Berlin. Der Streit um den Mindestlohn eskaliert: Arbeitgeber kritisieren Heils Pläne scharf und drohen mit dem Ausstieg aus der Kommission.

Die Diskussion um die zukünftige Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wird immer heftiger. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steht dabei im Fokus der Kritik, nachdem er die Mindestlohnkommission in einem Schreiben aufgefordert hatte, den Mindestlohn zügig auf 60 Prozent des mittleren Lohnniveaus anzuheben. Damit will Heil die Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie umsetzen, was eine Erhöhung auf rund 15 Euro pro Stunde bedeuten würde. Die Arbeitgeber werfen ihm vor, die rechtliche Grundlage zu verzerren.

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Die Mindestlohnkommission gerät ins Kreuzfeuer

Ein zentraler Streitpunkt in der Debatte ist die Frage, welche Kriterien für die Festlegung des Mindestlohns ausschlaggebend sein sollten. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), kritisierte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass die Entwicklung der Tariflöhne als nationaler Referenzwert bewusst außer Acht gelassen werde. „Unser nationaler Referenzwert ist, völlig rechtmäßig, die Tariflohnentwicklung“, erklärte Kampeter. „Wenn Bundesarbeitsminister Heil das bewusst unterschlägt, verdreht er die Rechtslage und beschädigt die Mindestlohnkommission.“

Laut Kampeter lässt die EU-Richtlinie den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Wahl der Referenzwerte. So könne das 60-Prozent-Kriterium herangezogen werden, es stünden aber auch nationale Faktoren, wie die Tariflohnentwicklung, zur Verfügung. Heil stelle jedoch die EU-Vorgaben so dar, als gäbe es nur eine Möglichkeit, was nach Ansicht der Arbeitgeber nicht den Tatsachen entspricht.

Arbeitgeber stellen ihre Mitarbeit in Frage

Der wachsende Konflikt könnte gravierende Folgen für die weitere Zusammenarbeit in der Mindestlohnkommission haben. Kampeter machte deutlich, dass die Arbeitgeber ihre Mitarbeit in dem Gremium infrage stellen. „Die Frage nach einem Ausstieg der Arbeitgeber ist gerechtfertigt“, sagte er.

Dieser Punkt werde in naher Zukunft innerhalb der Arbeitgebergremien diskutiert. Ein Ausstieg der Arbeitgeber aus der Kommission könnte deren Arbeit erheblich erschweren und die Festlegung des Mindestlohns vor zusätzliche Hürden stellen.

Heils Druck durch die EU-Richtlinie

Heil nutzt die EU-Richtlinie als Basis für seine Forderung nach einer deutlichen Erhöhung des Mindestlohns. Derzeit liegt die Lohnuntergrenze in Deutschland bei 12,41 Euro brutto pro Stunde. Zum 1. Januar 2025 soll der Mindestlohn auf 12,82 Euro steigen, doch Heil plant noch weitreichendere Schritte. „Und dann wird im Jahre 2026 der Mindestlohn zwischen 14 und 15 Euro liegen“, erklärte er vor Kurzem.

In einem Schreiben an die Mindestlohnkommission hatte Heil betont, dass die EU-Vorgaben nur dann erfüllt seien, wenn der Mindestlohn auf 60 Prozent des mittleren Lohnniveaus angehoben werde. Die EU-Mindestlohnrichtlinie muss bis zum 15. November in nationales Recht umgesetzt werden. Für Heil stellt dies eine Verpflichtung dar, um die Lohnuntergrenze deutlich anzuheben.

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Die Wirtschaft reagiert mit Ablehnung

In der Wirtschaft stoßen Heils Pläne auf starke Ablehnung. Die Arbeitgeber sehen in der angestrebten Erhöhung des Mindestlohns eine Gefahr für den sozialen Dialog innerhalb der Mindestlohnkommission und für die Tarifautonomie in Deutschland. Sie argumentieren, dass eine Kopplung an das mittlere Lohnniveau den Handlungsspielraum der Kommission stark einschränken und für die Unternehmen zu erheblichen Belastungen führen könnte.

Kampeter unterstrich, dass die Arbeitgeber nicht grundsätzlich gegen eine Anpassung des Mindestlohns seien, diese jedoch auf der Grundlage der Tariflohnentwicklung erfolgen müsse. Eine strikte Bindung an das 60-Prozent-Kriterium der EU-Richtlinie würde der deutschen Wirtschaft schaden.