Washington. Die Republikaner hatten sich schon auf den Favoriten Shapiro eingeschossen, doch Harris überrascht einmal mehr – und punktet doppelt.

Bis vor wenigen Tagen war der Name Tim Walz den meisten Amerikanern außerhalb seines Heimatstaats Minnesota völlig unbekannt. In fünf Monaten könnte der Gouverneur aber als nächster Vizepräsident der Vereinigten Staaten vereidigt werden. Damit wäre der 60-Jährige, wie es heißt, nur noch „einen Herzschlag vom mächtigsten Amt der Welt“ entfernt.

Zwar hat noch keine Nummer zwei jemals den Ausgang einer US-Wahl entschieden. Gleichwohl ist in diesem einzigartigen Wahljahr, das von Drama und überraschenden Wenden geprägt ist wie kein anderes, nichts ausgeschlossen. Sicher scheint aber schon jetzt, dass Walz der Kampagne von Kamala Harris zwei Wochen vor dem demokratischen Nominierungskonvent frischen Schwung verleihen wird.  

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Am Ende war klar, dass sich die demokratische Kandidatin entweder für Walz oder Josh Shapiro, seinen Amtskollegen aus Pennsylvania entscheiden würde. Beide galten als kluge Wahl, da sie Harris helfen würden, in den kritischen „Swing States“ des mittleren Westens ihre Position zu festigen. Dass sich Harris letzten Endes für Walz entschied, liegt daran, dass er im Gegensatz zu dem neun Jahre jüngeren Shapiro im Wahlkampf politisch weniger verwundbar ist. 

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Tim Walz: Ein politischer Spätzünder aus einfachen Verhältnissen

Der Gouverneur aus Pennsylvania, der selbst Jude ist, hatte pro-palästinensische Demonstranten als antisemitisch beschimpft. Auch behauptete er, ein Anhänger erneuerbarer Energien zu sein, förderte aber als Gouverneur Fracking und machte sich für Steuererleichterungen für große Unternehmen stark. Positionen also, die für einen moderaten Demokraten schwer vertretbar sind.

Minnesotas Gouverneur Tim Walz gilt als bodenständig.
Minnesotas Gouverneur Tim Walz gilt als bodenständig. © picture alliance/dpa/AP | Carolyn Kaster

Walz hingegen bringt jene Eigenschaften mit ins Rennen, die Harris ideal positionieren, um in den kommenden drei Monaten das Duell mit dem republikanischen Spitzenkandidaten Donald Trump aufzunehmen. Der zweifache Vater ist ein Spätzünder, der erst mit Anfang 40 ins politische Geschäft einstieg. Ihm haftet nicht das Etikett des Karrierepolitikers und Insiders an, das viele Wähler abstößt.

Walz wurde in einer ländlichen Gegend in Nebraska geboren, studierte an einer kleinen Universität Sozialwissenschaften und jobbte sowohl in der Landwirtschaft als auch der Industrie. Er ging freiwillig zur Nationalgarde. Auch arbeitete er 20 Jahre lang als Lehrer. Zunächst auf einem Indianerreservat und dann in China, wo Walz seine Kollegin Gwen kennenlernte, die später seine Ehefrau wurde.  

Im Vergleich zu Trump-Vize vertritt Walz gemäßigte Ansichten

Interesse an der Politik entwickelte er aber erst 2004 als freiwilliger Helfer in der Präsidentschaftskampagne des Demokraten John Kerry. Von da ging es steil bergauf. 2006 wurde Walz als Repräsentant seines Heimatstaats Minnesota erstmals in den Kongress gewählt und fünf Mal im Amt bestätigt. Seit 2019 führt der Soziologe in der Hauptstadt St. Paul die Regierungsgeschäfte.

Ein Vorteil gegenüber seinem Gegenspieler J.D. Vance besteht darin, dass der Republikaner teilweise rechts seines designierten Chefs Donald Trump positioniert ist. Walz hingegen vertritt gemäßigte Ansichten, sowohl in ökonomischen als auch sozialen Fragen und bei dem Dauerstreit um Zuwanderer.

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Er plädiert für striktere Waffengesetze, die aber trotzdem das Recht der Bürger schützen würden, Schusswaffen zu besitzen. Walz unterstützt das Recht jeder Frau, frei über eine Abtreibung zu entscheiden und engagiert sich für LGBTQ-Gemeinde. Einerseits hat er den Angriff auf Israel im vergangenen Oktober scharf verurteilt, plädiert aber dennoch für den humanitären Umgang mit Zivilisten in Gaza.  

Kritik an Walz gab es nur einmal – beim Tod von George Floyd

Der wichtigste Vorteil des Gespanns Harris-Walz könnte in dem scharfen Kontrast zwischen den beiden Kandidaten für die Vizepräsidentschaft bestehen. Walz gilt als bodenständige Frohnatur mit einem Lebenslauf, der viele Wähler des mittleren Westens, die sich Trump schon in die Tasche gerechnet hatte, anspricht. Auch bietet er den Republikanern wenig Angriffsfläche.

Kamala Harris, bislang Vizepräsidentin der USA, könnte Walz frischen Wind in die Kampagne bringen.
Kamala Harris, bislang Vizepräsidentin der USA, könnte Walz frischen Wind in die Kampagne bringen. © DPA Images | Stephanie Scarbrough

Einiger Kritik sah sich der Gouverneur lediglich ausgesetzt, als er nach der Tötung des Afro-Amerikaners George Floyd angeblich zu langsam reagierte. Vance hingegen ist eine polarisierende Figur, die sich kaum eignen wird, unentschlossene Wechselwähler zu begeistern.

Er lehnt Abtreibungsrechte strikt ab und dämonisierte „kinderlose Katzenfrauen“, die angeblich dem amerikanischen Ideal der Familiengründung widersprechen und die demokratische Partei im Griff haben. Insbesondere gilt der Vance als Polit-Chamäleon, der früher Trump als „moralisches Desaster“ bezeichnete und ihn mit Hitler verglich, dem Spitzenkandidaten aber nun nach dem Mund redet.   

Republikaner hatten sich schon auf Shapiro eingeschossen

Weder Walz noch Vance werden entscheiden, wer am 5. November die Präsidentschaftswahl gewinnt. Dennoch repräsentiert das demokratische Team ein gewisses Maß an politischer Ausgewogenheit. Hinzu kommt, dass sich die Republikaner seit längerer Zeit auf Shapiro als Kandidaten eingestellt hatten und den Pennsylvania-Gouverneur seit Tagen im Kreuzfeuer hatten.

Nun aber müssen sie ein weiteres Mal – wie auch nach Präsident Joe Bidens Ausstieg, auf den Trump abgesehen von Tiraden konzeptlos antwortete – am Nullpunkt beginnen und eine neue Strategie entwickeln. Dazu noch gegen einen Kandidaten wie Walz, der kaum angreifbar ist. Ein klarer Vorteil also für Harris während der Schlussphase des Wahlkampfs.