Berlin. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD) will die AfD schlagen. Dafür geht er ein hohes Risiko ein. Das kann Folgen für Scholz haben.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke kämpft in diesen Tagen um seine Wiederwahl. Auf Unterstützung des in der Landeshauptstadt Potsdam lebenden Olaf Scholz verzichtet der Sozialdemokrat dabei. „Manchmal bin ich wirklich froh, wenn ich von der Bundesregierung mal ein paar Tage nichts höre“, knurrte Woidke im Wahlkampf. Nun könnte das Schicksal des Kanzlers ausgerechnet davon abhängen, ob Woidke Erfolg damit hat, sich von Scholz und der Ampel so fern wie möglich zu halten.

Es gibt viel zu verlieren. Seit der Wiedervereinigung ist die SPD in Brandenburg stets die stärkste Kraft gewesen. Noch nie hat hier seit 1990 eine andere Partei den Regierungschef gestellt. Der 62-jährige Woidke gehört als einer von sieben sozialdemokratischen Ministerpräsidenten zu den Charakterköpfen der SPD. Sollte die SPD in Brandenburg gegen die AfD verlieren, dürfte es ungemütlich werden in der Partei – auch für Olaf Scholz.

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Brandenburg: Seit der Wiedervereinigung lag hier immer die SPD vorne

„Die Bedeutung der Wahlen in Brandenburg ist extrem hoch“, sagt der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer dieser Redaktion. „Deshalb gilt es jetzt alles zu geben, um zu verhindern, dass die Genossinnen und Genossen vor Ort in Mithaftung genommen werden für die hohe Unzufriedenheit mit der SPD in der Bundesregierung.“ Brandenburger Wahlkämpfer berichten, dass, wie bereits zuvor in Sachsen und Thüringen, bundespolitische Themen wie Migration und der Ukraine-Krieg alles überschatten. Zudem sei immer wieder zu merken, dass der Kanzler bei den Menschen nicht ankomme.

Die brandenburgische SPD setzt mit ihrer Kampagne daher voll auf den fast zwei Meter großen Woidke, um vor der AfD stärkste Kraft zu werden. Von riesigen Hochkantplakaten blickt ein von Kopf bis Fuß abgebildeter Woidke den Brandenburger Wählerinnen und Wählern entgegen. Der Slogan dazu: „Brandenburg braucht Größe.“ Die Bundes-SPD braucht nach den verheerenden Ergebnissen der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen bei der Wahl in Brandenburg am 22. September dringend einen Erfolg.

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Olaf Scholz: In der SPD schwindet die Geduld mit dem Kanzler

In der SPD wächst der Unmut über den Kanzler, sein öffentliches Auftreten und den Zustand seiner Ampelkoalition. Der Geduldsfaden mit Scholz werde kürzer, heißt es. Nach dem historisch schlechten Abschneiden bei der Europawahl im Juni habe der Kanzler Besserung gelobt, mal wieder. Passiert sei aber nichts, mal wieder. Das Abschneiden in Sachsen und Thüringen, wo die SPD jeweils nur mit der Nasenspitze über der Fünf-Prozent-Hürde landete, waren auch Thema bei einer Klausur der SPD-Bundestagsfraktion im brandenburgischen Nauen in dieser Woche.

Setzt sich der Abwärtstrend fort, müssen viele der Abgeordneten fürchten, nach der nächsten Bundestagswahl nicht mehr im Parlament zu sitzen. In der Fraktion wird deswegen von manchen – bislang nur intern – die Frage gestellt, ob Scholz noch der Richtige ist, um in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Schließlich gäbe es mit dem beliebten Verteidigungsminister Boris Pistorius einen Reservekandidaten.

Umfrage: Brandenburger AfD legt zu - SPD kann Abstand nicht verringern

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    Die SPD-Spitze um die Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken will von einem Wechsel bislang nichts wissen. Auch Fraktionschef Rolf Mützenich sagte in Nauen: „Der Rückhalt für den Bundeskanzler ist bei mir absolut.“ Mützenich warnte zudem vor einer „Nabelschau“, die SPD müsse sich mit den Problemen der Menschen beschäftigen.

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    Die Bundespartei hofft auch auf einen Sieg von Woidke, um dieses Wahljahr mit einem Erfolg abzuschließen. „Ich bin mir sicher, dass Dietmar Woidke in Brandenburg zeigen wird, wie man als Demokrat gegen die AfD gewinnt“, sagte Klingbeil unserer Redaktion in dieser Woche. Eine neue Umfrage ist für die Partei jedoch ernüchternd: Woidkes SPD gewinnt zwar hinzu und kommt auf 23 Prozent. Allerdings steigert sich auch die AfD und liegt mit 27 Prozent vorne.

    AfD: Woidke macht klare Ansage und geht hohes Risiko ein

    Woidke geht hohes Risiko ein und hat angekündigt, dass er nicht mehr Ministerpräsident sein will, wenn die SPD nur auf dem zweiten Platz landet: „Wenn ich gegen die AfD verliere, bin ich weg.“ Die Botschaft: Wollt ihr mich, müsst ihr SPD wählen, liebe Brandenburger. Dahinter steckt die Hoffnung, Wähler anzusprechen, die vor allem eine starke AfD verhindern wollen. „Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und AfD“, erwartet Türmer. Deswegen brauche es jetzt jede demokratische Stimme, um zu verhindern, dass die AfD in einem weiteren Bundesland auf dem ersten Platz lande.

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    Geht Woidkes Taktik auf, dürfte auch Scholz Zeit gewinnen und sich die Debatte in der SPD um die Kanzlerkandidatur zumindest erst einmal beruhigen. Schon vor fünf Jahren holte Woidke einen zwischenzeitlichen Umfragerückstand auf die AfD bis zum Wahltag auf. Nicht ausgeschlossen ist, dass in der SPD dennoch ein Ventil für den aufgestauten Frust gesucht wird, und Generalsekretär Kevin Kühnert oder Parteichefin Esken unter Druck geraten. Aus Angst um die Umfragewerte war aus der Brandenburger SPD bereits ein Auftrittsverbot für die beiden in Talkshows gefordert worden.

    Sollte Woidke jedoch deutlich hinter der AfD landen, könne dies als „Brandbeschleuniger“ in der Scholz-Debatte wirken, ist aus der Partei zu hören. So oder so muss sich die SPD nach der Brandenburg-Wahl überlegen, wie sie bis zur Bundestagswahl die Stimmung zu ihren Gunsten drehen will. Jusos-Chef Türmer fordert: „Ich erwarte, dass die SPD-Spitze sich im Anschluss die Ergebnisse der drei Ost-Landtagswahlen anschaut und wir gemeinsam unsere Schlüsse für 2025 ziehen.“