach der Auflösung der Ampel-Koalition Vertreter aller drei beteiligten Parteien versuchen zu treffen, fällt ihm leicht. Und anders als bei vielen anderen Ampel-Konflikten, bei denen die Grünen und oft auch Habeck selbst mittendrin waren in der Auseinandersetzung, standen sie beim finalen Showdown fast im Abseits. Während Scholz und Lindner sich gegenseitig mit bitteren Vorwürfen überzogen, erklärte Habeck, er halte jetzt wenig davon, sich jetzt gegenseitig „Wunden zu zeigen“.

„Ich möchte eine Nachdenklichkeit in den Raum stellen, die ich nicht gleich mit einer Antwort zuballern will“

Robert Habeck
Bundeswirtschaftsminister

Habecks Ausgangsposition ist nicht die schlechteste – aber die Partei noch immer sehr unbeliebt

Auch in Richtung Union streckte er die Hand aus – er würde es begrüßen, sagte Habeck, wenn eine Zusammenarbeit punktuell möglich wäre in den kommenden Monaten. Im Bundeswirtschaftsministerium hegt man die leise Hoffnung, dass das ein oder andere Projekt so noch durchzusetzen sein könnte. Und man könne ja auch glauben, sagte Habeck, dass „wir in einem Land wieder leben, wo diejenigen, die auch aus der Opposition heraus helfen, Probleme zu lösen, belohnt werden“.

An der finalen Eskalation nicht beteiligt, weiterhin im Amt: Es ist unter den drei Ex-Ampelparteien nicht die schlechteste Ausgangsbasis für den kommenden Wahlkampf, den Habeck aller Voraussicht nach als Kanzlerkandidat der Grünen bestreiten wird. Eine offizielle Erklärung dazu wird noch für diese Woche erwartet. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, schon in der kommenden Woche treffen sich die Grünen zum Parteitag in Wiesbaden.

In den Umfragen bleiben die Grünen zurück

Dort soll die neue Parteispitze um Franziska Brantner und Felix Banaszak gewählt werden. Omid Nouripour und Ricarda Lang waren nach einer Serie von miserablen Landtagswahlergebnissen schon im September als Parteivorsitzende zurückgetreten. Inzwischen ist die personelle Aufstellung der Grünen nahezu abgeschlossen.

Die grundsätzliche Lage der Partei ist allerdings unverändert: 10 bis 11 Prozent in den Umfragen, bei einem erheblichen Teil der Wählerschaft nach drei Jahren in der Regierung unbeliebt, zum Teil verhasst. Habecks Aufgabe als Kanzlerkandidat wird es sein, das zu ändern – ganz grundsätzlich.