Berlin. Justiz, Verfassungsschutz und Polizei sind alarmiert: Sollte die AfD in den östlichen Ländern regieren, bleiben nur radikale Schritte.

Die AfD in der Landesregierung? Das ist angesichts der aktuellen Prognosen für die Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen nicht länger ausgeschlossen. Sollte es so kommen, hätte das massiven Einfluss auf die innere Sicherheit, sagen Experten. Die Partei gilt in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall, in Sachsen und Thüringen als gesichert rechtsextrem. Wie stellen sich Verfassungsschutz, Polizei und Justiz auf das Szenario einer AfD-Regierung ein?

Einem Medienbericht zufolge erörtert der Verfassungsschutz bereits, wie im Fall einer AfD-Landesregierung mit sensiblen Informationen umgegangen werden soll. Demnach könnte gegebenenfalls das jeweilige Landesamt für Verfassungsschutz vom Informationsfluss der anderen Verfassungsschützer abgeschnitten werden. So soll verhindert werden, dass Informationen an die AfD-Landesverbände, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weitergegeben werden.

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Für den Sicherheitsexperten Thomas Grumke ist es jedoch kaum vorstellbar, dass der Informationsfluss vollständig gekappt werden kann. Dafür sind die Sicherheitsbehörden zu eng vernetzt. „Beim Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum sitzen alle Landesämter für Verfassungsschutz mit am Tisch“, erklärt Grumke, der selbst beim Verfassungsschutz gearbeitet hat und heute an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen lehrt. „Würde man da bestimmte Länder ausschließen, wäre das eine Einladung für Terroristen, sich genau dort niederzulassen, weil sie unter dem Radar wären.“

Thüringer Verfassungsschutz-Chef: „Die Debatte ist völlig überflüssig“

Rein technisch sei es allerdings kein Problem, den Verfassungsschutz eines Bundeslandes von bestimmten Informationen auszuschließen. Laut Grumke dürfte das dann vor allem sensible Informationen zur AfD betreffen. „So einen Fall hat es noch nie gegeben, es wäre aber vorstellbar“, sagt der Experte. Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, nennt die Debatte gegenüber unserer Redaktion dagegen „völlig überflüssig und halbgar“. Erst nach der Wahl sei zu entscheiden, „welche Sicherheitsrisiken gegebenenfalls bestehen und welche Konsequenzen auf gesetzlicher Basis zu ziehen sind“.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, erinnert daran, das Polizeibeamte Befehle verweigern können.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, erinnert daran, das Polizeibeamte Befehle verweigern können. © DPA Images | Wolfgang Kumm

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium äußerten sich auf Nachfrage nicht, ebenso der sächsische Verfassungsschutz. Brandenburgs Verfassungsschützern ist ein drohender Informationsstopp nach eigenen Angaben nicht bekannt. Keine Auswirkungen dürfte eine AfD-Regierung auf den Informationsaustausch der Polizeien haben. Laut Grumke wäre das rechtlich unmöglich: „Es gibt einen Strafverfolgungszwang, entsprechend muss die Polizei zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Gefahrenabwehr gegebenenfalls Informationen austauschen und gemeinsam ermitteln.“

Auch die Landespolizei Sachsen hat nach eigenen Angaben keine Überlegungen oder Maßnahmen für den Fall einer AfD-Regierungsbeteiligung getroffen. Die Polizeien aus Thüringen und Brandenburg ließen Anfragen unbeantwortet. Die Bundespolizei äußerte sich ebenfalls nicht. Für Polizisten gäbe es aber die Möglichkeit, Befehle zu verweigern, erklärt Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Das sogenannte Remonstrationsrecht erlaube es Beamten, Befehle zu verweigern, „wenn Anweisungen gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland oder andere Gesetze verstoßen.“

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AfD-Regierung: Polizisten überlegen, Bundesland oder Beruf zu wechseln

Der GdP-Chef berichtet indes von vermehrten Anfragen seiner Gewerkschaftsmitglieder zum Wechsel in andere Bundesländer oder Kündigungen: „Das zeigt, auch wir Polizisten beschäftigen uns intensiv mit den Folgen politischer Führungswechsel und unserer individuellen Verantwortung im Dienst für die Menschen in unserem Land.“ Gesinnungstests für Beamte lehnt Kopelke kategorisch ab. Um den politischen Einfluss auf die Polizei bereits jetzt einzuschränken, gäbe es laut Kopelke aber einige Möglichkeiten: „Polizeipräsidentinnen und -präsidenten müssten Verwaltungsbeamte und keine politischen Beamten sein.“

Auch das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei müsse bestehen bleiben. „Es bereitet uns Sorge, dass die AfD den Verfassungsschutz abschaffen will“, so der GdP-Chef. Und noch etwas treibt Kopelke um: Auf keinen Fall dürfe es passieren, dass Einheiten der Bereitschaftspolizei bei großen Einsatzlagen keine Unterstützung mehr aus den anderen Bundesländern erfahren. Das könnte der Fall sein, wenn Landesinnenministerien sich weigern, Beamte in AfD-regierte Länder zu senden, weil die dortige Landespolizei da das Kommando übernimmt. „Das ist für uns Polizeibeschäftigte absolut gefährlich und problematisch“, so Kopelke.

Justiz: Kann die AfD entscheiden, wer angeklagt wird?

Kopelke hofft außerdem, dass auch bei Staatsanwaltschaften und Gerichten die verschiedenen Szenarien der kommenden Landtagswahlen geprüft werden. Denn auch diese Behörden sind dem Landesjustizministerium unterstellt, das insbesondere auf die Staatsanwaltschaft einen großen Einfluss nehmen kann.

Stephan Kirschnick, Co-Landeschef des Deutschen Richterbundes in Brandenburg, äußerte bereits Bedenken für den Fall, dass das Landesjustizministerium an eine „antidemokratisch-populistische Partei“ gehen sollte. Der „Märkischen Oderzeitung“ sagte er, dass die AfD möglicherweise in die Personalpolitik eingreifen und unliebsamen Kandidaten den Weg zu höheren Justizämtern versperren könnte. Je nach Ergebnis wäre sogar eine Blockade bei der Neubesetzung des Landesverfassungsgerichts möglich.

In einzelnen Strafverfahren könne das Landesjustizministerium laut Kirschnick vorgeben, „ob Anklage erhoben wird oder nicht“. Er fordert daher, die Justiz schon jetzt stärker vor politischer Einflussnahme zu schützen.