Berlin. Die Preisspirale bei Mieten dreht sich, die Behörden sind machtlos – doch ein Gesetzentwurf, der helfen könnte, hängt im Kabinett fest.
Wer in deutschen Städten eine Wohnung sucht, trifft nicht nur auf ein knappes Angebot – sondern auch auf hohe Preise. Der seit Jahren bestehende Trend verschärfte sich laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zuletzt noch: Im zweiten Quartal 2024 wurden demnach in den sieben größten deutschen Städten 27 Prozent weniger Mietwohnungen angeboten als noch zwei Jahre zuvor. Gleichzeitig bleibe die Nachfrage hoch, was zu steigenden Mietpreisen führe, teilte das Institut mit.
Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt gilt manchen in der Ampel-Koalition inzwischen als Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft. „Der Mietwahnsinn in deutschen Großstädten muss endlich ein Ende haben“, sagte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, dieser Redaktion. „Wir müssen die Abzocke von Mieterinnen und Mietern, die Mieten weit über der ortsüblichen Vergleichsmiete zahlen müssen, sofort beenden.“
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Konkret fordert die SPD eine Reform des sogenannten Mietwucherparagrafen. Demnach können Vermieter bestraft werden, wenn sie eine unangemessen hohe Miete verlangen. Liegt die Miete mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, kann es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln, bei mehr als 50 Prozent sogar um eine Straftat. Nur: „Derzeit müssen Mieter nachweisen, dass der Vermieter eine Zwangslage bei der Wohnungssuche ausgenutzt und dabei eine unangemessen hohe Miete verlangt hat“, kritisiert Wiese. „Ein solcher Nachweis ist aber in der Praxis unmöglich.“
Justizminister Buschmann hat verfassungsrechtliche Bedenken
Mietwucher liegt nur dann vor, wenn der Mieter vorweisen kann, dass keine günstigere Wohnung in der Gemeinde verfügbar ist. Insbesondere in den Metropolen, wo laufend Wohnungen auf den Markt kommen, die Nachfrage aber derart groß ist, dass viele Bewerber dennoch regelmäßig leer ausgehen, ist das kaum umsetzbar.
Dabei gibt es bereits Bestrebungen, den entsprechenden Paragrafen so anzupassen, dass Mieter besser geschützt wären. Nachdem eine Bundesrat-Initiative aus 2019 an der damaligen Regierung aus Union und SPD noch gescheitert war, legte die Länderkammer auf Bestreben Bayerns im Jahr 2022 einen überarbeiteten Gesetzentwurf vor. Demnach müssten Mieter künftig nicht mehr nachweisen, dass eine Zwangslage ausgenutzt worden sei. Ordnungswidrig handeln würde stattdessen bereits, wer bei einem knappen Angebot eine „unangemessen“ hohe Miete verlange.
Innerhalb der Bundesregierung hängt der Gesetzesentwurf aber fest. SPD-Fraktionsvize Wiese appelliert daher an den zuständigen Justizminister Marco Buschmann, den „Weg für diesen Vorschlag frei“ zu machen. Doch der FDP-Politiker lehnt dies ab, er hält den Entwurf aus der Länderkammer für rechtlich zweifelhaft. Denn wenn das Gesetz kein vorwerfbares Unrecht mehr enthalte, könnten Vermieter schlecht bestraft werden. Buschmann sei außerdem der Ansicht, „dass allein der Neubau von Wohnungen auf Dauer effektiv gegen steigende Mieten hilft“, sagte ein Ministeriumssprecher dieser Redaktion.
Mieterbund weist Bedenken zurück – und stellt Gutachten vor
Widerspruch gegen Buschmanns Bedenken kommen vom Deutschen Mieterbund, der im Frühjahr ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, um die Rechtmäßigkeit einer Gesetzesänderung zu prüfen – mit dem Ergebnis, dass der Gesetzesentwurf des Bundesrats verfassungskonform sei. Würde der Paragraf geändert, sei er der effektivste Schutz für Mieter, sagte Mieterbundpräsident Lukas Siebenkotten dieser Redaktion. „Mit der gegenwärtigen Rechtslage ist er aber zahnlos.“
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Auch von Vermieterseite wird gefordert, gegen diejenigen vorzugehen, die eine unverhältnismäßig hohe Miete verlangen. „Diese ‚schwarzen Schafe‘ nutzen die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt aus, verhalten sich unsolidarisch und schaden unserer sozial und verantwortungsbewusst handelnden Branche“, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands der Wohnungswirtschaft GdW, dieser Redaktion.
Gleichzeitig sieht er Schranken in der Gesetzgebung. „Genauso wie Ladendiebstahl verboten ist und dennoch gestohlen wird, kann auch das Mietrecht selbst gegen bewusst ungesetzlich handelnde Akteure wenig ausrichten.“ Bestehende Instrumente wie die Mietpreisbremse seien daher ausreichend, um Mietwucher zu bekämpfen.
Gewerkschaftschef appelliert an Wohnungsämter und Job-Center
Mieterbundpräsident Siebenkotten widerspricht: Sowohl bei der Mietpreisbremse als auch bei der Kappungsgrenze handelt es sich um zivilrechtliche Vorgänge, Mieter müssen also selbst aktiv gegen Vermieter vorgehen. „Bei der Mietpreisbremse gibt es einen psychologischen Effekt: Wenn ich mich gegen 80 oder mehr Bewerber durchgesetzt habe und eine Wohnung bekomme, dann verklage ich nicht als erstes meinen Vermieter, damit er die Mietpreisbremse einhält.“
Gerade deshalb könne eine Verschärfung des Mietwucher-Paragrafen, bei dessen Anwendung die Ordnungshüter aktiv werden würden, helfen. Mietwucher über 50 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete komme zwar selten vor. Aber: „Anders dürfte das bei den Ordnungswidrigkeiten sein, bei denen die Miete mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.“
Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU, lenkt den Blick noch auf einen weiteren Aspekt: Staatliche Stellen selbst dürften überteuerte Mieten nicht weiter anheizen. „Wenn der Staat beim Wohngeld und bei den Kosten der Unterkunft überteuerte Mieten zahlt und damit überhöhte Preise akzeptiert, dann dreht er letztlich selbst auch an der Mietenschraube.“ Wohnungsämter und Job-Center müssten wuchernde Vermieter verklagen, forderte Feiger. „Das hätte eine echte disziplinierende Wirkung.“
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