Berlin. Der Krach in der Koalition ist jetzt auf der höchsten Ebene angekommen. Daraus muss die Ampel die richtigen Schlüsse ziehen.
Während viele Menschen in diesen Sommerwochen eine Auszeit vom Alltag nehmen, macht die Regierung verlässlich weiter. Allerdings nicht damit, die Probleme des Landes zu lösen, wie die Koalition es nach jedem Krach erneut verspricht. Sondern mit Streit und Schuldzuweisungen. Das im öffentlichen Ansehen tief gesunkene rot-grün-gelbe Bündnis untergräbt wenige Wochen vor den für die gesamtdeutsche Demokratie wichtigen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg das Vertrauen in politisches Handeln.
Aktueller Anlass ist der Haushalt für 2025. Zwar geht es „nur“ um eine Lücke von fünf Milliarden Euro – angesichts eines Gesamtetats von 481 Milliarden Euro eine überschaubare Summe. Doch der Umgang der Koalition mit dem nun aufgetauchten Problem lässt tief blicken. Anders als bei früheren Konflikten zoffen sich nicht Ampel-Vertreter der zweiten und dritten Reihe. Der Krach ist in der Dreierrunde von Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner angekommen, wo bisher letztinstanzlich die Probleme der Ampel gelöst werden mussten.
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Linder verärgert Scholz und Habeck
Ein Blick zurück: Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Haushaltspolitik der Koalition in wichtigen Punkten für verfassungswidrig erklärt hatte, stand die Regierung vor einem Scherbenhaufen. Der Ampel fehlten nicht nur auf einen Schlag viele Milliarden Euro, auch das vom Kanzler selbst gepflegte Image als größter Fachmann des Regierungshandwerks seit Gründung der Bundesrepublik war arg ramponiert.
Unter den strengen Auflagen des Richterspruchs aus Karlsruhe musste die Koalition den Haushalt für 2025 aufstellen. Rund 80 Stunden saßen Scholz, Lindner und Habeck zusammen, bis sie Anfang Juli eine Einigung präsentierten. Doch diese enthielt Lösungen, deren Zulässigkeit noch per Gutachten geprüft werden musste. Zur Überraschung und Verärgerung von Kanzler und Vizekanzler schlug Lindner nun öffentlich Alarm und stellte die Rechtmäßigkeit des Etatentwurfs infrage, anstatt die Ergebnisse der Analyse intern zu besprechen.
Lindner und Scholz geraten aneinander: Der Kanzler meldet sich sogar aus dem Urlaub
Lindner garnierte seine Warnung unter Verweis auf die Schlappe vorm Bundesverfassungsgericht mit dem pikanten Zusatz: „Das passiert mir kein zweites Mal.“ Das kann als Misstrauensbekundung in Richtung Scholz verstanden werden. Schließlich stammten die umstrittenen Ideen zur Haushaltsaufstellung aus dem Kanzleramt.
Wie die Aktion des FDP-Chefs bei Scholz ankam, lässt sich an dessen Reaktion ablesen. Der Kanzler meldete sich eigens aus dem Urlaub zu Wort – schon das ein ungewöhnlicher Vorgang. Auch seine Wortwahl war bemerkenswert: Scholz liest aus dem Gutachten eine klare Unterstützung für seine Ideen zur Aufstellung des Haushalts heraus und nennt es ein „Mysterium“, dass Lindner das „eigentlich klare“ Gutachten so „grundfalsch“ verstehen konnte.
Der FDP-Chef foult den Kanzler, Scholz holt die Blutgrätsche raus
Lindner hatte gefoult, Scholz revanchierte sich mit einer Blutgrätsche. Lindner, der bei den Koalitionspartnern ohnehin unter dem Verdacht steht, ein Ende der Ampel herbeizusehnen, sollte dies als klare Ansage verstehen. Bisher hatte Scholz schließlich zum Leidwesen seiner SPD bis zur Selbstverleugnung auf Kompromiss gesetzt, um den Fortbestand der Koalition zu sichern.
Inzwischen muss man sagen: Warum eigentlich? Diese Koalition hat das zusammen Machbare abgearbeitet, für weitere Projekte fehlen entweder das Geld oder die gemeinsame Vision. Die Ampel ist am Ende. Sie sollte die Kraft aufbringen, das zu erkennen und endlich die Reißleine ziehen.
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